144-Choreografie

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"Sag mal-", melde ich mich leise zu Wort, während ich unter die Bettdecke zu Harry krabbele, der gelangweilt irgendwas auf seinem Handy tippt. "-kommt es dir auch so vor, als würde die Zeit in dieser Wohnung schnell vergehen?"

Müde lege ich mich zu ihm und erkenne, dass er Matheaufgaben in irgend so einer App rechnet, die er sich für vier Pfund runtergeladen hat. Ich finde es etwas unsinnig so viel Geld für eine kleine App zu verlangen, bei der nach einer Weile immer wieder dieselben Aufgaben erscheinen, aber Harry beginnt langsam sich Gedanken wegen der Prüfung zu machen. Deshalb will ich ihn nicht noch mit meiner Meinung aus dem Konzept bringen.

Auf meine Frage, wie er das mit der Zeit sieht, antwortet er aber grinsend: "Du meinst so, als würden wir schon seit einer Woche hier wohnen?"

Bei seinen neckenden Worte schlage ich leicht gegen seinen Arm gegen, ehe ich ihm das schwarze Handy klaue und auf meine Seite des Bettes lege, neben der wir einen Nachttisch gestellt haben, um wichtige Dinge dort abzulegen. Zum Beispiel Taschentücher und Wasser, da ich das Gefühl bekomme langsam krank zu werden.

Trotzdem lasse ich mich dadurch von Nichts abhalten.

Wäre nur zu schön, wenn Harry Kommentare über mich machen könnte, während ich krank im Bett liege und den Boden mit benutzten Taschentüchern voll saue. Ich kenne ihn gut genug um zu wissen, dass er keine Rücksicht nimmt.

Freudig, da ich schnell genug war, um das Smartphone an mich zu nehmen, richte ich mich mit einem Grinsen auf, bevor ich vorsichtig, nicht mit meinem ganzen Gewicht, auf dem Bauch des Oberkörper freien Mannes Platz nehme, dessen Hände sich auf meine Taille legen. Die grünen Augen lösen sich währenddessen nicht von meinen, starren mich tief und ruhig an.

"Sei mal ehrlich", bitte ich den Lockenkopf dann, meine Hände auf seiner Brust platziert. "Die Zeit vergeht doch wirklich schneller."

Ohne Worte nickt er, zeigt dabei lächelnd seine Zähne und strahlt.

"Und weißt du warum?"

Dieses Mal schüttelt er den Kopf, auf meine Frage, hebt seinen Oberkörper ein wenig, wodurch ich nach hinten gedrückt werde, aber stur sitzen bleibe. Harry war vor einer halben Stunde duschen, was man eindeutig riecht und sieht, da seine Haare nass an seinen Schultern kleben. Vielleicht sollte er sie nur um ein paar Zentimeter kürzen.

"Erzähl es mir!", fordert er mich auf, holt mich aus den Gedanken über die perfekte Haarlänge für den Mann zurück.

"Weil es nie langweilig wird", antworte ich laut, was ein wenig wie das Verhalten von einem kleinen, aufgeregten Kind wirkt, bei dem man mit Absicht einen auf dumm macht. Ich fahre trotzdem mit meiner Erklärung fort. "Wir beide haben immer Spaß und unternehmen was gemeinsam, obwohl ich in der Uni bin und die den lieben, langen Tag nur lernst."

"Ich schaff die Prüfung sonst nicht", unterbricht Harry mich, wobei ich seine Besorgnis sofort wieder bemerke.

Er hat Angst. Das erste Mal in meinem Leben erkenne ich Angst in den grünen Augen und kann sagen, dass diese vollkommen unberechtigt ist.

Harry rechnet wie Newton, Archimedes, Pythagoras, Gauß, Euler und wie die ganzen anderen Typen noch heißen zusammen. Manchmal lockt es mich, ihn meinen laufenden Taschenrechner zu nennen, was ich aber nicht tue, da er viele Dinge zurzeit nicht als lustig ansieht. Die Nervosität vor diesem Test sorgt dafür.

"Papalapap!" Kopfschüttelnd presse ich ihn zurück in die Kissen, lehne das Gewicht meines Oberkörpers achtsam auf seinem ab, damit er liegen bleibt und nicht vor der Wahrheit flüchtet. "Du kannst das Alles schon im Schlaf. Harry, wie oft hast du mir gesagt, ich solle mir keine Gedanken machen?"

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