148-die schönste Blume der Welt

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Die rote Backsteinmauer erstreckt sich über zwei Etagen, des kleinen, eckigen Hauses, passt zu dem schwarzen Dach, welches die Bewohner vor Wind und Regen schützt. Weiß eingerahmte Fenster lassen einen kleine Blicke, in die Küche erhaschen, in der kein Licht brennt. Ruhe, Stille herrschen um uns herum.

Nur einen Vogel hört man manchmal leise durch die Dunkelheit der Nacht zwitschern.

Meinen Blick wende ich von dem Gebäude ab, mustere Harrys Gesicht unauffällig, während er unsere Taschen aus dem Kofferraum holt. Seine Stirn liegt in Falten, seine Mundwinkel bilden eine schmale Line und seine Haare hängen ihm wild ins Gesicht, was in mir das verlockende, starke Gefühl auslöst, ihm diese hinter sein Ohr zu schieben.

Doch Olivia kann ich dadurch nicht heilen und Harry ebenso nicht glücklich machen. Es liegt nicht in meiner Hand, was am schlimmsten und schmerzhaftesten ist.

Ich kann so viel helfen, wie ich will, mich um ihn kümmern und meine Kräfte für ihn einsetzen. Das kleine Mädchen wird dadurch nicht wieder gesund, erhält gesunde Knochen, nein. Harry wird durch meine Anstrengungen nicht glücklich. Lediglich ein paar Lasten nehme ich ihm ab, mehr nicht.

"Wie wäre es, wenn ich uns ein paar Pizzen in den Ofen schiebe?", schlägt Jace, stolz über seine Idee, vor, wobei er uns drei fragend ansieht. "Was sagt ihr?"

Es kommt keine Antwort von Harry, der in sich gekehrt vor mir her läuft, wütend und angespannt wirkt. Tommy antwortet auch nicht, wirft nur einen kurzen Blick auf sein Handy, bevor er schweigend weiter läuft. Seufzend meine ich dann zu dem Mann: "Eine gute Idee. Ich hab großen Hunger", und lächle dabei dankend.

In meinen eigenen Ohren klingen die Worte nicht überzeugend. Mein Magen mag leer sein, jedoch verspüre ich gar keinen Hunger. Am liebsten würde ich mich einfach nur hinlegen, warten, bis der kleine Zeiger der Uhr auf der zwei steht, damit Harry und ich endlich genauere Infos erhalten, er vielleicht beruhigt werden kann.

Die Haustür wird aufgeschlossen, nachdem der Mann eine Weile nach dem Schlüssel in seinen vollgestopften Taschen suchte, bis er diesen klirrend hervor zog und ins Schloss steckte. Dunkelheit erkenne ich im Flur als erstes, nur wenig Licht fällt von den draußen stehenden Laternen in das Haus. Erst als Jace einen Schalter drückt erleuchtet die an der Decke hängende Lampe.

Eine Kugel, von der Harry mir erzählte, Jace habe sie von seiner Frau zur Geburt ihrer Tochter bekommen, nachdem er sie neun Monate lang als eine Kugel bezeichnet hat. Die Geschichte von ihm und seiner Frau finde ich immer wieder ... herzzerreißend.

Sie verließ ihn, wegen einem anderen Mann, der mehr Geld besaß, aus besseren Verhältnissen kam und in Amerika lebte. Seine vier Monate alte Tochter nahm sie einfach mit sich mit. Sie packte eines Morgens im Mai die Koffer, schnappte sich ihr Baby und verließ das Haus, mit einer einzigen kurzen Erklärung in einem Brief.

Die drei starben fünf Monate später bei einem Flugzeugabsturz im Pazifik.

Bei dieser Geschichte bekam ich Tränen in den Augen, weinte bitterlich im Badezimmer, wo Harry meine Hände hielt und mir immer wieder sagte, dass alle drei nun an einem besseren Ort sein. Er tröstete mich, wegen einer Geschichte, mit der ich gar nichts zu tun hatte.

Nach ein paar Monaten habe Jace sich dann dazu entschlossen Kindern aus schlechten Verhältnissen zu helfen, erzählte der Mann mir auf der Toilette dann weiter, wobei er mir Taschentücher reichte, die er Not bedürftig aus Klopapier faltete. Seine Ex-Frau soll wohl irgendwelche gemeinnützige Arbeit geleistet haben und er wollte anderen helfen, die ein ähnliches Schicksal, wie ihn in seiner Jugend, ergriff.

Harry kam als erstes zu ihm und blieb drei Jahre lang bei dem Mann, der sich immer um ihn kümmerte, ihn immer aus der Scheiße, wie Jace selbst sagte, zog. Dafür bin ich ihm dankbar und noch mehr, dass er weiterhin hilft, auch wenn der Lockenkopf selbst die Hilfe oft ablehnte, dass er uns hier wohnen lässt auch wenn Harry gerade unfreundlich und undankbar an uns beiden vorbei läuft, direkt ins Gästezimmer, wo wir untergebracht sind.

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