~46.

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Leicht zögerlich kam Vera schließlich zurück in die Küche, welche sich nun inzwischen geradezu mit Leuten gefüllt hatte.

Jô und Cris saßen auf der Sitzbank des Esstisches, Gustavo lehnte an der Küchentheke, an der Marcela die letzten Zutaten zum Abendessen verkochte, Neymar ließ sich ebenso am Tisch neben seinen Freunden nieder und selbst Neymar Senior und Duda gesellten sich in die Küche, da sie der Duft von Marcelas Essen wohl hergelockt hatte.

Die Anwesenheit von Neymar Pai machte es Vera irgendwie noch unangenehmer, sich hier aufzuhalten. Nicht, dass sie etwas gegen Neymars Vater hatte – eigentlich war er, wenn man ihn etwas näher kannte, sehr umgänglich und bis jetzt zwar zurückhaltend, aber immer freundlich zu ihr gewesen – aber wenn er wüsste, was zwischen seinem Sohn und Vera genau vorgefallen war, würde sie vor Scham vermutlich im Boden versinken wollen.

Als ihr Blick dann auch noch auf Neymar selbst fiel, der eben auf sein Handydisplay starrte, dann aber für den Bruchteil einer Sekunde in ihre Richtung blickte, wurde sie von einer Woge Enttäuschung überschwemmt.

Sie bereute ihre Worte längst, denn die Aussicht auf das, was aus ihrem Gespräch hätte werden können – was aus ihnen beiden hätte werden können, wenn es sich in eine positivere Richtung entwickelt hätte – ließ die toten Schmetterlinge in ihrem Bauch wieder wie wild flattern.

Aber noch viel mehr hätte sie es bereut, wenn sie darauf eingegangen wäre und dem Drang nachgegeben hätte. Sie hätte sich selbst nie mehr dafür verziehen, wenn sie so schwach gewesen wäre. Ganz zu schweigen davon, dass sie Analu nie wieder auch nur in die Augen schauen hätte können.

Ihr Mut wankte so gewaltig in diesem Moment, dass sie mit dem Gedanken spielte, einfach abzuhauen. Wenn Marcela nicht das Wort an sie gerichtet hätte...

„Vera, ich hoffe doch, du bleibst zum Essen?", fragte sie, als sie das kochende Wasser, in dem die Kartoffeln schwammen, abgoss und ihr ein kleines Lächeln zuwarf. Vera senkte die Schultern und biss sich auf die Unterlippe, bevor sie ergeben nickte. Toll, wie sollte sie jetzt auch noch guten Gewissens ablehnen?

Marcela lächelte zufrieden, als Vera an den Esstisch trat und für einen Moment zögerte, sich hinzusetzen. Die einzigen freien Plätze waren der am Ende der Sitzbank oder der Stuhl am Ende des Tisches. Doch bei Beiden saß sie direkt neben Neymar.

Ihr kurzes Zögern dauerte nur wenige Herzschläge, bis ihr klar wurde, dass sie sich absolut lächerlich benahm und sich schnell wieder fing. Nichtsdestotrotz spürte sie Neymars Blick auf ihr, als sie sich neben ihm niederließ, bis er augenrollend den Kopf schüttelte. Offensichtlich war ihr vollkommen überzogenes Zögern auch ihm aufgefallen.

Unsicher begann sie sich etwas von dem Abendessen auf den Teller zu schaufeln, wobei es bei nur wenigen Happen blieb. Irgendwie hatte sie ihren Hunger in dem Moment verloren, in welchem sie sich neben Neymar gesetzt hatte.

Seine Präsenz nur wenige Handbreit neben ihr war äußerst deutlich bewusst und verstärkte das Rumoren in ihrem Magen nur noch.

Und dabei war die Atmosphäre am Tisch ja eigentlich aufgelockert wie immer. Marcela tischte die unterschiedlichen Speisen auf den Tisch, jeder reichte sich die Teller, unterhielt sich und lachte. Es war die Art von familiärem Zusammensitzen, das Vera sonst immer so an Neymars Zuhause geliebt hatte. Sie hatte sich immer als Teil der Gruppe gefühlt, auch, als sie noch niemanden gekannt hatte. Und ausgerechnet jetzt, wo sie jedem näher gekommen war und sie alle als Freunde bezeichnen konnte, fühlte sie sich fremder als je zuvor.

„Freunde". Ja, einer dieser „Freunde", Neymar neben ihr, schien ihre Unsicherheit entweder nicht mehr zu bemerken oder einfach zu ignorieren, als er sich dem Essen widmete und sich währenddessen mit Jô, der ihm gegenüber saß, unterhielt. Dennoch wirkte er auf Vera distanziert, was auch daran liegen könnte, dass er während dem Gespräch zurück ins Portugiesische fiel und Vera damit möglicherweise auch unbewusst ausgrenzte.

Tudo Passa // Neymar JRWhere stories live. Discover now