Kapitel 5

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Meera und ich liefen mit Sommer und Ylenia auf die Festung zu. Das Reet-Mädchen war eine großartige Jägerin und Spionin, nebenbei bemerkt. In der Zeit, die ich mit ihr verbracht hatte, hatte ich bereits einige, wichtige Dinge gelernt. Sie brachte mir das Bogenschießen bei und mittlerweile war ich weitaus besser als damals im Wald.
»Sie ist leer«, erklärte Meera den anderen, als wir zurückkamen.
»Suchen wir uns einen Platz zum Schlafen«, sagte Jojen.
Meera und ich liefen voran. Nymeria und Lady eskortierten mich, während die anderen beiden Wölfe Jojen, Hodor und Bran.
»Was, denkst du, erwartet uns auf der anderen Seite?«, fragte ich das Mädchen.
»Der Tod«, gab es zurück.

»Hodor!«, rief Hodor den Tunnel hinunter, und die Stimme prallte als Echo unzählige Male von dem kalten Gestein ab. »Hodor!«
»Nicht, Hodor«, sagte Bran und der Mann wandte sich ab.
Ich setzte mich zu Jojen und starrte gebannt in die Flammen des Feuers, welches Meera vor ihm gezündet hatte.
»Ich muss mich bei dir entschuldigen. Für mein Verhalten damals im Wald.«
Jojen nickte. »Schon in Ordnung. Wer kann's dir verübeln? Das alles ist nicht einfach - vor allem nicht für dich.«
»Wenn man alles auf einmal erfährt, ist es tatsächlich nicht einfach«, meinte ich lächelnd.
Jojen musterte mich und langsam erstarb mein Lächeln, mein Blick auf ihn gerichtet.
»Vielleicht bleiben wir besser nicht hier«, hörte ich Bran in diesem Moment sagen, und ich wandte mich ihm zu. Er saß zusammen mit Hodor und Meera am anderen Feuer.
»Wärst du lieber da draußen?«, fragte Meera.
»Es gibt viele Geschichten über diesen Ort. Grausame Geschichten.«
»Grausame Geschichten mochte ich immer«, sagte Jojen neben mir.
»Ja, ich auch. Früher.«
Jojen und ich setzten uns zu den anderen ans Feuer.
»Habt ihr schon vom Rattenkoch gehört?«, fragte Bran.
Ich lachte leise. »Viel zu oft.«
»Nein. Wer war das?«, fragte Meera.
»Ein Koch bei der Nachtwache«, erklärte Bran. »Er war wütend auf den König wegen irgendwas - ich weiß nicht mehr. Als der König die Nachtfeste besuchte, brachte der Koch den Sohn des Königs um und buk aus ihm eine Paste aus Zwiebeln, Karotten, Pilzen und Speck. Dann servierte er diese Pastete dem König. Der mochte den Geschmack seines Sohnes so sehr, dass er um ein zweites Stück bat. Die Götter verwandelten den Koch in eine riesige, weiße Ratte, die nur ihre eigenen Jungen fressen konnte. Seither durchstreift er die Nachtfeste und verschlingt die eigenen Babys. Aber ganz gleich, was er tut, er hat immer Hunger.«
Meera lachte. »Wenn die Götter jeden Mörder in eine riesige, weiße Ratte verwandeln würden -«
»Die Götter haben den Koch nicht wegen des Mordes verflucht oder wegen des Prinzen in der Pastete«, meinte Bran.
»Sondern weil er einen Gast unter seinem Dach getötet hat«, sagte ich. »Das können einem die Götter nicht verzeihen.«

Tief in der Nacht vernahm ich Geräusche. Ich hatte Wache gehalten und war die Einzige, die wach war. Neben mir hörte ich Brans schnellen Atem. Ich wandte mich ihm zu. Er war erwacht, und ich nickte ihm zu. Langsam fuhr ich mit meiner Hand zum Heft meines Schwertes und während ich mich erhob, zog ich es aus der Scheide, so dass es leise schabte.
»Hodor«, zischte Bran dem riesigen Mann zu, der sich erhob.
Auch die anderen erwachten und lauschten. Meera hatte ebenfalls ihre Waffe gezogen und wir beide hatten uns nun vor dem Brunnen aufgestellt. Kurz darauf kam jemand die Stufen innerhalb diesem hochgelaufen, und kaum war er oben, riss Meera ihn von den Beinen und hielt ihm ein Messer an die Kehle.
»Nicht töten, bitte!«, flehte ein Mann.
»Wer bist du?«, fragte Meera.
»Sam?«, erklang eine weibliche Stimme und im nächsten Augenblick erschien eine Frau mit einem Kind im Arm.
»Wer bist du?«, fragte Meera nun sie.
»Goldy. Tu uns nichts!«
»Wo wollt ihr hin?«, verlangte Jojen zu wissen, als der Mann sich erhoben hatte.
»Zur Schwarzen Festung. Ich bin ein Bruder der Nachtwache«, gestand er.
»Unser Bruder ist bei der Nachtwache -«, begann Bran, wurde von Jojen jedoch mit einem Zischen unterbrochen.
»Wer ist euer Bruder?«
»Tut nichts zur Sache«, meinte Jojen kühl.
Er, Meera und ich stellten uns vor Bran, den Hodor auf ein Fass gesetzt hatte. Der Blick des Mannes, der anscheinend Sam hieß, wanderte zwischen uns und den Schattenwölfe hin und her.
»Du bist Jons Bruder. Der aus dem Fenster gefallen ist«, merkte er an und sah zu mir. »Und du Jons Schwester.«
»Nein, sind wir nicht«, wehrte Bran ab.
»Ich war oft mit Geist unterwegs. Ich erkenne einen Schattenwolf, wenn ich einen sehe.« Der Bruder der Nachtwache blickte zu Hodor. »Und von Hodor hab' ich auch viel gehört.«
»Hodor«, sagte Hodor mit einem Lächeln.
»Ich wär' längst tot, wenn Jon nicht gewesen wäre. Wenn du sein Bruder bist, bist du auch mein Bruder, und ich tu alles, was ich kann, um euch zu helfen.«
»Führ uns nördlich der Mauer«, bat Bran.
Meera und ich steckten die Waffen zurück.
»Was? Warum, in aller Welt, willst du denn da -«
»Ich will es nicht, ich muss.«
»Wie bist du durch die Mauer gekommen?«, verlangte Jojen zu wissen.
»Führt der Brunnen zu einem unterirdischen Fluss? Seit ihr so hergekommen?«, fragte Meera.
»Kommt mit uns«, bat Sam. »Es gibt Stufen entlang der Südseite der Mauer. Hodor kann dich nach oben tragen. Dann gehen wir geradewegs zur Schwarzen Festung.«
Innerlich hoffte ich sehr, dass Bran sich von Sam umstimmen lassen würde.
»Kommt mit uns«, sagte nun auch Goldy. »Im Norden wartet nur der Tod.«
»Falls Jon lebt, dann ist er auf der Schwarzen Festung. Das ist der sicherste Platz für euch.«
»Es ist nirgendwo mehr sicher«, meinte Jojen. »Das weißt du.«
»Ich weiß nur, was ich gesehen hab'«, erwiderte Sam. »Hättest du's auch gesehen, würdest du davor weglaufen.«
»Du hast die Weißen Wanderer gesehen und die Armee der Toten«, sagte der Reet-Junge.
»Woher weißt du davon?«
»Die Nachtwache kann sie nicht aufhalten«, sprach Jojen unverfroren weiter. »Die Könige von Westeros und ihre Armeen können sie nicht aufhalten.«
Stille erfüllte den Raum.
»Aber ihr wollt sie aufhalten«, meinte Sam nach einer Weile.
»Bitte, Sam«, flehte Bran. »Ich muss in den Norden. Ich muss.«
Wir gingen hinunter in den Tunnel und Sam reichte uns einige Waffen aus Obsidian, auch Drachenglas genannt.
»Wir haben sie auf der Faust gefunden«, erklärte Sam. »Jemand hat sie vor langer Zeit dort vergraben. Jemand wollte, dass wir sie finden.« Er reichte Jojen ein Messer.
»Warum?«, fragte Bran. »Wozu sind sie gut?«
Sam und Goldy sahen sich an, während das Kind in ihrem Arm jammerte. Die Frau nickte und der Bruder der Nachtwache wandte sich uns wieder zu.
»Zum Töten von Weißen Wanderern.«
»Woher weißt du das?«, fragte ich.
»Einer hat es auf mein Baby abgesehen, und Sam ...«, begann Goldy.
»Aber einen Weißen Wanderer hat seit Tausenden von Jahren keiner mehr getötet«, meinte Meera.
»Tja, irgendjemand musste ja der Erste sein«, sagte Sam.
»Nimm es, Hodor.« Bran reichte dem Riesen einen Drachenglas-Dolch.
»Und für die Pfeile.« Sam gab Meera Schäfte aus Obsidian. »Ich hatte Glück ... bei dem Einen ... aber es sind mehr. Viele mehr. Und auf jeden Weißen Wanderer kommen Wiedergänger - mehr als ihr zählen könnt.« Sam sog scharf die Luft ein. »Ich wünschte, ihr würdet uns begleiten.«
Ich auch, dachte ich. »Wir werden auf uns aufpassen«, sagte ich stattdessen.
Sam nickte, und wir begaben uns auf den Weg weiter nach Norden, auf einen gefährlicheren Weg als je zuvor - und es würde vieles ändern, Dinge, die ich nicht einmal erahnen konnte.

1242 Wörter

Das ist das Ende von Staffel 3. Wie ihr sicher bemerkt, wird das Buch kürzer als das andere. Auf jeden Fall werde ich dieses Mal keinen Cut machen und nach einer Weile Staffel 4 zuende schreiben ^^

Was, denkt ihr, wird nördlich der Mauer geschehen?

Valar Morghulis || Game of Thrones Staffel 3-4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt