Wiedersehen?

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Caius POV

Sie wachte nicht auf. Seit Tagen lag sie auf unserem Bett, die Augen geschlossen, die Finger über ihrem Bauch verschränkt und beinahe friedlich lächelnd. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. Sie hatte sich geopfert, für mich. Für alle Volturi. Und jetzt wusste ich nicht, ob sie jemals wieder aufwachen würde. Das machte mich unfassbar wütend. Ich war verzweifelt und wenn ich nicht gerade bei ihr war, befand ich mich im Trainingsraum und schlug so lang auf die Trainingsgeräte ein, bis sie zerstört waren.

Es war keine Regung bei ihr zu erkennen. Wie auch? Sie war ein Vampir. Sie atmete nicht. Sie hatte keine menschliche Hautrötung oder etwas dergleichen im Gesicht. Sie hatte keinen Puls. Nichts konnte mir Auskunft darüber geben, ob sie noch unter uns weilte. Die Skinformer hatte ich allesamt in einem Wutanfall verbrannt. Sie hatten keine Beerdigung verdient. Keiner von ihnen. Nur sie hätte die schönste von allen verdient, wenn sie wirklich...Nein! Ich weigerte mich das zu akzeptieren. Sie wird aufwachen! Es musste einfach so sein.

Unsere „Gäste" hatten sich ebenfalls bereits aus dem Staub gemacht. Wir sollten ihnen Bescheid sagen, wenn sich etwas an Caroline verändern würde. Dennoch: Sowohl die Cullens als auch die Magier waren ihr so viel schuldig. Sie hätten nicht einfach gehen sollen. Wütend schlug ich mit voller Wucht gegen einen Box Sack, der dadurch aus der Halterung gerissen wurde und gegen die Wand flog. Aufgebracht starrte ich ihm hinterher. Kein Trainingsgerät konnte meiner Frustration standhalten.

Ich fühlte mich im Stich gelassen. Meine Brüder gingen mir aus dem Weg. Vermutlich war es im Endeffekt doch besser, aber gerade jetzt brauchte ich ihre Bestätigung, dass schon alles gut werden würde. Ich fühlte mich schwach, verletzlich. Das durfte nicht so sein. Gerade jetzt wurde von uns Meistern Stärke erwartet, damit unser Clan wieder so zusammenwachsen würde wie früher. Ich war im Unreinen mit mir selbst und das regte mich nur noch mehr auf.

Aufgewühlt verlies ich den Raum und wanderte durch das Schloss, bis mich mein Weg unweigerlich wieder zu ihr zurückführte. Ich nahm meinen üblichen Platz auf einem schwarzen Stuhl neben ihrem Bett ein, griff nach ihrer rechten Hand und starrte wie gebannt auf ihre Augen, stets hoffend, dass sie sich auf einmal öffnen würden. Doch dies war wie immer nicht der Fall und ich saß mehrere Stunden bei ihr, ohne dass sich irgendwas veränderte.

Es war mitten in der Nacht als ich mich auf den Weg in den Thronsaal machte, hoffend, dass er leer war und ich mich einfach auf meinem Thron niederlassen konnte, ohne das irgendwas von mir erwartet wurde. Doch meine Hoffnungen wurden zerstört als ich Aro mitten im Saal stehen sah. Ich ließ mich jedoch von meinem Vorhaben nicht abbringen, schritt wortlos an ihm vorbei und nahm Platz. Dann versuchte ich ihn so gut es ging zu ignorieren und in die Luft zu starren, aber da hatte ich die Rechnung wohl ohne meinen Bruder gemacht.

„Wie ist dein Wohlbefinden Caius?" Und mit dieser einen Frage brachte er mich bereits derart aus der Fassung, dass ich aufsprang und mit einem Satz bei ihm war. „Wie soll es mir schon gehen?!", schrie ich ihn aufgebracht an. Der ganze Frust der letzten Tage lag in meiner Stimme. „Sie wacht nicht auf und diese Ungewissheit, ob sie es jemals tun wird, ist unerträglich! Jede Sekunde, die ich bei ihr bin, bilde ich mir ein, ihre Wimpern hätten gezuckt oder sie hätte den Kopf bewegt. Jedes Mal hoffe ich, dass sie mir gleich mit einem warmen Lächeln auf dem Gesicht sagen würde, dass alles in Ordnung sei und sie mich nie wieder allein lassen würde."

Verzweifelt raufte ich mir die Haare. „Ich bin müde, Aro. Ich bin erschöpft. Ich kann einfach nicht mehr." Mit diesen Worten setzte ich mich auf die steinernen Treppen vor unseren Thronen und blickte ihn schweigend an. „Und dabei bin ich ein Vampir", murmelte ich leise eher zu mir als zu ihm. Aro erwiderte meinen Blick mitfühlend und nahm zu meiner Überraschung kurz darauf neben mir Platz. Nach einigem Zögern fing er an zu sprechen.

„Ich kann dich gut verstehen, glaub mir. Wenn es Sulpicia wäre und nicht Caroline, würde es mir genauso gehen wie dir. Aber du weißt auch, dass wir stark sein müssen. Dass der Clan weiter bestehen muss und dass du Pflichten hast, die erfüllt werden müssen. Und wenn du die gesamte dir zur Verfügung stehende Zeit bei ihr verbringst, kannst du ihnen wohl kaum nachkommen." Ich spürte seinen entschlossenen Blick auf mir liegen, während ich auf den Boden schaute. Natürlich wusste ich das, aber ich konnte nicht anders. Es fühlte sich jedes Mal wenn ich von ihr fernblieb, so auch jetzt, nicht richtig an.

„Und deswegen habe ich beschlossen, dass wir sie beerdigen werden." Meine Augen weiteten sich. „Was?", flüsterte ich und schrie es dann noch einmal. „Du musst dich verabschieden Caius! Du musst damit abschließen!", entgegnete er mir, doch ich blickte ihn nur fassungslos an. „Du weißt, wenn ich die Hoffnung verliere, dass sie je wieder aufwacht, wird mich das zerstören und zwar von innen heraus! Willst du wirklich, dass ich ein zweiter Marcus werde?", schrie ich ihm wutentbrannt entgegen. Er hob beschwichtigend die Hände.

„Ich will doch nur, dass du der Wahrheit ins Auge siehst!", forderte mich mein Bruder auf. Doch ich weigerte mich. Ich konnte es einfach nicht, denn---. Mein Kopf ruckte schlagartig nach oben. Ich stand mit dem Blick zu den Thronen gewandt da und hatte gehört, wie sich die Thronsaaltür geöffnet hatte. Ich sah Aros entgeisterten Blick, der auf Etwas oder vielleicht sogar Jemanden hinter mir lag. Ich schloss die Augen und ein blumiger Duft umfing mich. Ihr Duft. Ich hatte ihr damals nicht alles zu ihrem Spitznamen erzählt und was mich dazu veranlasste, sie so zu nennen. Nicht nur ihre Charaktereigenschaften passten zu ihm, sondern auch ihr eigener Geruch. Sie roch wie eine Rose im Frühjahr. Unter Tausenden würde ich diesen Geruch wiedererkennen.

Langsam drehte ich mich um und öffnete die Augen. Ich blickte genau in ihre schwarzen Augen und sie erwiderte meinen Blick. Die ganze Situation um mich herum verschwamm und ich nahm nur noch sie wahr. Ihr blondes, engelsgleiches Haar, ihre blass rosigen Lippen und ihr feiner, fast schon gebrechlicher Körper, welcher mehr aushalten konnte, als man sich je vorzustellen vermochte.

Sie stand dort mit der einen Hand die Tür umklammert und mit sehnsuchtsvollen Augen zu mir schauend, als ich den ersten Schritt wagte. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich ging auf sie zu. Zuerst langsam, doch im nächsten Moment war ich schon bei ihr, denn auch sie kam mir entgegen. Ich umarmte sie freudestrahlend, hob sie in die Luft und drehte uns einmal im Kreis. Sie lachte leicht erschrocken auf, ehe sie wieder auf dem Boden ankam. Dann blickte sie mir erneut in die Augen und ich beugte mich glücklich zu ihr runter.

Nach viel zu langer Zeit versiegelte ich endlich wieder meine Lippen mit den ihren und legte all meine Gefühle in diesen Kuss. Dieser unglaubliche Moment brauchte keine Worte.

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt