Kapitel 5

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"Wenn man mit Flügeln geboren wird, sollte man alles dazu tun, sie zum Fliegen zu benutzen." ~ Florence Nightingale

Durch einen dumpfen Knall fuhr ich hoch. Erschrocken sah ich mich um, doch weit und breit konnte ich nichts und niemanden erkennen. Es war noch stockdunkel. Keuchend versuchte ich zu überlegen wie lange ich geschlafen hatte.

„Hey nicht erschrecken. Ich bins.", flüsterte eine Stimme durch die Dunkelheit und im selben Moment schaltete sich das Licht einer Lampe an. Mein nächtlicher Besucher war Luis. „Was...was ist los?", stotterte ich überfordert, zitternd vor Kälte. „Na komm. Ich bring dich hier raus.", mit diesen Worten half er mir aufstehen. Der Lichtkegel leitete uns zu der Eisentür, durch sie hindurch und nach draußen auf einen Hof. Mit schnellen Schritten führte Luis mich auf ein großes dunkles Gebäude zu. Zitternd stolperte ich in das innere des Gebäudes.

Schwaches Licht brannte an den Wänden und wies uns den Weg zu ein paar Aufzügen. Luis drückte einen Knopf und mit einem leisen, fast schon lächerlichen „Ping" öffneten sich die silbernen Türen des Fahrstuhls und ließ uns eintreten. Langsam schlossen sich die Türen und wir fuhren nach oben. „Wir fahren ins Penthouse. Dort bekommst du ein schönes Zimmer mit einem warmen Bett. Ist doch viel besser als so eine dunkle, kalte Zelle oder?", brach Luis die Stille. Ungläubig sah ich zu ihm auf. Ich konnte nicht fassen was er da gerade gesagt hatte. Sie wollten mir ein Zimmer geben. „Aber...ich dachte ich sei eure Gefangene?", flüsterte ich. „Möchtest du den Rest deines Lebens dort unten verbringen? Ich meine, wenn du möchtest bringe ich dich sofort wieder runter aber ich dachte du hättest es gerne etwas wärmer.", antwortete Luis mir mit ruhiger Stimme. In diesem Moment öffneten sich auch die Türen und wir traten in eine hell erleuchtete moderne Wohnung.

Wir liefen um die Ecke und standen in einem großen Wohnzimmer. Der Fußboden war wunderschönes helles Laminat. Eine große weiße Couch lud ein sich drauf zu legen und einfach weiter zu schlafen. An der Wand hing ein riesiger Fernseher und drum herum waren ein paar Schränke. Geradezu konnte ich eine geräumige Küche entdecken.

Doch leider beam ich keine Zeit mehr mich weiter umzusehen denn meine Gedanken wurden brutal von wütendem Geschrei unterbrochen: „WAS ZUM TEUFEL HAT SIE HIER VERLOREN?". „Biest" höchstpersönlich kam eine gläserne Wendeltreppe in einer hinteren Ecke heruntergelaufen und hechtete wütend auf uns zu. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und seine Augen hatten eine dunkle, fast schon gruselige Farbe angenommen. Ehe ich antworten konnte hatte er auch schon mein Handgelenk gepackt und drückte es schmerzhaft zusammen. Ich zischte auf vor Schmerz als mir die Tränen in die Augen stiegen. „Alter beruhig dich. Sie bekommt das Gästezimmer. Sie kann doch nicht die ganze Zeit dort unten bleiben. Weißt du eigentlich wie kalt es dort ist?", versuchte Luis seinen Kumpel zu beruhigen. Tatsächlich lockerte sich der Griff um mein Handgelenk ein wenig. „Mir egal wie kalt es ist. Unsere kleine Prinzessin ist doch selber schuld an ihrer Lage. Nicht wahr?", mit einem selbstgefälligen Grinsen wandte „Biest" sich an mich. Was sollte ich sagen? Er hatte recht. Ich war ja selber schuld. Wäre ich nicht für meinen Vater eingesprungen könnte ich jetzt zu Hause in meinem kuschlig warmen Bett liegen. Aber mein Vater wäre vermutlich schon tot. So oder so würde ich leiden. Also senkte ich einfach nur geschlagen meinen Kopf. „Es stimmt was manche Menschen über dich sagen. Du hast echt kein Herz. Wenn es dir nichts ausmacht, bringe ich sie jetzt ins Zimmer. Sie ist total kalt.", schimpfte Luis aufgebracht, riss mich von ihm los und schob mich den Flur runter zu einer geschlossenen Tür.

Mit einer feierlichen Bewegung öffnete er die Tür und ließ mich eintreten. „Ich weiß es ist vermutlich nicht das was du von zu Hause gewohnt bist aber es sollte reichen.", sagte er als er das Licht einschaltete. Direkt gegenüber der Tür befand sich ein großes Bett. An der Wand links von der Tür war ein ebenfalls großer Schrank und auf der anderen Seite standen ein Schreibtisch und eine Kommode. Auch hier gab es den gleichen Laminatboden wie wohl in der ganzen Wohnung. Die Wand hinter dem Bett war in einem freundlichen Blau gestrichen, während die anderen Wände sowie die Möbel weiß waren. Auf dem Boden vor dem Bett lag noch ein flauschiger Teppich. Zugegeben es war nur halb so schön wie zu Hause aber bis vor zwanzig Minuten hatte ich nur eine dreckige alte Matratze in einer stinkenden, kalten Zelle. „Es ist wundervoll. Vielen Dank", antwortete ich Luis aufrichtig. Ich war wirklich dankbar für alles was er in den letzten Minuten für mich getan hatte.

Als wir uns anfangs kenn gelernt hatten war er fies und verspotte mich und nun? Er hatte mich aus diesem dunklen Loch geholt und mir dieses wunderschöne Zimmer gegeben. Was wollte ich eigentlich mehr?

Doch mir brannte diese eine Frage auf der Zunge. Ich musste sie unbedingt loswerden: „Warum sind Sie so nett zu mir?". Auf meine Frage hin musste Luis erstmal lächeln ehe er mir antwortete: „Also erstmal kannst du mich gerne Luis nennen und „Du" sagen. Zweitens. Wir werden uns ab jetzt öfter über den Weg laufen. Deine Entscheidung war sehr mutig aber ich respektiere das. Warum sollte ich dir deinen Aufenthalt noch schlimmer machen als er ohnehin schon werden wird? Was habe ich denn davon?". „Und warum ist ER dann so...so...ich weiß nicht...", „Kalt? Herzlos? Gemein?", beendete Luis meinen Satz. „Du musst wissen, dass er nicht immer so war. Er hat auch gute Seiten an sich. Auch wenn es schwer zu glauben ist, aber ich hab sie gesehen. Ich weiß wie er sein kann. Du musst ihm nur die Chance geben dir zu zeigen wie er wirklich ist. Und du musst dich darauf einlassen ihn so zu sehen wie er ist. Das ist ganz wichtig.". Verständnislos nickte ich einfach stumm und sah auf den Boden.

„In dem Schrank solltest du ein paar Sachen zum anziehen finden. Es ist noch mitten in der Nacht. Leg dich hin und schlaf noch ein bisschen. Du kannst es gut gebrauchen Süße." Luis hatte sich bereits in den Türrahmen gestellt als ich ihm noch ein müdes aber dankbares Lächeln zuwarf eher er verschwand.

Ich war wieder allein. Nur dieses Mal schlief „Biest" nur ein paar Zimmer weiter. Ob ich hier wirklich sicherer aufgehoben war als in der Zelle?


Beast and his BeautyWhere stories live. Discover now