- Mary -

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Ich bin froh wieder zu Hause zu sein. Das Telefon schellt, wie es schon die ganze Zeit tut. Ich gehe in die Küche, wo mein Dad die Zeitung liest. Ich verstehe nicht warum er versucht möglichst viele Informationen zu dem Massaker zu sammeln. Ist es nicht schöner unwissend zu bleiben und die Dämonen schlafen zu lassen? Er legt die Zeitung beiseite, als er mich sieht. Mum telefoniert im Wohnzimmer und auch wenn ich nichts höre kann ich mir vorstellen worum es geht, denn die Fragen sind immer dieselben. Warum rufen die Leute eigentlich an? Versuchen sie an Informationen zu kommen die noch nicht in den Nachrichten aufgetaucht sind? Ich gehe zu dem Wasserhahn und fülle ein Glas, ehe ich trinke. Dad will ein Gespräch anfangen, doch ich merke, dass er nicht weiß wie. Also verweilen wir im schweigen, denn ich bin nicht bereit dazu über diesen Tag hier zu sprechen.  Wir hören wie Mum aus dem Wohnzimmer kommt und sehen wie sie um Fassung ringt. Dad springt auf und umarmt sie und ich stehe da und frage mich, was noch schlimmeres passieren konnte. Und mir fällt nur eine Möglichkeit ein. „Es tut mir so Leid mein Schatz.", sagt Mum und Tränen fließen ihre Wangen runter als sie sich von Dad löst und sie mich umarmt. Sie muss nicht sagen was passiert ist, denn ich weiß es.  Mary. Das Siebte Todesopfer. Und etwas in mir zerbricht endgültig.

Mary McGallen war das witzigste, Intelligenteste, wunderschönste und warmherzigste Mädchen das ich kannte.

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Sie war eine Stufe unter uns und die Art von Mensch, der man hinterher sah, wenn sie an einem vorbei lief. Die Art, die einen ganzen Saal mit ihrer Anwesenheit erhellte. Die Art, die jungen Männern den Kopf verdrehte, einfach nur weil sie nett lächelte. Die Art, die mir den Kopf verdrehte. Es war einer dieser Begegnungen die durch eine Verkettung unglücklicher Umstände entstand. So musste ich für die Klavierspielerin einspringen, die den Chor bei einem Konzert unterstützen sollte und Mary war die Solistin. Ich kannte sie, wie jeder sie auf unserer Schule kannte, aber hatte noch nie ein Wort mit ihr gewechselt. Und zum Glück hatte sich die Klavierspielerin beim Fußball die Hand gebrochen, denn sonst hätten wir uns nie näher kennengelernt.Es waren noch zwei Wochen bis zu dem Auftritt und die Lehrerin ließ uns jeden Tag nach der Schule üben. Für Mary als Übung, für mich als Alternative zum Nachsitzen.

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Ich löse mich von meiner Mutter, ignoriere Dad's Sorgenvolle Miene, ziehe mir Schuhe an und verlasse das Haus, was mir plötzlich viel zu eng erscheint. Meine Füße tragen mich, ohne das ich weiß wo ich hin will und das Atmen fällt mir schwer. Meine Augen brennen und ich kann nicht mehr schlucken. Also laufe ich schneller, versuche den Bildern zu entkommen und laufe noch schneller, weil es nicht funktioniert. Die Umwelt verschwimmt vor meinen Augen, doch das ist nicht Wichtig. Nichts ist mehr wichtig.

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„Danke dass du eingesprungen bist, auch wenn es nicht ganz Freiwillig ist." Ihre Stimme klang wie eine Symphonie und ich konnte ihr Stundenlang lauschen. „Es hätte schlimmer kommen können, als mein Nachsitzen mit dir und einem Klavier zu verbringen.", sagte ich und hielt ihr die Tür zu dem Musikraum auf. Sie bedankte sich und ging vorab. „Trotzdem, ich bin dir wirklich dankbar." Sie sah mich an und ihre Augen waren so ehrlich, dass ich schlucken musste und vergaß was ich sagen wollte. Um meine Unsicherheit zu überspielen setzte ich mich an das Klavier und spielte ein paar Akkorde zum aufwärmen. Als ich wieder aufblickte, bemerkte ich dass sie mich die ganze Zeit über beobachtet hatte und ich verstand nicht warum. Dann fing sie an zu singen, ein Lied was nicht auf der Liste stand und ich war unfähig sie nicht anzuschauen dabei. Diese Leidenschaft die sie ausstrahlte und diese Stimmfarbe machten sie einzigartig. Meine Hände spielten die Melodie ohne dass ich sie hätte bestimmen konnte.

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Meine Beine rennen schneller und die Erinnerung verfliegt. Meine Schulter schmerzt, meine Lungen kommen an ihre Grenzen, doch es ist mir egal. Alles ist mir egal. Nasser Rasen streift mich, während ich über die Wiese renne.

The AnarchistsWhere stories live. Discover now