Kapitel 70

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Gegen 15uhr habe ich endlich Schulschluss und warte wie verabredet auf Lee an der Raucher Insel gegenüber von unserer Schule. Mit aller Ruhe kommt er heraus geschlichen,fast als letzter von allen und kommt auf mich zu.
„Tut mir leid das du warten musstest,aber hatte gerade noch ein klärendes Gespräch!“ 
„Kein Problem!“ , meine ich locker und gehe mit ihm zum Parkplatz,wo seine Mutter schon wartet. Ich habe sie mir irgendwie anders vorgestellt,aber was man sich manchmal so im Kopf zusammen reimt ist völliger Quatsch. Sie ist eine sehr zierliche Frau mit sehr schönen langen und schwarzen Haar. Sie lächelt mich zwar an,doch ist sehr verschüchtert und sieht sehr traurig aus.
„Hallo ich bin Lee's Mutter,schön das wir uns mal kennen lernen!“ , entgegnet sie mir freundlich.
Ich erwidere zurück haltend.
„Hallo ich bin Susan!“
Sie gibt mir sanft die ihre Hand und nimmt mir meine schwere Tasche ab.
„Setzt euch ruhig schon rein,ich verstaue eure Sachen im Kofferraum.“
Wir beide gehen um das Auto herum und Lee hält mir vor bildlich die Tür auf. Ich glaube das macht er auch nur,weil seine Mutter dabei ist,aber ich nehme es dankend an und setze mich ins Auto.
Er setzt sich auch hinter zu mir und schnallt sich an. Als seine Mutter dann auf einmal los fährt,merke ich das wir wirklich weit fahren bis zu ihm.
„Wo genau wohnst du denn eigentlich?“
Er antwortet erst gar nicht,doch dann mit einer sehr leisen Stimme.
„Wir wohnen in der Edinburg Street,die ist ganz am Ende von Sutton,etwas abgelegener. Unser Haus ist das einzige in der Straße.“
Von der Straße habe ich noch nie etwas gehört und sage auch nichts weiter dazu.
Während dessen fängt seine Mutter an mit mir netten Smalltalk zu halten.
„Und Susan wie gefällt es dir an der Schule? Ich habe gehört,dass du wie Lee neu hier in Sutton bist?“
„Ja es ist alles soweit gut,ich bin früher hier aufgewachsen und daher kenne ich die Gegend und die Leute so einiger maßen.“ , meine ich lächelnd zu ihr.
„Ach du bist auch hier aufgewachsen? Genauso wie ich! Ich wollte Lee meine Heimat zeigen und dachte mir,dann kommen wir wieder zurück!“
Mir kommt das etwas komisch vor,weil ich sie gar nicht kenne geschweige schon mal in meinem Leben gesehen habe.
„Wirklich?Wann haben sie hier gelebt? Ich kanne mich an keine Familie Waters erinnern?“ , frage ich gezielt nach.
Sie weiß erst nicht was sie antworten soll,doch umschreibt die ganze Situation etwas.
„Bevor Lee auf die Welt gekommen ist,habe ich die Stadt verlassen,wollte ein neues Leben beginnen.“
Ich will nicht zu aufdringlich sein,deshalb halte ich mich in der Rest der Fahrt zurück.
Nach über einer halben Stunde kommen wir an einem großen Waldgelände vorbei und brausen über eine Schotterstraße. Ich habe gedacht,ich kenne alle Schlippen und Straße in Sutton,doch hier kenne ich mich wirklich keinen Zentimeter aus. Ich glaube das ich zwar schon mal in diesem Wald gewesen bin,doch wir sind nie weiter raus gefahren,da wir gedacht haben das da eh keiner wohnt.
Wenn man die Straße hoch fährt sieht man rechts und links wirklich nichts außer Bäume und Felder.
Ruhig ist es hier bestimmt,aber auch sehr einsam. Irgendwann taucht ganz weit hinten ein sehr düsteres Haus auf mit einem braunen Zaun rings herum. Das muss Lee's Haus sein,doch irgendwie wünsche ich mir insgeheim das er nicht da drin wohnt. Es ist alles so unglaublich beängstigend und ich habe ein komisches Gefühl im Bauch,als wir genau davor anhalten. Lee und seine Mutter steigen aus,doch ich bleibe wie angewurzelt erstmal noch im Wagen sitzen. Lee öffnet mir wieder die Tür und bittet mich heraus.
„So hier ist es,hier wohnen wir!“
Ich schlucke meinen ersten Eindruck herunter und versuche ihn anzulächeln.
„Wirklich ein sehr großes Haus und das ist ja wirklich das einzige hier!“
Seine Mutter nickt und gibt mir meine Tasche aus dem Kofferraum heraus.
„Ja hier hat man wirklich seine Ruhe,manchmal gut manchmal weniger.“
Ich sehe immer wieder das Haus von oben bis unten an und es ist macht mir immer noch Angst.
Schon alleine die Treppen sind so steil bis zur Tür,dass ich bei jedem Schritt gerne einen zurück machen würde. Lee's Mutter schließt die Tür auf und bittet mich als erste vor zu gehen. Ganz schüchtern trete ich hinein und lass das Haus auf mich wirken.
Erleichterung macht sich breit,denn drin sieht es ganz und gar nicht unheimlich aus. Der Flur erstrahlt in einem freundlichen gelb und auch die Möbel sind weiß. Damit habe ich gar nicht gerechnet. An den Wänden hängen viele Bilder von Lee und auch viele andere Kunstwerke.
„Haben Sie die Bilder selbst gemalt?“
Lee's Mutter hängt ihre Jacke auf und stellt sich zu mir vor das große Wandgemälde.
„Ja das ist mein Werk,ich male sehr gerne und habe hier einige aufgehangen.“
Ich bin wirklich fasziniert von dem einen Bild.
„Es sieht echt schön aus,sie haben Talent!“
Sie bedankt sich herzlich und verschwindet im Nebenraum.
„Willst du etwas trinken oder essen?“ , fragt mich Lee höflich,doch ich lehne ab.
„Nein danke,lass uns doch gleich anfangen. Gehen wir in dein Zimmer?“
„Ehm nein,lass uns lieber in der Küche arbeiten,ich hole ebend mein Laptop herunter.“ , entgegnet er stürmisch und verschwindet sofort nach oben.
Ich gehe seiner Mutter hinter her und stehe schon mit beiden Füßen in der geräumigen Küche,die in einem wundervollen mintgrün gestrichen ist.
„Setz dich doch Susan! Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?“ 
„Nein danke ich möchte nichts!“ , meine ich zu ihr als ich mich an den runden Tisch in der Mitte des Raumes setze. Während ich auf Lee warte,packe ich schon mal einen Block und Stifte aus. Dann kommt noch jemand lautstark zur Tür herein und entgegnet Lee's Mutter mit einem wütenden Ton.
„Hat der Bengel schon wieder sein Zeug im Flur stehen gelassen! Ich hätte mir die Knochen brechen können!“
Er beachtet mich gar nicht,erst als Lee's Mutter ihn auf dem Besuch aufmerksam macht.
„Kevin wir haben Besuch. Das ist Susan,eine Mitschülerin von Lee!“
Er würdigt mich einen kurzen Blick,aber bringt kein Hallo heraus.
„Ach nein,hat er eine Freundin,ist ja süß. Er ist doch nicht schwul!“ , entgegnet er mit einem frechen Grinsen Lee's Mutter und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn.
Ich will nicht neugierig sein,doch ich frage höflich nach mit wem ich es zutun habe.
„Ich bin nicht seine Freundin...Sie sind dann wohl der Vater von Lee!?“
Er lacht wieder so komisch auf und antwortet sarkastisch.
„Nein bin ich ein Glück nicht, Sam weiß nicht mit wem sie es damals getrieben hat.“
Lee's Mutter schämt sich so sehr für ihn und schickt ihn weg. In dem Augenblick kommt Lee zurück und sieht Kevin wütend an.
„Hör auf mit meiner Mutter so zu reden! Ich bin so froh,dass du nicht mein Vater bist,dass kannst du glauben!“ 
Kevin ignoriert Lee und geht an ihm einfach vorbei. Ich fühle mich etwas schuldig,dass ich gefragt habe.
„Tut mir leid,ich wollte nicht unhöflich sein!“
Lee's Mutter legt sich ihre Schürze um und meint zu mir beruhigend.
„Mach dir da nichts drauß Susan,er ist immer so,leider!“
Lee versucht nicht weiter auf die Situation einzugehen und klappt seinen Laptop auf.
„Dann lass uns mal sehen,was wir so finden!“
Irgendwie fühle ich mich gerade unwohl und muss dringend auf die Toilette.
„Bevor wir anfangen kannst du mir sagen wo eure Toilette ist? Ich muss ganz eilig!“
Er ist etwas geschockt,dass ich seine Toilette benutzen will,doch seine Mutter erklärt es mir sehr nett.
„Geh einfach die Treppe hinauf vorbei an den beiden Türen und ganz hinten die letzte Tür rechts,dass ist das Bad. Steht auch dran,also kannst du es nicht verfehlen.“
„Vielen dank,ich bin gleich wieder da!“
Als ich aus der Küche heraus gehe,sehe ich gegenüber zum Wohnzimmer herüber,wo Kevin in seinem Sessel sitzt und Football guckt. Ich gehe die lange Treppe hinauf und stehe in einem weiteren hellen Flur,der genauso gestaltet ist wie der untere. Links direkt hängt ein weiteres Bild von Lee's Mutter das ihren Sohn darstellen soll. Und gerade auf diesen Bild fällt mir seine Ähnlichkeit mit Zac mir wieder deutlich auf. Es ist ein älteres Foto,was ihn zeigt,doch auch jetzt sieht er noch fast so aus. Ich gehe weiter und will gerade an den beiden Türen vorbei gehen,als ich sehe,dass die eine Tür nur angelehnt ist. Ich sehe mich um,ob wirklich keiner kommt und stoße die Tür mit einem Finger etwas weiter auf und sehe eine sehr dunkle Kammer. Das Zimmer ist nicht wirklich groß,doch hier scheint jemand zu wohnen. Ich erkenne nur die eine Seite so richtig,das muss wohl Lee's Zimmer sein. Die Wände sind völlig zu geschmiert mit brauner Farbe und verschiedenen Wörtern. Ich habe etwas Angst weiter hinein zu gehen,weil es mich nichts angeht,doch dann sehe ich auf einmal einen Ordner auf seinen Tisch,der mich stutzig macht.
Erst jetzt öffne ich die Tür noch einen kleinen wenig mehr und trete mit einem Fuß herein. Ich beuge mich über den Ordner und lese die Schrift darauf laut vor: „Familie McKingley“.
Neugierig schlage ich den Ordner auf und mich trifft der Schlag als ich mir den Inhalt genauer betrachte.Alles so detailliert sortiert,nach Datum und Begebnissen. Ich bin sprachlos.

Und irgendwann ist es zu spätOnde histórias criam vida. Descubra agora