🌙Kapitel 6🌙

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"...dachte, Nachtelfen schlafen nicht?"
"Hey!"
Grobes Rütteln an Myraièns rechter Schulter und laute Stimmen sowie das Geplapper von Rüstungen und Waffen weckten sie.
Verträumt öffnete sie ihre Augen und stellte als erstes erleichtert fest, dass die Bravado noch immer in den Docks lag.
Dann vernahm sie das ungeduldige Räuspern eines Mannes.
Sie drehte sich um.
Ein Mensch in voller Rüstung.
Nein.
Ein ungeduldiger, genervter Mensch in voller Rüstung und einer sauertöpfischen Miene.
Typisch.
"Darf man fragen, warum so ein junges Mädchen Nachts draußen ist?", fragte er.
Diese Situation ging ihm sichtlich auf die Nerven.
"Seh ich in Euren Augen so jung aus?", fragte Myraièn ruhig.
"Wie vierzehn Jahre.", erwiderte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Finger trommelten auf seine plattenbesetzten Handschuhe.
"Was, wenn ich dir sage, dass ich sechshundertachtzehn Jahre alt bin?" Myraièn stellte seine Geduld nur zu gern auf die Probe.
"Bist du ganz bestimmt nicht. Wo sind deine Eltern, Elfe?"
"Schon vor vierhundertfünfzig Jahren von Dämonen ins Grab gebracht worden, Mensch.", schleuderte Myraièn ihm seine eigene Beleidigung an den Kopf.
"Nun werd mal nicht frech und sag die Wahrheit!", knurrte er wütend.
Geschafft.
Der Mensch hatte ein sehr niederes Niveau an Geduld.
"Ich bin frech? Ihr habt mich zuerst beleidigt." Myraièn war noch immer ruhig.
Seine wütenden Worte und Gesten waren ihr egal. Es brauchte Dämonen, um sie wütend zu machen.
"Du..." Nun schäumte er vor Wut.
"Ich? Ihr habt mich zuerst beleidigt. Ach ja, und glaubt ja nicht, dass Ihr mich wütend machen könnt. Es braucht schon...gigantische Dinge, um mich zur Weißglut zu treiben." Myraièn stand auf. "Euer Niveau an Geduld ist sehr niedrig, wohlbemerkt. Seid Ihr in Eile?"
"Sehr richtig. Der König Varian Wrynn und sein Sohn werden in Kürze hierher kommen und du solltest dann nicht da sein."
"Wie freundlich. War es ein ausdrücklicher Befehl seinerseits oder..." Myraièn sprach mit hoher Stimme und einem zuckersüßen Lächeln. "...nur eine persönliche Schmeichlerei, zu der ihr Menschen leider neigt?"
Die Fäuste des Mannes sagten Myraièn, dass sie es gerade schaffte, ihn förmlich zum Kochen zu bringen...vor Wut.
"Also ja." Schulterzuckend wandte sich Myraièn ab.
Allerdings wurde sie sofort an den Haaren gepackt und von ihrem Aussichtspunkt fortgeschleift.
Der Mann brachte sie irgendwo hin.
Dann wurde sie auf einmal auf den Boden geschleudert.
Vor sich sah sie zwei Paar Stiefel.
"Sie hat Euren Namen in den Dreck gezogen, Majestät!", rief der Mann.
Myraièn wusste, dass er log.
"Sie?" Es war die Stimme eines sehr jungen Mannes, Prinz Anduin Wrynn.
Er kniete sich vor sie.
"Ja, sie!"
"Wie oft willst du mich denn noch beleidigen?" Wut kam langsam in Myraièn hoch.
Und wie gesagt, das konnten nur Dämonen.
"Gern öfters, Großmaul." Der Mann grinste sie hinter seinem Helm an, als sie sich auf den Rücken drehte.
Eine Erinnerung schoss ihr durch den Kopf.
Sie und Thanduril, auf der Flucht.
Hinter ihnen ein Verdammnislord, brüllend lachend.
"Großmaul, Großmaul!", rief er die ganze Zeit hinter ihnen her. "Du spitzöhriges Großmaul! Eines Tages krieg ich dich!"
"Ach, du..." Ein spöttisches Lächeln verbarg den Ausdruck ihrer Wut. "Dich hat man also vierhundertfünfzig Jahre lang nicht bemerkt, ja? Was für ein Glücksfall für dich. Aber weißt du was? Nichts und niemand wird mich davon abhalten, nach Suramar zurückzukehren und Thanduril zu suchen. Nicht du und auch nicht Sargeras. Titan oder nicht, Elune und Ysera sind auf meiner Seite."
"Glaubst du das wirklich?" Ein hohes Geräusch, seinem Gelächter von damals ähnlich, entfuhr dem Mann. "Der Nachtbrunnen ist längst unser. Du bist zu spät, Elfe. Elune wird den Brunnen nicht mit deinem Blut retten können. Ja, ich weiß, was Elune mit dir und deinem lächerlichen Ehemann von einem Krieger vorhat. Sie will euch opfern, um wieder mit deinem schwachen Volk verbunden zu sein. Sie liebt euch nicht. Lass sie hinter dir und bade im Teufelsfeuer. In unseren Reihen ist noch genug Platz für dich."
"Das hättest du wohl gern, verfluchtes Grünblut." Myraièn blieb liegen. "Ich weiß, wie das Teufelsfeuer ist. Einhundert Jahre trug ich die Brandmale der Explosion auf meinem Körper, bis ich endlich Erlösung fand. Denkst du, ich würde mich euch hingeben, bloß weil du mir sagst, Elune hätte mich aufgegeben? Viel Spaß im Wirbelnden Nether."
Mit einer arkanen Exlosion schleuderte Myraièn den Mann alias dem Verdammnislord von damals in die Luft, nur um im nächsten Moment einen spitzen Erdstachel aus dem Boden schießen zu lassen, der den Mann aufspießte.
An dem Stachel wuchsen dann Ranken hoch, die sich um seinen Hals wickelten und ihn erwürgten.
Aus der Leiche des Mannes wurde der Kadaver eines Dämons.
Grünes Blut lief an dem Stachel herunter.
"Dämon Nummer eins!", grinste Myraièn triumphierend und sah dann auf ihre geschuppten Hände.
Grün, blau und schwarz vermischt war die Farbe jeder einzelnen Schuppe.
"Oh, du bist ein Mischling!" Anduin trat hinter sie und betrachtete ihre Hände interessiert. "Ysera und Malygos...und Deathwing? Wie ist das möglich?"
"Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht, Prinz Anduin, aber Ihr scheint etwas von diesen komischen Schuppen zu wissen. Ich wäre geehrt, von Euch belehrt zu werden." Mit einem schwachen Lächeln verbeugte sich Myraièn.
"Es wäre mir ein Vergnügen, aber...Vater, was machen wir mit dem Dämon?", wandte sich Anduin an den König.
"Wir werden ihn von ein paar Magiern verbrennen lassen und dann Erzmagier Khadgar fragen, ob er mehr weiß...oder Lady Jaina, sie ist bestimmt in Kenntnis gesetzt worden.", meinte er. "Allerdings frage ich mich, wo Suramar ist. Auf Kalimdor, Pandaria, Nordend und den Östlichen Königreichen jedenfalls nicht..."
"Suramar befindet sich auf den Inseln der Fünf Reiche, Majestät.", mischte sich Myraièn ein. "Dem Dämon zufolge ist Suramars Barriere offenbar gefallen und der Nachtbrunnen verseucht worden. Wenn wir nicht schleunigst etwas unternehmen, werden die Kal'dorei aussterben..."
Sie schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: "So viele Seelen...Elune würde bestimmt weinen...eine zweite Träne...in Val'sharah waren sie..." Sie zuckte zusammen. "Was, wenn die Dämonen die Träne der Elune haben?! Der Smaragdgrüne Albtraum könnte ausgelöst werden und...aaah, wir haben versagt..."
Myraièn biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe und starrte zum Horizont.
"Ich habe das Gefühl, das war nicht alles. Erzähl uns alles, was du weißt." König Varian sah sie herausfordernd an. "Und zwar ohne Illusion."

Why the druid can't say YesWhere stories live. Discover now