Kapitel 59

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Hu-hu

Das Ganze hier gefiel mir gar nicht. Nicht im Geringsten. Ok- es war ganz nett, dass mich mal endlich jemand verstand, aber mich, ich meine uns, dieser Gefahr auszusetzen, das war das Ganze einfach nicht wert. Ich flatterte auf die Schulter des Möchtegern-Modells und krallte mich dort fest. Was blieb mir gutmütigem Wesen denn anderes übrig? Der Idiot tänzelte vorsichtig näher zu dem Mädchen, dass mir irgendwie bekannt vorkam und versuchte dabei keinen Lärm zu machen und die Wassertropfen, die um uns herum schwebten nicht zu berühren. Man kann sich vorstellen, dass es ihm misslang. Seufzend schüttelte ich meine Federn und zog den Kopf etwas ein, hielt die Umgebung aber genau im Blick. Es war einfach zu ruhig hier. Mit Außnahme des Volltrottels hier. In Büchern - und Filmen- geschah meistens genau dann etwas ganz, ganz Schlimmes. Und ich hatte ein schlechte Vorahnung, dass uns das auch geschehen würde. Trotzdem wurde meine Aufmerksamkeit von den Wassertropfen angezogen.

Die kleinen, glitzernden Wassertropfen hingen überall in der Luft fest, als wären sie festgefroren, aber wenn ich sie berührte, wurden sie wieder zu normalem Wasser, dass an meinen Federn abperllte. Es war komisch- in meinem Kopf weckte das irgendeine Erinnerung an eine lang vergessene Zeit, aber ich kam einfach nicht darauf, was es war.

,,Hey, Fedefieh.", zischte Poser plötzlich und blieb kurz vor der Blase stehen. ,,Was ist das eigentlich?" Ich begutachtete die Blase, die überall feine Risse hatte, ausgiebig, konnte aus ihr aber auch nicht schlau werden. Sehr zu meiner Überraschung. Sonst hatte ich auf alles eine Antwort. Heute war einfach nicht mein Tag. ,,Ich weiß es auch nicht, Möchtegernmo-hu-dell." Poser seufzte und schüttelte den Kopf. ,,Was solls'." Er hob seinen Arm und berührte mit seinen Fingern seine Dreizack-Kette, die sich sofort zu einem großem Dreizack manifestierte. ,,Alles oder Nichts." Ich schüttelte aufgeregt mein Gefieder, als er mit seinem Dreizack ausholen wollte und krallte mich noch fester in seine Schulter, sodass goldenes Blut an seinem Arm runterfloss.  Er zuckte zusammen, senkte seinen Arm mit dem Dreizack und drehte seinen Kopf wütend zu mir. ,,Was sollte das denn, du blöder Vogel?!" ,,Was soll hier heißen, ,,Was so-hu-llte das?!"",kreischte ich aufgerbacht. ,,Du-hu weißt doch nicht was passiert, wenn du-hu die Blase platzen lässt. Vielleicht stirbt sie ja dadu-hu-rch!" Er runzelte die Stirn. ,,Und was sollen wir deiner Meinung nach machen, Vogel?" Ich schwieg und dachte nach. All das hier war mir nach wie vor nicht geheuer. Poser verdrehte seine Augen und hob wieder den Dreizack an. ,,Wa-hu-rte, ich überlege noch." Er senkte wieder seinen Arm.

So ein großer Volltrottel. Er wusste nicht, wo wir waren, was das war und wieso das Mädchen, und vor allem ausgerechnet dieses Mädchen hier war und wollte die zersplitternde Blase um sie herum einfach zerplatzen lassen. Wenn das denn überhaupt möglich war. Das Mädchen sieht aus, als ob es gleich krepiert und dieser Idiot merkt auch das nicht. Ich muss handeln, bevor er sie aus Dummheit und Übermut noch ganz umbringt. Mein Blick schnellte umher und ich nahm alles genaustens ins Visier. Alle kleinen Detaills dieses abstrusen Ortes nahm ich schnellstmöglichst wahr und verarbeitete sie. Dann ließ ich meine Flügel hängen. Es gab keinen anderen Weg. Dieser Idiot hatte leider recht. Alles oder Nichts. Poser sah meinen enttäuschten Blick und hob erneut, triumphierend über seinen Gewinn, den Dreizack an und richtete ihn auf die immer mehr splitternde Blase.

,,Dat' würd' ich nisch machen, wenn isch du wär'." Eine raue, tiefe Stime hallte durch den Raum und Poser blieb wie angewurzelt stehen. Das konnte doch nicht möglich sein. Anscheinend dachten Poser und ich zum ersten Mal das Selbe, denn auch er murmelte: ,,Das kann doch nicht sein..." Aus dem Schatten trat ein kleiner Zwerg, den wir nur allzugut kannten. ,,Du bist das Ding!", rief Poser überaus geistesreich und zeigte nun abwehrend mit dem Dreizack auf den Zwerg. ,,Aggelos.", krächzte ich und der Zwerg nickte zustimmend. ,,Ay, da hat misch der Vogel aba wieda erkannt. Wusst' ischs' doch, Vögel sin' schon schlaue Viecher, ja, ja.", brummte er belehrend, während er weiterhin nickte und spuckte dann auf den Boden neben ihm. ,,Was machst du hier, du...Ag...golf?", knurrte Poser fragend. So ein Idiot. ,,Aggelos, was mach-hu-st du hier?" ,,Wusstet ihrs nisch? Hat min' Herr denn nischt erklärt, dass Aggelos aus dem Tartaros beschworen wird'? Ja, ja dat is' min' Heim." Poser runzelte die Stirn, nickte aber. Dämlich wie eh und jeh. ,,Gu-hu-t, aber was machst du-hu genau hier? Wie hast du-hu uns gefu-hu-nden?" Aggelos sah uns aus seinen schwarzen Augen an, die begannen unruhig hin und her zu huschen. ,,Ay, dat' sin alles jute Fragen, aber Aggelos kann sie net alle hier beantworten, hier is it zu jefährlich. Aggelos is hier wegen Auftrag von min' werten Herr, wegen dem Mädschen da drüben, ihr wisst?" Poser wurde ganz still. ,,Ich verstehe, aber wie-hu-so ist es hier gefährlich? Was ist hier passie-hu-rt?" Aggelos kratzte sich mit seinen kleinen, pelzigen Händen am Kopf. ,,Aggelos weiß net genau, kluga Vogel, aba Aggelos hat Dinge gehört über diesen Ort. Böse Dinge...große Dinge. Keina von min' Freunden oda Quellen kommt hier her, alle haben Angst, du verstehst?" Ich schuhute fordernd. Konnte er nicht auf den Punkt kommen? Wenn es hier wirklich so gerfährlich war, wollte ich so schnell wie möglich das Mädchen holen und verduften. ,,Aggelos hat von sowas schon ma' gehört. Das is' wie son' Kokon. Der zerbricht von allein. Und das was die über sowat sagen is' net gut. Dat Mädchen kommt da besser schnell raus, dat kämpft nämlich mit irgendwat, dat is wahr sag ich euch." Meine Federn bauschten sich auf. Das hörte sich ja grässlich an. ,,Und wir können wirklich nichts tun?", fragte Poser und sah Aggelos ernst an. Seine Augen huschten immer noch hin und  her, aber er sagte nichts.

,,...Aggelos...Aggelos muss gehn... geht lieber auch...Böses kommt hier her...beeilt eusch lieba..." Und mit diesen Worten verschwand Aggelos mit einem leisen Puff. Super. Unsere einzige Quelle mit brauchbaren Infornmationen hatte sich wortwörtlich in Luft aufgelöst. Mein Kopf drehte sich zu Poser.  Er  zuckte zusammen und schauderte. ,,Das ist echt eklig,  Vogel. Kannst du deinen Kopf nicht normal drehen?" Ich schuhute beleidigt, ging seiner Bitte aber nach. Von mir aus, der hatte eh keine Ahnung von echter Ästhetik. Ich drehte mich etwas auf seiner Schulter und blickte tief in seine Augen ehe ich langsam, sodass er es auch verstand, fragte: ,,Was machen wir jetzt?" Poser kniff seine Augen zusammen, als ob er nachdenken würde. Als ob das möglich wäre. ,,Das-", stellte er fest und verkreuzte seine Arme vor der Brust, wobei der Dreizack wieder zu der Kette wurde, ,,ist eine gute Frage." Ich fiel beinahe von seiner Schulter. ,,Ist da-hu-s dein Ernst, schuhu?! Du-hu warst doch der-hu-jenige, der bleiben wo-hu-llte, um sie zu retten?! Und jetz ko-hu-mmt irgendwas Gefährliches hier -hu- her!" Poser nickte angespannt. ,,Das ist mir schon klar, Federvieh. Ich versuche nachzudenken, falls du das noch nicht bemerkt hast, und du bist da keine große Hilfe, also bitte sei still!" Beleidigt schwieg ich, beobachtete ihn aber im Stillen. Das war das erste Mal, dass er etwas Sinnvolles von sich gegeben hatte. Ich war schon beeindruckt. Jetzt mussten nur noch Taten folgen. Und am besten schnell. Ein Knacken ertönte und mein Blick huschte zu dem Ursprung der Geräuschquelle. Es war die Blase. Immer mehr Splitter tauchten auf und verbreiteten sich. Das Mädchen da drinne, dem ich bisher nicht viel Beachtung geschenkt hatte, kam mir wirklich sehr bekannt vor. Und auch der Name ließ bei mir etwas klingeln. Moment. Das konnte doch nicht sein. Leia...leia... diese Leia? Oh je. Oh jemine. Unruhig schüttelte ich mein Gefieder. Das war das Mädchen, dass mit mir damals geredet hatte- die Freundin von Athen. Uh jemine. Wir mussten sie jetzt wirklich befreien. Poser stand immer noch wie versteinert da und sagte kein Wort. Seine Augen fixierten die Blase. So leid es mir jetzt tat, und das tat es wirklich, aber ich als Eule konnte da jetzt nichts machen. Ich musste mich auf diesen Möchtegern-Gott verlassen. Wenn das mal nicht schief läuft.

Kuss eines GottesWhere stories live. Discover now