Unaufmerksam

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Nicole

Natürlich hatte ich die falsche Richtung gewählt als ich einfach dahin zeigte, woher ich kam. Ich wurde Daniel also nicht direkt wieder los. "Das ist ja super, in die Richtung war ich auch unterwegs. Dann geh ich das Stück noch mit dir mit" sagte dieser freudestrahlend und ich musste mir ein freundliches Lächeln abringen. Warum war der Tag heute genauso, wie ich mir schlimme Tage immer ausmalte? Wem hatte ich etwas getan? Stand ich in der tiefen Schuld einer Fliege, die ich mit einer Klatsche erwischt hatte oder wollte die Verwandtschaft eine Ameise meinen Tod, weil ich diese ausversehen kaputt getreten hatte? Nein, es musste die Spinne gewesen sein, die ich vor drei Tagen mittels Staubsauger, einem angewiderten Gesicht und einem leichten "Bah" Würgen, eingesaugt hatte. Ich war doch ein Mensch wie jeder andere. Versuchte das Beste aus meinem Leben zu machen und zahlte pünktlich alle Rechnungen, obwohl dies oft überhaupt nicht möglich war. Was also hatte ich so schlimmes gemacht, dass ich Daniel nicht los wurde und der Rest vom Tag so überhaupt nicht lief? Ich schwieg einfach den Rest vom Weg, den ich mit ihm gemeinsam zurück legte und hörte ihm halbherzig zu. Blieb mir ja nichts anderes übrig.

Ich sah die rettende Bushaltestelle und merkte wie meine Füße schneller wurden. "Also dann bis Montag. Schönes Wochenende" ich wartete gar nicht auf das Danke oder einer großartigen Verabschiedung, ich wollte nur von ihm weg. Ich drehte mich auch nicht nochmal um, sondern überlegte mir fiebrig wie ich den Bus bezahlen sollte. Mit EC-Karte bezahlen konnte ich nicht und wo die nächste Bank war, lag auch außerhalb meines Wissens. Bei der Haltestelle angekommen, informierte ich mich dennoch über den Streckenplan und wann der nächste Bus kam. Dann stand plötzlich wieder Daniel neben mir. "Warum fährst du denn Bus? Soll ich dich mitnehmen? Ich parke da drüben" er zeigte unweit von uns auf die gegenüberliegende Straßenseite und ich konnte auch schon sein Auto erkennen. Vorsichtig schaute ich zu seinem Hund runter und sog meine Unterlippe ein um daran rum zu kauen. Der Hund würde mich sicher nicht einsteigen lassen und wenn doch, würde ich nicht lebend bei meinem Auto ankommen. Der Bus fuhr um die Ecke, ich konnte ihn sehen als ich aufsah und blickte zurück auf den Hund, dann zu Daniel. Was sollte ich für eine Geschichte erfinden, damit der Busfahrer mich mitnahm? „Gerne nimm ich dein Angebot an" sagte ich dann kleinlaut und schob eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Na dann super, auf geht's" natürlich überschlug er sich nun fast vor Freude und ich rollte gekonnt mit meinen Augen.

„Warum fährst du eigentlich mit dem Bus, ist dein Auto wieder kaputt?"-„Oh nein, nein alles gut mit dem Auto. Ich musste einfach mal zu Fuß raus" die Häuser zogen vor dem Fenster dahin und ich hoffte, er würde nicht weiter reden. „Da du so spät noch unterwegs bist, nimm ich an das Luisa auf den Kleinen aufpasst?" ich nickte nur, was sollte ich auch sonst erzählen? „Da könntest du doch mit mir was essen gehen oder nicht? Ich hab nämlich noch nichts gegessen" tolle Information, ging es mir direkt durch den Kopf und ich verzog unweigerlich mein Gesicht. „Du nee, sorry, aber ich kann echt nicht. Luisa wollte noch weg und ich wollte einfach mal nur eine Stunde für mich haben" er gab ein komisches Geräusch von sich, wie er es gern machte, wenn er offensichtlich gefrustet war oder etwas nicht so lief wie er wollte. „Ach komm schon Nicole. Ruf Luisa an und frag sie, ob sie nicht einfach eine Stunde später weg gehen kann? Ist ja nur kurz was essen. Kein Date. Einfach nur damit der Magen nicht mehr leer ist"-„Daniel" ich sah ernst zu ihm rüber und versuchte nicht allzu böse zu schauen, „echt nicht. Lass gut sein. Ich will einfach nur nach Hause"-„aber irgendwann gehst du mit mir essen"-„vielleicht" schwächte ich es ab und versuchte so den Mittelweg zu finden. Es waren auch zum Glück nur noch zwei Querstraßen bis zu mir. „Vielleicht ist kein Nein und ich nimm dich beim Wort. Es wird der Tag kommen, da bin ich mir ganz sicher und dann ..." mehr hörte ich nicht mehr von dem was er da am faseln war. Ich sah nur noch das große schwarze Auto, was genau vor meinem Haus stand. Ich sah wie gebannt auf den Wagen, dann auf das Nummernschild, um mich zu vergewissern, dass es auch wirklich Marco gehörte. Was wollte er hier? Daniel fuhr an den Straßenrand, genau dahinter und ich war schon am Aussteigen als er mein Handgelenk festhielt. „Also, was ist jetzt?" verwirrt sah ich ihn an, denn ich wusste doch überhaupt nicht von was er es hatte. „Was?"-„Na ob das klar geht mit nächsten Freitag?" ich hatte keine Ahnung was er wollte und mir fiel auch überhaupt keinen Zusammenhang ein. Ich wollte einfach nur in meine Wohnung. Wenn Marco wirklich dort war, war er allein mit Luisa und das könnte unter Umständen in einer Katastrophe enden. Genau diese musste ich verhindern, auch wenn es vielleicht schon zu spät war. „Jaja geht klar" sagte ich dann einfach und ging davon aus, das es sicher nichts Schlimmes war. Einen Hochzeitsantrag werde ich bestimmt nicht angenommen haben. „Ich dank dir fürs Fahren und bis Montag dann" lächelte ich und stürmte förmlich auf die Straße.

So schnell war ich noch nie die Treppe rauf und hatte zielsicher den Schlüssel im Schloss, wie genau in dem Moment, als ich die Haustüre rein kam und nur noch in meine Wohnung wollte. Doch als der Schlüssel komplett im Schloss war, hielt ich inne und konzentrierte mich erst auf meine Atmung, die komplett durch einander war und versuchte dann bis zehn zu zählen. Ich wollte auf keinen Fall, total gestresst und überstürzt eintreten und womöglich da stehen wie so ein Depp. Was sollte ich schon hinter der Tür vorfinden? Ein eifersüchtiger, durchgeknallter Teenager in der Gegenwart genau des Mannes, weswegen sie eifersüchtig und durchgeknallt war. Mehr nicht! Mit leicht zittrigen Fingern drehte ich den Schlüssel, geradeso wie immer wenn ich nach Hause kam um alles so normal wie möglich wirken zu lassen. Ich zog meine Jacke aus, hängte sie an die Garderobe und beim Schlüssel auf die Kommode werfen rief ich „hey Luisa, bist du da?". Ich versuchte mich zu erinnern ob ich mich anhörte wie immer und konnte für mich, keinen Unterschied finden. Selbst die Antwort blieb aus, so wie immer. Das aber löste ein ungeahntes Herzklopfen aus und ich sah einfach nur gegen die Wand vor mir neben der Garderobe. Wenn Marco da war, warum gab mir keiner eine Antwort? Unbemerkt ballte ich meine Hände zu Fäusten und ging weiter in die Wohnung rein. Luisas Zimmertüre stand auf, so wie auch die von Luca und ich konnte niemanden darin sehen. Zielstrebig setzte ich einen Fuß vor den anderen und kam endlich im Wohnzimmer an.

Ich, meine Schwester und MarcoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt