Kapitel 19

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"Die Liebe ist ein Feuer: Sie leuchtet, wärmt, glüht, zerstört und schafft." ~ Hedwig Dohm


Alec

Wütend rammte ich meine Faust gegen die Betonwand. Aus den Knöcheln quoll ein wenig Blut. Entrüstet ließ ich mich wieder zurück auf meinen Stuhl sinken. Mein Blick glitt über die Karte, die auf dem Tisch ausgebreitet war, rüber zu meinem Vater. Er saß völlig zusammen gesunken auf seinem Stuhl. Tiefe Augenringe warfen ihre Schatten auf sein Gesicht.

Seit über einer Woche war sie jetzt schon verschwunden. Wir beide konnten nicht mehr richtig schlafen oder essen. Er gab sich natürlich die Schuld für ihr verschwinden. Und er hatte recht. Warum musste er sich so öffentlich mit den Blacks treffen? Verdammt warum hatte er sie nicht aufgehalten. Warum hatte ich nicht besser für ihre Sicherheit gesorgt? All diese Fragen quälten mich seit Tagen, doch ich hatte keine Antworten darauf.

Seit dem Tag ihrer Entführung hatten wir uns jeden Tag in unserm Bunkerraum getroffen und verzweifelt über einer Karte der Stadt überlegt wo „Biest" meine Schwester gefangen halten könnte. Falls er sie noch nicht umgebracht hatte. Doch jedes Mal, wenn wir das Gefühl hatten eine heiße Spur zu haben, stellte es sich doch als Enttäuschung heraus. Als wäre sie vom Erdboden verschluckt.

„Was, wenn er sie aus der Stadt gebracht hat?", hörte ich meinen Vater murmeln. Ob zu sich selbst oder zu mir war egal. „Nein! Er muss sein Versteck hier irgendwo in der Stadt haben. Anders kann ich es mir nicht erklären!", fauchte ich aufgebracht. „Hoffentlich finden wir sie noch lebend.", sagte er dann, stand auf und ging einfach kommentarlos aus dem Raum.

Ich wollte es nicht glauben. Das durfte nicht sein! Wenn er sie wirklich umgebracht hatte, würde ich ihm sein restliches Leben zur Hölle machen.

Durch das Klingeln meines Handys wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. „Ja?", fragte ich genervt in den Hörer. „Alec! Ich bins. Hast du neue Informationen für mich?", hörte ich eine tiefe Stimme am anderen Ende. „Nein habe ich nicht. Hast du was Neues für mich?", antwortete ich schließlich genervt. „Entspann dich mal Alter. Ich habe eventuell eine gute oder schlechte Nachricht für dich. Das liegt natürlich im Auge des Betrachters.", hörte ich ihn kichern. „Schieß los. Ich habe keine Zeit für deine dämlichen Spielchen.", knurrte ich. „Meine Jungs auf Beobachtungsposten 04 haben mir soeben gemeldet, dass ein Wagen das Gelände in Richtung deines Gebietes verlassen hat. Vielleicht bekommst du heute noch Besuch.". Na toll. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wenn „Biest" hier heute noch auftaucht dann sind das definitiv keine guten Neuigkeiten. „Bist du noch dran? Hallo?", rief die Stimme aus meinem Handy. „Alles klar. Ich melde mich, wenn es was gibt.", antwortete ich knapp und legte auf.

Verdammte Scheiße! Das durfte doch alles nicht wahr sein. Ich warf einen letzten Blick auf die ausgebreitete Karte, ehe ich vor Wut mit einer Armbewegung alles vom Tisch fegte. Dann riss ich die Tür auf und verließ den Raum. Ich wanderte ziellos durch das Haus bis ich schließlich vor einer einfachen weißen Tür stehen blieb. Ich öffnete sie und schlich in das verlassene Zimmer. Ihr Zimmer. Ein wunderschönes Mädchenzimmer. Mit einem großen Himmelbett, einem großen Bücherregal und ihrem noch größeren Kleiderschrank. Ich musste schmunzeln als ich mich bei ihr aufs Bett setzte. Auf ihrem Nachttisch stand ein Bilderrahmen mit einem Foto von uns zweien. Es wurde im vergangenen Sommer aufgenommen. Wir hatten beide im Garten gelegen. Vorsichtig fuhr ich mit dem Finger über das Glas. Traurig betrachtete ich ihr breites Lächeln und ihre funkelnden grünen Augen. Ich vermisste mein kleines Mädchen so sehr. Und es schmerzte mich so sehr zu wissen, dass meine kleine Belle bei diesem „Biest" war.

Und wieder klingelte mein Handy. Eigentlich wollte ich nicht ran gehen aber als der Name meines Vaters aufblinkte, zwang ich mich zu melden. „Alec? Alec, du musst sofort kommen! Ein Wagen...", die Stimme meines Vaters klang aufgeregt, gehetzt, irgendwie anders als sonst. „Ich komme.", knurrte ich und machte mich auf den Weg.

In der Eingangshalle unseres Hauses angekommen, sah ich meinen Vater wie angewurzelt an der Tür stehen. Noch bevor ich fragen konnte was passiert war, kam ein fremder Mann die Treppen hoch. In seinen Armen lag der schlaffe Körper eines Mädchens. Nein! Nein, das war nicht möglich. Dieses Mädchen, welches so leblos da lag, war meine kleine Belle. Ich war der erste von uns beiden der sich wieder regen konnte. „Was hat er getan?", meine Stimme war fest und voller Wut. Ich stapfte auf den Fremden zu und nahm Belle vorsichtig in meine Arme. Ihre Haut war eiskalt, an ihrer Stirn und in ihren Haaren klebte Blut. Ohne auch nur noch einen Blick auf meinen Vater oder den Fremden zu werfen, drehte ich mich um und trug meine Schwester nach oben in ihr Zimmer.

Dort angekommen legte ich sie sanft auf ihr Bett. „Belle...oh meine kleine Belle. Es tut mir so leid. Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen.", meine Stimme brach schließlich als ich nach ihrer Hand griff.

„Es ist alles meine Schuld.", hörte ich schließlich eine Stimme hinter mir. Unser Vater stand in der Tür. Langsam kam er auf das Bett zu. Ich konnte Tränen in seinen Augen erkennen. „Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er sie mitnimmt.". Für einen kurzen Moment tat er mir leid. Wir hatten nicht erwartet unsere Belle in diesem Zustand wiederzusehen. Und es brach uns das Herz sie so verletzt zu sehen. Was hatte das „Biest" ihr nur angetan? „Bitte mein Sohn...bitte bleib bei ihr. Ich kann das nicht. Ich brauche einen Moment für mich. Ich weiß was du denkst und ich stimme dir zu. Er wird dafür büßen müssen.", er legte mir die Hand von hinten auf die Schulter, drückte einmal zu und verließ dann den Raum.

Ich legte meinen Blick wieder auf meine Schwester. Vorsichtig beugte ich mich vor, um sanft ihre Stirn zu küssen. „Ich weiß nicht wie oft ich mich noch entschuldigen muss. Er wird nicht ungestraft davonkommen. Er wird für das was er dir angetan hat bezahlen. Das schwöre ich dir.", flüsterte ich. Dann stand ich ebenfalls auf, um den Raum zu verlassen. Doch etwas hielt mich auf. Jemand hielt mich auf.

„Alec?"





Beast and his BeautyWhere stories live. Discover now