🌙Kapitel 1🌙

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"Ssssh...Myraièn, sssh, alles ist gut..." Die junge Waisenhausmatrone wischte die Tränen aus dem Gesicht der fünfjährigen Nachtelfe. "Wir sind hier, Myraièn, alles ist gut..."
Myraièn blinzelte angestrengt und erschöpft.
Die Tränen verklebten ihr die Augen.
Sofort wischte die junge Frau mit einem nassen Tuch über ihre Augen und Myraièn konnte sie öffnen.
"Siehst du?" Maya - die Waisenhausmatrone - lächelte ihr beruhigend zu. "Alles ist gut."
"Aber es tut wieder weh...", murmelte sie und griff nach ihrem Kuscheltier, um es an sich zu drücken.
"Was denn?" Maya strich ihr sanft über die violetten Haare. "Wieder dein Herz?"
"Auch." Myraièn nickte kaum sichtbar. "Eigentlich alles."
"Schon wieder?" Maya seufzte und stand auf. "Dyros, bleib bitte bei ihr, bis ich die nötigen Sachen fertig habe."
Der schwarzhaarige Junge nickte und setzte sich zu Myraièn aufs Bett. "War 's etwa wieder dieser eine Traum, von dem du niemandem erzählen willst?"
Myraièn zögerte kurz, dann bestätigte sie seinen Verdacht mit einem Nicken.
"Warum eigentlich nicht?", fragte er enttäuscht. "Bestimmt gibt es einen Arzt, der dir helfen kann!"
"Dagegen hilft nicht mal eine Armee von Priestern.", erwiderte Myraièn leise. "Das kann niemand heilen."
Sofort kullerten dicke Tränen über ihre Wangen.
"Du bist echt 'n hoffnungsloser Fall.", bemerkte ein Draeneimädchen mit einem schiefen Lächeln. "Bestimmt geht das wieder weg..."
Myraièn lächelte und wischte ihre Tränen weg.
Der Akzent der Draenei hatte immer so eine beruhigende Auswirkung auf sie.
Sie war schon fast dankbar, dass das Raumschiff der Draenei, die Exodar, auf der Azurmythosinsel abgestürzt war.
Sonst wären diese freundlichen Aliens wohl nie auf diese Welt gekommen.
"Danke, Lunary..." Myraièn umarmte sie.
"Kein Problem!", sagte Lunary, die Draenei, lachend und drückte sie an sich.
"Ich dachte, dir tut alles weh." Dyros grinste die beiden Mädchen verschmitzt an.
"Tut es ja auch!" Myraièn grinste zurück. "Aber wenn ich wen lieb habe, kann ich doch auch mal die Schmerzen ignorieren und den Jemand umarmen, denkst du nicht auch so?"
"Schon." Noch immer grinsend breitete Dyros seine Arme aus. "Also bitte. Ich warte."
"Du..." Lachend umarmte sie auch ihn.
"...Schlawiner.", beendete Lunary ihren Satz und lachte mit den beiden.
"Ihr habt ja wieder mal euren Spaß.", stellte Maya lächelnd fest. "Aber ich muss Myraièn jetzt mit mir nehmen. Soll ich dich tragen oder willst du selber gehen?"
"Ich geh selber.", meinte Myraièn und stieg vorsichtig aus dem Bett.
Das Holz unter ihren Füßen fühlte sich gut an, obwohl sie bei jedem Schritt unerträgliche Schmerzen verspürte.
Aber sie dachte an ihren Traum und dann an das heiße Wasser, das auf sie wartete, um ihre Schmerzen zu lindern.
Da Maya glücklicherweise eine der wenigen Kräuterkundingen in der näheren Umgebung war, wusste sie genau, welche Kräuter sie brauchte, um Myraièns Schmerzen zu beenden.
Aber Myraièns Herzschmerz konnte sie nicht beeinflussen.
Es tat einfach weh, jeden Tag, jede Nacht, obwohl sie den Traum nur einmal im Monat hatte - wenn sie Glück hatte, einmal alle zwei Monate.
Seit Jahren verfolgte der Traum sie.
Myraièn hatte Angst.
Wo war Ysera, die Herrin der Träume? Sah sie nicht, wie es ihr ging? Konnte Ysera ihr nicht helfen?
Ysera war die Ärztin, von der Dyros gesprochen hatte.
Myraièn wusste das.
Sie wusste es, fragte sich aber, wie sie bitte Kontakt zu der grünen Drachin aufstellen sollte.
Vielleicht...Vielleicht könnte sie ja nachher mit Dyros und Lunary in die Bibliothek!
Wenn Myraièn eine gute Ausrede fand, könnte sie vielleicht auch alleine gehen...
"Nicht träumen..." Lunarys hellblaue Hand winkte vor ihrem Gesicht herum. "Myraièn,  geh schon. Das Wasser bleibt nicht ewig warm!"
Myraièn zuckte zusammen.
Nicht etwa, weil Lunary sie erschrocken hatte.
Das Wasser bleibt nicht ewig warm!
Dieser Satz kam ihr bekannt vor, aber wieso?
Woher?
Sie hatte einen Verdacht, wollte allerdings keinen Gedanken daran verschwenden.
Sie folgte Maya in den nach ihr vielen bekannten Kräutern duftenden Raum, in dessen einer Ecke ein dampfender Zuber stand.
Das Wasser war also noch heiß.
"Soll ich bei dir bleiben, Myraièn?" Maya sah sie fragend an.
Myraièn schüttelte stumm den Kopf.
"In Ordnung. Ruf mich, wenn du mich brauchst." Maya legte ihr ein Handtuch auf den Hocker neben dem Zuber. "Entspann dich, ja? Und vergiss nicht, tief einzuatmen und die Kräutersalbe zu benutzen, solange das Wasser noch warm ist."
"Werd ich nicht.", meinte Myraièn und legte ihr Nachthemd ab.
Als Maya die Tür hinter sich abgeschlossen hatte - das machte sie immer so, wenn Myraièn diesen Traum hatte - wandte sich die Nachtelfe dem Zuber zu.
Sie spielte mit dem Gedanken, es zu tun, oder es nicht zu tun.
Und schließlich tat sie es.
Die Illusion fiel zusammen und offenbarte eine erwachsene Nachtelfe mit türkis-grünen Haaren und zwei grünen Tätowierungen über jedem Auge, die aussahen, als ob ein wildes Tier über jedem ihrer Augen zwei Krallen geschlagen hätte.
Seufzend setzte sie sich in das warme Wasser.
Dieses Versteckspiel...
Sie hasste es.
Sie wollte sich nicht länger verbergen.
Aber sie musste.
Anders konnte sie nicht überleben.
Myraièn entfuhr ein Seufzen.
Eine Stunde.
Eine Stunde, die sie ohne diese Illusion eines kleinen Mädchens verbringen konnte.
Sie begann, tief einzuatmen und ein paar Minuten später griff sie nach der Krätersalbe, um sich damit einzucremen.
Nachdem das getan war, seufzte sie leise und lehnte sich zurück.
Sie wusste, dass der Schmerz von ihrer ständig gehaltenen Illusion kam.
Dämlicherweise sorgte der Schmerz dafür, dass der Traum von ihrem Unterbewusstsein wieder in ihr hochkam und so hatte sie eine nicht ganz so angenehme Kombination aus Schmerz und Albtraum.
Myraièn sehnte sich schon nach dem Zeitpunkt, wenn Lunary und Dyros achtzehn waren, dann könnte sie ihre Illusion für immer fallen lassen und sich damit entschuldigen, sie habe ihre Haare gefärbt.
Alles wäre perfekt.
Sie könnte ihren Traum vergessen und vielleicht sogar zurück nach Darnassus.
Dort könnte sie einen Magier bitten, ihr ein Portal zur Mondlichtung zu formen, wo sie dann ihr Bestes geben würde, zu einer würdigen Druidin zu werden - in ihren Vorstellungen die beste Heilerin aller Druiden.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht - Kindheitsträume.
Realitätsbezogen: Dreizehn Jahre nur noch, bis sie ihre Illusion fallen lassen konnte.
Myraièn freute sich bereits.

Why the druid can't say YesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora