Kapitel 2

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»So häutet man kein Kaninchen«, meinte Osha an Meera gewandt.
Die beiden bereiteten gerade etwas zu essen zu, während Bran neben mir an einen Baum lehnte, eingehüllt in Fellen. Jojen schlief sowie Hodor und Rickon, die Wölfe waren irgendwo im Wald.
»Ich weiß schon, wie das geht«, sagte das Reet-Mädchen.
»So, wie's aussieht, nicht.«
Bran ergriff ein Messer und schnitzte weiter an dem Geflecht herum. Solch eines hatte auch meine Mutter des Öfteren gemacht. Ich hatte ihr oft dabei zugesehen, und nun half ich Bran.
»Wenn du nördlich der Mauer aufwächst, lernst du richtig mit Wild umzugehen.«
»Bevor ich kam, hattet ihr aber keins«, erwiderte Meera.
»Mit 'nem Bogen hätt' ich 'n Dutzend Kaninchen geschossen.«
»Meinen hab' ich mir selbst gebaut. Das lernt man wohl nicht nördlich der Mauer.«
»Dafür lernst du, deine Fäuste einzusetzen.«
»Dann boxt du deine Kaninchen wohl tot.«
»Ich hatte jemand anderen im Sinn.«
»Dieser Jemand sitzt vor dir.«
»Ihr könnt beide sehr gut Kaninchen das Fell abziehen«, mischte Bran sich genervt ein.
»Nur manche von uns können's ein wenig besser«, entgegnete Osha und spießte ein weiteres Kaninchen auf, welches sie dann über das Feuer legte.
»Manche von uns bedanken sich auch, wenn ihnen jemand was zum Frühstück schießt. Lernt man nördlich der Mauer nicht »Danke« zu sagen?«, stichelte Meera.
»Du hast ein großes Maul, Kleine, und zu viele Zähne.« Osha erhob sich sich und Meera tat es ihr gleich.
»Aufhören!«, rief Bran, so dass Hodor und Rickon erwachten. »Ihr streitet euch, seit ihr euch begegnet seid. Jetzt hört auf!«
»Lady Reet trägt ihre Nase so hoch, dass ihre Zehen kaum noch den Boden berühren«, giftete Osha.
»Du bist den ganzen Tag lang gemein zu ihr. Kein Wunder, wenn sie auch gemein ist.«
»Ich?«, fragte Osha ungläubig. »Jetzt ist es meine Schuld? Sie hat mir schon am ersten Tag ein Messer an den Hals gedrückt.«
»Du hast mich am ersten Tag auch mit 'nem Messer bedroht«, bemerkte Bran.
»Was?« Ich sah zwischen meinem Bruder und der Frau hin und her.
»Wir dürfen uns nicht immer streiten, sonst schaffen wir es nie zur Mauer«, meinte der Junge, ohne auf mich einzugehen. »Ich will, dass ihr Frieden schließt.«
Schweigend setzten sich die beiden wieder.
»Deine Art, Kaninchen zu häuten, geht schneller als meine«, gestand Meera nach einer Weile mit leiser Stimme.
»Das hab' ich doch gleich gesagt«, gab Osha trotzig zurück.
»Osha!«, mahnte Bran mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich sah meinen Bruder an. Er hatte sich verändert. Bran wirkte kaum wie ein Kind. Er war älter, selbstständiger, mutiger. Mein Bran war unlängst in Winterfell gestorben.
»Du bist ... 'n ganz guter Jäger«, sagte Osha.
»Danke. Siehst du? Ist gar nicht so schwer. Danke.«
»Übertreib's nicht.«
Auf einmal erklangen merkwürdige Geräusche. Ich richtete mich ein wenig auf und Meera rannte herüber zu Jojen, der diese Geräusche von sich gab und unaufhörlich umherzuckte.
»Was ist mit ihm?«, wollte ich wissen.
Niemand antwortete. Meera holte einen Lederriemen hervor und stopfte damit Jojens Mund, so dass er mit den Zähnen darauf biss.
»Schon gut. Ich bin ja bei dir«, hörte ich das Reet-Mädchen leise sagen.
»Was ist mit ihm?«, fragte nun auch Rickon.
»Ich bin hier bei dir.« Beruhigend strich Meera ihrem Bruder über den Kopf.
»Was ist los mit ihm?«, wiederholte Rickon ungehaltener.
»Die Visionen fordern ihre Opfer«, meinte Meera.
»Hat er jetzt gerade eine?«, wollte Bran wissen. Das Mädchen nickte zur Antwort.
Allmählich beruhigte Jojen sich und Meera zog den Riemen weg. Der Junge erhob sich langsam, seine Brust hob und senkte sich schnell.
»Ich habe Jon Schnee gesehen«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Wo?«, verlangte Bran zu wissen.
»Er stand auf der falschen Seite der Mauer. Umgeben von Feinden.«
»Du hast ... Visionen?«, fragte ich vorsichtig.
»Er ist ein Grünseher«, erklärte Bran.
Ich stockte. Ungläubig blickte ich erst zu meinem Bruder, dann wieder zu Jojen. Ich hatte davon gehört, von den Grünsehern und ihren grünen Träumen. Die Kinder des Waldes hatten diese Gabe gehabt und manche Menschen werden mit dieser Gabe geboren. Es waren nur Geschichten gewesen, die mir die Alte Nan erzählt hatte, doch nun schienen sie Wirklichkeit.
Ich vernahm ein Hecheln. Ylenia erschien neben mir. Ihr weißes Fell war erstaunlich rein, trotz des Waldes. Die dunklen Knopfaugen schienen mich fast zu durchbohren, und ruhig legte sie sich neben mich. Ich fuhr mit meinen Fingern durch das weiche Fell, und bestimmt schüttelte ich den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass Jon die Brüder der Nachtwache verraten würde, seine Brüder«, sagte ich. »Ich kenne ihn.«
»Meine Visionen sind immer eingetreten«, erwiderte Jojen.
»Das werden wir sehen«, meinte ich trocken und hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.

763 Wörter

Ich weiß, ein sehr kurzes Kapitel, aber das nächste wird dafür länger.

Valar Morghulis || Game of Thrones Staffel 3-4Where stories live. Discover now