Chapter Eleven: Der Abgrund in mir

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Lokis Sicht:

Natürlich hatte ich die Schatulle von Mimir absichtlich stehen gelassen und wie erwartet musste Elaine sie eingesteckt haben, denn als ich nach der nervenden Unterredung mit dem Präsidenten - die ich komplett ausgeblendet hatte, denn es ging um Zukünftiges und ich hatte nicht vor ewig in dieser Stadt zu verweilen - zurück in den Saal lief, stand sie nicht mehr auf dem Pult. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Genau das hatte ich erreichen wollen.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen die ganze Sache langsam anzugehen, doch war ich noch nie ein Mann mit sehr viel Geduld gewesen und so hatte ich den Schicksal etwas nachgeholfen. Als ich gestern Nacht in meiner Wohnung angekommen war, konnte ich einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich hatte mich hin und hergewälzt, auch Lesen und Fernsehen hatten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das alles drang gar nicht bis zu mir vor. Mein Gehirn arbeitete, konnte nur an diese eine junge Frau denken. Ja Elaines Gesicht, ihre Augen und unsere Unterhaltung spukten durch meinen Kopf und ließen sich nicht vertreiben.

'In einer Welt voll Wissenschaft und Technik ist dies wohl noch der einzige Weg glauben zu gewinnen.' Dies waren ihre Worte gewesen. Wie recht sie doch damit hatte. Es würde nicht reichen nur von den Göttern und ihren Taten zu berichten. Die Menschen heutzutage wollten Beweise. Sie waren bereit zu glauben, doch nicht einfach nur aufgrund von Geschichten. Sie mussten sehen können und am besten auch anfassen, fragen stellen, selbst erforschen. Und genau deswegen hatte sie nun meinen kostbarsten Besitz. Ich schätzte sie Schlau genug ein nicht einfach gleich aufzugeben, wenn sie bemerkte, dass sich das Innere nicht wie erwartet als eine Maschine der Menschen entpuppte. Es würde sie anfänglich verwirren, dass das Kästchen leer war, doch wenn sie genügend Drang nach Wissen besaß, so würde sie die Kiste lange genug in ihren Händen halten, dass sie sich ihr offenbarte und Elaine wahrhaftige Magie sah.

Ich konnte kaum die kommenden Tage hinter mich bringen ohne ständig an Montag zu denken. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und wenn es nicht klappte... Dann wusste ich auch nicht mehr weiter. Früher wäre ich so implusiv gewesen sie in eine leere Seitenstraße zu zerren und mich ihr zu offenbaren. Dann zu warten bis sie sich vom dem ersten Schock erholt hatte und alles erklären. Meistens glaubten die Menschen dann am mich, hatten jedoch auch gehörig Angst vor mir.

Aus irgendeinem Grund konnte ich es nicht übers Herz bringen auch nur den Gedanken zu hegen so eine brutale Vorgehensweise ihr gegenüber zu zeigen. Sie bedeutete mir etwas. Was auch immer es sein mochte, dass eine Sterbliche einem jahrtausende altem Gott bedeuten konnte. Ich hatte angenommen es war meine Hoffnung in ihr jemanden gefunden zu haben, durch die ich meinem Ziel, nicht von den Asen ermordet zu werden, etwas näher kam.

Aber da war noch etwas anderes. Und da fehlten selbst mir, Loki, dem Gott der am gewandtesten Reden konnte die Worte. Auch jetzt wo ich am Strand spazieren ging und meine Füße im warmen Sand vergrub, konnte ich nicht dahinter kommen. Es konnten nicht einfach nur ihr wunderschönes Aussehen, die strahlend blauen Augen und ihre magische Art die Welt zu sehen sein, die mich zu ihr hinzogen. Nein, so einfach war ich nicht gestrickt. Ich stand sehr viel weiter über den Gelüsten eines einfachen Mannes. Ich war schon lange einige Schritte weiter. Konnte ich mich doch nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich eine Frau ansprechend gefunden hatte. Da waren nur zwei jemals gewesen, Angrboda, eine Riesin und Sygin meine letzte Frau, die mich jemals für sich gewonnen hatten in all den Jahren. Doch waren von den beiden nichts mehr Bedeutendes geblieben, als meine Kinder, die verstreut in allen Neun Welten herumirrten.

Doch wenn ich noch an eins weniger denken wollte, als an Elaine, dann waren es meine Kinder. Es schmerzte viel zu sehr, was den meisten von ihnen durch Götter, die ich meinte sie wären meine Freunde gewesen, widerfahren war. Ich hatte zu viel Vertrauen in die Falschen gesetzt. Ich hatte ihnen meine Familie und meine Gedanken anvertraut und sie hatten es schamlos ausgenutzt. Meine einzigen Schwächen gegen mich benutzt und nun stand ich hier und hatte nichts und niemanden mehr, um den es sich zu kämpfen lohnte.

Und da durchfuhr es mich wie ein Blitz von Thor. Mit einem Mal wurde ich mir einer einfachen Wahrheit bewusst. Langsam ließ ich mich in den Sand sinken. Die Brandung umspielte sanft meine nackten Zehen.

Es gab eine Person die ich retten musste. Die nichts für all das konnte, was aus der Welt geworden war, die nicht sterben durfte in dem Chaos, bei Ragnarök. Elaine. Die Morgensonne. Ich konnte ihr vertrauen. Das war es, was ich so anziehend an ihre fand. Sie war der einzige Mensch, ach was dachte ich da, das einzige Wesen seit solanger Zeit, der ich vollkommenes Vertrauen schenken konnte. Ich war so offen wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Auch wenn ich nicht von meiner Herkunft oder desgleichen redete, gewährte ich ihr doch mehr Einblicke in meine Seele als jedem anderen. Dabei kannte ich sie doch gar nicht und dennoch erzählte ich ihr von meiner Liebe zur Natur, legte Wert auf ihre Meinung und am schlimmsten konnte es kaum erwarten sie wieder zu sehen und mit ihr zu reden, wenn auch nur über belanglose Dinge.

'Verdammt Loki', ich schlug die Hände vor dem Kopf zusammen. Da war ich all die Zeit so vorsichtig gewesen. So misstrauisch und kalt gegenüber jedem und allem um jetzt bei einem Menschen so... unvorsichtig zuwerden. Leider begriff ich das erst jetzt und es war viel zu spät, um noch davon zu laufen.

Ich fuhr mir durch meine Haare, riss fast ganze Büschel heraus, als ich meine Hände mit den Haarstränen dazwischen zu Fäusten ballte. Mein Blick ging in die Ferne, übers Meer.Das klare ruhige Wasser, die kreisenden Möven, die unendlichen Weiten.

"Oh Jörmungandr, mein Sohn, wir sind uns so nah wie noch nie und doch bist du so fern", murmelte ich in den aufkommenden Wind. Meine wirren Gedanken, hatten mich wieder daran erinnert, warum ich neben ihrer Schönheit die See so gerne besuchte. Odin hatte vor tausenden von Jahren meinen Sohn, meinen jüngsten von Angrboda entführt und hinab in die tiefen des Meeres geworfen. Ich wusste Odins Absicht war sein Tod gewesen, doch hatte er das Gegenteil bewirkt. Ich konnte seine Anwesenheit spüren, wenn doch auch viele Kilometer zwischen uns lagen, das Wasser schuf eine Verbindung. Ich legte meine rechte Hand flach aufs Wasser: "Eines Tages werde ich kommen und die Kraft haben dich zu befreien, das verspreche ich dir mein Sohn und dann werden wir uns gemeinsam an den Asen rächen, die uns entzweit haben, auch dieses Versprechen gebe ich dir", flüsterte ich in die Wellen.

Dieser Tag war noch fern und wenn er kommen würde, so hoffte ich, hatte Elaine ein wunderschönes langes Leben hinter sich gebracht, denn wenn es soweit war, konnte ich für nichts garantieren. Im Moment war ich nur darauf aus mich selbst zu retten. Ich würde diesen vermaledeiten Auftrag erfüllen, doch tat ich das ganz sicher nicht für die da oben. Nein für mich ganz allein.

Und das zweite Mal an diesem Tag wurde ich mir einer Tatsache bewusst. Sie hatten vielleicht doch recht, wenn sie sagten, ich wäre Schuld am Ende aller Welten! So viel Wut wie sich in mir anstaute, auf alles und jeden, der mir jemals etwas angetan hatte, so konnte es nur ein Wunder sein, dass ich noch so ruhig war und nicht dort oben alles auseinander nahm. Auf einmal waren alle meine guten Vorsätze vergessen. Wieso sollte ich nicht an meine Familie denken? Nicht ich war Schuld, nein Odin und Thor und alle anderen Asen, die dumm genug waren ihnen zu folgen. Meine Kinder verbannt, meine erste Frau tot, die zweite traute sich nicht mehr in meine Nähe, alle Freunde hatte ich verloren und ich, ich war ebenfalls verbannt worden. Hier auf die verdammte Erde und die dort oben konnten froh sein, dass ich auf Elaine getroffen war, sonst ... sonst.... Aufgebrachte Rufe und Schreie brachten mich zurück in die Realität. Ich blickte auf, um zu sehen, was passiert war und konnte gerade noch die drei Meter hohe Welle dank meiner Magie abschwächen, bevor sie mich von den Füßen riss. Die Gischt spritzte um mich herum, durch nässte mich bis auf die Haut, doch kühlte sie auch meine hitzigen Gedanken ab und brachte mich wieder zur Besinnung. Ich war so aufgebracht gewesen, dass ich einen kleinen Tsunami ausgelöst hatte. Sie waren immer schon meine Schwäche gewesen. Meine Gefühle. Ich verlor viel öfter als mir lieb war die Beherrschung und auf der Erde konnte das sehr schnell gefährlich werden.

Triefend wandte ich dem Meer den Rücken zu und machte mich auf den Weg in meine Wohnung, um mir etwas Trockenes anzuziehen. Ich musste ganz schnell eine Ablenkung finden, damit ich nie wieder so tief in mir selbst verschwand und mich fast in meiner Wut verlor. Und wenn diese Ablenkung Elaine heißen würde, so sollte mir das durchaus recht sein.


Hey ho,

ich war gerade das zweite Mal im neuen Thor Film und dachte mir, warum nicht gleich noch ein neues Kapitel, wenn ich sowieso schon in Schreiblaune bin. Und dann kann ich euch auch gleich fragen, wer von euch den neuen Teil schon gesehen hat und was ihr von ihm haltet? 

Bin gespannt, LG

eure Cristina

Ragnarök - Frühlingssonne✔Where stories live. Discover now