-9-

130 20 0
                                    

"Chloé! Wach auf!", forderte eine Stimme mich auf.

Was war passiert?

Ich öffnete langsam die Augen. Um mich herum konnte ich die kahlen Wände des Flugzeuges sehen. Aus einem der Fenster konnte ich den Himmel mit ein paar weißen Wolken erspähen. Das hieß, wir waren noch in der Luft und waren nicht abgestürzt.

Ich lebte. Noch.

"Was ist passiert?", fragte ich Ina, die mich aus meiner Art Bewusstlosigkeit geweckt hatte.

In ihrem Blick erkannte ich Besorgnis. Diese spiegelte sich auch in ihrer Antwort wieder:"Keine Ahnung. Es gab ein paar schwere Turbulenzen...", weiter kam sie nicht, denn das Flugzeug wurde erneut durchgerüttelt.

Ich konnte mich gerade noch so an einem Griff an der Wand halten. Einmal musste ich kurz einer Sauerstoffmaske ausweichen, die mich sonst erschlagen hätte.

Soweit ich erkennen konnte, war niemand ernsthaft verletzt worden.

Liam saß in einer Ecke, immer noch gefesselt, und versuchte gar nicht sich von den Seilen zu befreien.

Wahrscheinlich weil er dachte, sein Plan hätte funktioniert. Aber das durfte nicht sein. Das könnte doch noch nicht das Ende sein, oder?

Liams älterer Bruder lag immer noch bewusstlos auf dem Boden. Wenn er überhaupt noch bewusstlos war. Er konnte auch schon tot sein.

"Alles Ok mit euch?", fragte Lukas in den Raum. Ich sah alle nicken.

Jetzt lagen die Blicke der anderen auf mir. Fragend blickten sie mich an.

Immer noch benommen nickte ich langsam. Die anderen sahen das als Bestätigung, dass es mir gut ging und wandten sich wieder ab.

Ich hörte schrille Piepgeräusche aus dem Cockpit. Obwohl ich keine Ahnung von Flugzeugen hatte, machte ich mich auf den Weg zu dem Ursprung der Töne.

Die anderen folgten mir. Anscheinend waren ihnen die Geräusche auch aufgefallen.

"Philipp, wäre es nicht besser, du passt auf, dass sich die beiden nicht befreien?", gab Lukas eine Anweisung von sich.

Zum Glück machte Philipp, was man ihm aufgetragen hatte und er begab sich zu den beiden Entführern.

Nun standen wir zu dritt im Cockpit. Ich sah ein paar Knöpfe und Tasten blinken, aber was das zu bedeuten hatte, wusste ich nicht.

Fragend blickte ich die anderen beiden an. Die hatten aber auch nur fragende Gesichter.

Lange über unseren nächsten Schritt konnten wir nicht nachdenken, denn schon wurde das Flugzeug erneut durchgeschüttelt.

Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich aus dem großen Fenster.

Ich erblickte den blauen Ozean. Aber irgendwas stimmte nicht. Die Wasseroberfläche kam immer näher, zwar langsam, aber trotzdem schnell genug, dass wir innerhalb von Minuten in ihr versinken würden.

Die anderen schienen die Gefahr auch entdeckt zu haben. Das könnte ich an ihren fassungslosen und ängstlichen Gesichtern sehen.

Bestimmt sah ich ähnlich aus.

"W-was machen wir j-jetzt?", fragte ich noch immer geschockt von dem was ich gerade gesehen hatte.

Das Piepen hörte ich nur noch dumpf im Hintergrund. Wie erstarrt stand ich da. Werden wir jetzt abstürzen und alle sterben?

Nein, eine Chance hatten wir noch. Ich meine, der Entführer war doch nur bewusstlos nicht tot, oder?

"Wir sollten nochmal versuchen, ihn aufzuwecken", schlug Lukas vor.

Das war auch die einzig sinnvolle Idee, die ich ebenfalls hatte. Aber er wollte uns doch umbringen, wie sollten wir ihn dann dazu bringen das Flugzeug sicher zu landen?

Ich sah wie Ina und Lukas aus dem Cockpit gingen, als sie fast aus der Tür waren, drehte sich Ina nochmal um und fragte:"Kommst du nicht mit?"

"I-ich schau mal, o-ob ich hier rausfinden kann, wie man so ein Flugzeug landete", stotterte ich noch immer.

Sie blickte mich kurz an, nickte und verschwand dann durch die Tür.

Wie sollte ich hier bloß finden, wie man so eine Maschine landete? Selbst wenn es ein Handbuch geben würde, ich könnte doch trotzdem die ganzen Knöpfe und Schalter bedienen.

Aber ein Versuch war es wert. Ich durchsuchte jeden Winkel des kleinen Raumes, fand aber nichts.

Was machte ich denn jetzt?

Vielleicht hatten Lukas und Ina ja mehr Glück.

Als ich durch die Tür trat, sah ich wie der ältere Entführer wach war und grinste. Das konnte nichts gutes heißen. Aber er lebte, das war schonmal was.

Ich blickte die beiden fragend an. Sie schüttelten beide gleichzeitig die Köpfe.

"Er sagt, er macht gar nichts, um das Flugzeug zu landen", informierte mich Ina.

Ihre Stimme war ruhig, wie schaffte sie es bloß nur die Ruhe zu bewahren, währenddessen ich hier gerade vor Angst in die Hosen machte?

"Ihr könnt sagen was ihr wollt, ich werde keinen Finger krümmen, um euch zu helfen", bestätigte der dritte Pilot spöttisch.

"Wir haben schon alles versucht, um ihn umzustimmen, er macht es nicht", sprach Lukas zu mir und ich hörte den ängstlichen Unterton in seiner Stimme.

Das ließ mir mein Herz in die Hose rutschen. Wie konnte man nur so egoistisch sein? Nur an seine eigenen Angelegenheiten denken und dabei über zweihundert Menschen töten, die nichts mit der Sache zu tun hatten?

"Selbst wenn, jetzt wäre es eh zu spät, in ein paar Minuten seid ihr alle Geschichte", kam es von Liam, der bis jetzt still gewesen war, triumphierend. Er wusste, dass er gewonnen hatte.

Und ich wusste, dass wir sterben würden.

Acht Stunden bis in den Tod #BeginnerAward2018 #SilenceAward18Where stories live. Discover now