Danke, ich bevorzuge den Kerker!

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Nachdem wir uns wieder einigermaßen beruhigt hatten, sagte Chelsea, wir müssten jetzt in den Thronsaal und den Meistern Bericht erstatten. Vorher lag mir aber noch eine Frage auf der Zunge: „Wer hat mich eigentlich hier hoch gebracht?" Plötzlich fing Chelsea an zu grinsen und blickte mich vielsagend an. „Meister Caius." Ich öffnete den Mund um was zu sagen, brachte aber kein Wort heraus. Jetzt viel ich endgültig vom Glauben ab. Was hätte er denn für einen Grund, mich hier hoch zu tragen? Oh mein Gott, was wenn er mich zugedeckt hatte? Das war extrem unvorstellbar. Ich meine, um das mal klar zu stellen: Wir reden hier immer noch von dem Caius, der mich kürzlich eigentlich drei Tage foltern wollte und jetzt wurde er auf einmal...fürsorglich? „Sag das nochmal!" Ich musste mich einfach verhört haben. „Meister Caius hat dich hier hochgetragen, dich zugedeckt und an deiner Seite verweilt, bis seine Anwesenheit im Thronsaal von Meister Aro gefordert wurde. Caroline, du kannst mir nicht erzählen, dass da nicht irgendwas zwischen euch ist", meinte Chelsea und musterte mich skeptisch. „Klar, weil ich etwas für den Kerl empfinde, der mich in den Kerker einsperren wollte und der mir droht!" Ups, eigentlich wusste Chelsea von letzterem gar nichts, aber jetzt war es eben raus. „Was? Wann hat er dir denn gedroht?" „Beim Tanzen. Er meinte, dass mich hier nicht gleich alle akzeptieren werden und dass er jeden meiner Schritte beobachtet, falls ich mir einen Fehltritt erlauben würde, würde er das mitkriegen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, Chelsea. Er verwirrt mich total, vor allem nach der Situation, die du mir gerade geschildert hast." Sie sah mich eindringlich an. „Das war keine richtige Drohung, am Anfang war er zu allen Wachen so, auch zu denen aus der Garde. Man muss sich sein Vertrauen und seinen Respekt eben erst verdienen und so wie er sich um dich gekümmert hat, bezweifle ich, dass er das mit der Folter wirklich durchgezogen hätte. Es gibt da ein Thema, das ich nicht näher ausführen darf, es betrifft seine frühere Frau. Sprich mit ihm darüber, vielleicht klärt sich die Situation ja dann ein bisschen auf." Sie zwinkerte mir und zu und führte mich nun in Richtung des Thronsaals, obwohl ich immer noch völlig verdutzt über ihre Aussage war. „Moment, welche Frau? Caius hatte eine Frau?", fragte ich sie aber sie führte nur ihren Zeigefinger an die Lippen und zog mich weiter. Wie bitte sollte ich denn mit ihm darüber sprechen? Wie sollte ich überhaupt mit ihm unter vier Augen reden, ohne komplett in Panik zu verfallen? Egal was Chelsea sagte, dieser Vampir war mir immer noch suspekt und meine Ansicht bezüglich ihm hatte sich nicht geändert, weil er mich ins Zimmer getragen hatte. Vielleicht hatte ihn Aro darum gebeten, weil er gerade in der Nähe war? Oder er tat es aus Solidarität dem Clan gegenüber und wollte zeigen, dass ihm dessen Mitglieder nicht völlig egal waren?

Ich blieb dabei: Ich konnte doch jetzt nicht mir nichts dir nichts in den Thronsaal marschieren und sagen: „Meister Caius, könnte ich vielleicht kurz mit ihnen über ihre frühere Frau reden? Was hatte es denn mit ihr auf sich?" Ich kann mir vorstellen, dass Chelsea erstens nicht umsonst „frühere" Frau gesagt hatte, also irgendetwas musste ja vorgefallen sein, ich persönlich tippe ja darauf, dass sein Temperament mit ihm durchgegangen ist, und zweitens ich auf diese Frage hin wahrscheinlich einen Kopf kürzer sein würde, da er bestimmt nicht gerne über dieses Thema sprach. Also wieso schlug mir Chelsea das vor? War sie lebensmüde oder einfach nur total durchgeknallt?

Im nächsten Moment wurden wir von Felix auch schon durch die große Tür gelassen, ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon am Thronsaal angekommen waren. Wie immer eigentlich. Ich war oft zu sehr in Gedanken versunken. Wir liefen also wie üblich vor die Meister und begrüßten sie respektvoll und ich erwischte mich dabei, wie mein Blick immer wieder unauffällig den von Caius streifte, der übrigens wie eine Salzsäule auf seinem Thron saß und nicht einen Gesichtsmuskel zu nutzen schien. Das irritierte mich noch mehr als sonst und ich bemühte mich meine Aufmerksamkeit Aro zu widmen, da er sowieso in den meisten Fällen das Reden übernahm. Wisst ihr noch? Leute mit seinen Worten fesseln, dass könnte gut eine zweite Gabe von ihm sein.

„Ah, Caroline Liebes, wie schön dass es dir wieder gut zu gehen scheint. Du hast uns ja allen einen gewaltigen Schrecken eingejagt", sprach er nun mit seinem verrückten Lächeln im Gesicht, welches man nie ganz zuordnen konnte, und kam auf mich zu. Er forderte abermals einen Einblick in meine Gedanken, dem ich ihm zögernd gewährte. Na toll, jetzt würde er meine gesamten Überlegungen bezüglich Caius erfahren. Kurze Zeit später ließ Aro von mir ab und grinste noch breiter als zuvor. Es schien mir, als wüsste er etwas bezüglich dieses Themas, wollte aber anscheinend, dass ich es selbst herausfinde. Jedenfalls ging er gar nicht darauf ein. „Nun, in Zukunft verwende deine Gabe wohl besser nur, solang es sich um eine wichtige Angelegenheit des Clans handelt oder es von einem von uns drei Anweisungen bezüglich der Nutzung deiner Gabe gibt. Wir wollen ja nicht, das so etwas wie gestern sich wiederholt, nicht wahr?" Er wandte sich von uns ab, lief mit verschränkten Händen wieder ein Stück Richtung Thron und drehte sich anschließend erneut um. „Aufgrund der jüngsten Ereignisse sind wir zu dem Schluss gekommen, von der Ausführung deiner Strafe abzusehen, nicht zuletzt wegen deinem gesundheitlichen Zustand und deinem Status als Neugeborene, als welche du dich erst mit den Gegebenheiten in unserer Welt vertraut machen musst. Dennoch erwarten wir in Zukunft Gehorsam bezüglich unserer Clangesetze." „Ja natürlich, vielen Dank Meister", sagte ich sichtlich erleichtert. „Des Weiteren: Um dir diesen Start in den Alltag des Volturiclans zu erleichtern, wird einer unserer besten Kämpfer dich sowohl physisch als auch psychisch darauf vorbereiten. Hierbei haben wir uns darauf geeinigt, dass unser lieber Caius das übernehmen wird." Mein erleichtertes Lächeln erstarb. Trainieren mit Caius? Allein? Oh nein danke, ich bevorzuge den Kerker. Obwohl, ich wusste immer noch nicht, wie ich derzeit zu ihm stehen sollte. Dieser Mann war so schwer einzuschätzen hinter seiner Fassade aus einer Mischung aus Sadismus und beeindruckender Gleichgültigkeit. Ich nickte also nur und lies es über mich ergehen. Ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl. „Das ersteTraining ist heute um 19 Uhr im Trainingsraum. Chelsea wird dir den Weg zeigen. Ich erwarte Pünktlichkeit", erläuterte Caius neutral, wie von ihm gewohnt. „Ja Meister." Ich verbeugte mich zum Abschied und verließ mit Chelsea den Thronsaal, da sie anscheinend gerade keine Wache hatte. Ich war gespannt, wann ich meine erste antreten durfte. Jetzt war es aber erstmal Zeit aus diesem Kleid herauszukommen. Ich verabschiedete mich also von Chelsea, die meinte sie würde 20 Minuten vor dem Training zu mir kommen und mir den Weg zeigen, und betrat mein Zimmer, um eine erfrischende Dusche zu tätigen und mich endlich abzuschminken. Das tat echt gut und ich schlüpfte danach in eine schwarze, enganliegende aber trotzdem gemütliche Trainingshose, welche ich mit einemdunkelroten Top kombinierte, man musste sich ja an diese „bloß nicht bunt"-Regel halten, nicht wahr? Was anderes außer diese zwei „Farben" befand sich ja sowieso nicht in meinem Schrank. Aber eine Hose musste ich ja zwingend anziehen, ich konnte ja schlecht in einem Kleid trainieren. Also hoffte ich mal, dass Caius das bedacht hatte. Außerdem zog ich noch flache, schwarze Schuhe an, wohlbemerkt die einzigen dieser Art in meinem Kleiderschrank. Bis zum Training hatte ich noch Zeit, weshalb ich mir ein weiteres Buch vornahm, bis es an meiner Tür klopfte und ich schon wusste das es Chelsea war, bevor sie überhaupt eingetreten war. Vampirsinne waren schon von Vorteil.

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Where stories live. Discover now