Epilog

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"Isabell ist in Remission! Heute Mittag kam die Bestätigung." Kilian strahlte über das ganze Gesicht, als er mich an einem Nachmittag kurz nach Beginn der Sommerferien mit eben jeden Worten an seiner Wohnungstür begrüßte. Seine blauen Augen glänzten vor Freudentränen.
Bevor ich auch nur die Chance gehabt hätte, eine angemessene Reaktion zu zeigen, hatte er seine Arme um mich geschlungen und mich in eine feste Umarmung gezogen. Und das mit so viel Schwung, dass ich für einen Moment sogar den Boden unter den Füßen verlor. 

"Das ist großartig!", meinte ich, nicht minder begeistert über diese Neuigkeit als Kilian, als er mich endlich wieder auf meine Füße absetzte und sich dazu hinreißen ließ, mich ins Innere seiner Wohnung zu lassen. Ich freute mich aufrichtig für Isabell. Monate lang hatte sie gegen den Krebs gekämpft, hatte Chemo - und Strahlentherapie über sich ergehen lassen. Und das mit einer Willensstärke, die man einfach nur bewundern musste. 

"Warum bist du dann nicht bei ihr und Lina? Ich meine, wollt ihr die guten Neuigkeiten nicht feiern?" Ich legte den Kopf leicht schief, den Blick fragend und leicht verwirrt auf ihn gerichtet. Wenn ich davon gewusst hätte, dann wäre ich Zuhause geblieben. Wegen mir sollte Kilian seine Familie nicht an zweite Stelle stellen. 

"Mach dir keine Gedanken darüber", sagte er, als hätte er meine Sorge erkannt, und stütze das Kinn auf meinem Kopf ab. Dass ich kleiner war, als er, nutze er bei wirklich jeder Gelegenheit aus. In den meisten Fällen störte ich mich jedoch nicht daran, sondern genoss es, dass er mir so nahe war. 
"Ich habe ihr vorgeschlagen, irgendwohin zu gehen oder wenigstens Zuhause gemeinsam zu essen, aber sie meinte nur, sie müsse die gute Nachricht erstmal für sich selbst realisieren und hat mich nach Hause geschickt."

"Du meinst wohl eher, dass sie dich rausgeworfen hat, weil du sie beinahe erdrückt hättest." Ich kicherte in mich hinein und duckte mich unter ihm hinweg. Fast hätte Kilian dadurch sein Gleichgewicht verloren und wäre nach vorne gekippt. Zum Glück war er es nicht, sonst hätten wir beide sicher eine unsanfte Landung hingelegt. 

"Sie sind heute aber ausgesprochen frech, Frau Roth." Seine Miene war ernst, doch die Worte kamen derart gestelzt über seine Lippen, das ich ihn unmöglich ernst nehmen konnte. Dennoch ging ich mit Vergnügen darauf ein. 

"Ich hatte auch ein sehr gutes Vorbild, was das betrifft, verehrter Herr Finnig."

"Ach, tatsächlich?" Er hob beide Augenbrauen und verminderte den letzten Abstand zwischen uns, sodass ich den Kopf leicht in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. 

"Tatsächlich", bestätigte ich und streckte mich ihm noch ein wenig entgegen. Ich war mir sicher, dass Kilian diese Andeutung verstand, dennoch kam es mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis er seine Lippen auf meine senkte. Automatisch schloss ich die Augen und hieß das angenehme Kribbeln in meinem Bauch willkommen. Es war nur ein kurzer Kuss, aber er war genauso gefühlvoll, wie alle anderen zuvor. 

"Was gedenken Sie nun zu tun, Frau Roth?", fragte er mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen, als unsere Lippen sich voneinander trennten. 

Ich wusste, dass dies nur eine rhetorische Frage war. Kilian und ich konnten nicht in irgendein Restaurant oder ins Kino gehen, wie normale Pärchen es für gewöhnlich taten. Mir war es nicht gegönnt, seine Hand zu halten, während wir gemeinsam die Straße entlang spazierten. Nicht gegönnt, der ganzen Welt damit zu sagen: Seht her, dieser wundervolle Mann gehört zu mir. Es gab nichts, was ich lieber tun würde, aber es ging nicht. Kilian würde seinen Job verlieren, wenn das mit uns herauskäme.

Unsere Dates fanden daher in seiner Wohnung statt. Wir veranstalteten unser eigenes Heimkino und aßen das, was wir zuvor selbst zubereitet hatten. Kilian hatte ich es auch zu verdanken, inzwischen mehr als nur ein Spiegelei auf die Reihe zu bekommen. 

In deinen HändenWhere stories live. Discover now