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Das Flugzeug würde in wenigen Minuten abstürzen und wir konnten nichts dagegen tun.

Die beiden Entführer weigerten sich weiterhin, irgendwas zu tun, um uns zu retten.

Margarete hatte in der Zeit, in der wir versucht hatten, Liam und seinen Bruder zu überreden, und zu helfen, die anderen Fluggäste gefragt, ob sie wüssten, wie man so eine Maschine landete.

Doch wie unser Glück wollte, war kein einziger unter über zweihundert, der Pilot oder etwas ähnliches war.

Wir hatten beschlossen, nachdem wir probiert hatten irgendwie das Flugzeug in eine normale Flugposition zu bringen, woran wir aber gescheitert waren, uns auf unsere Plätze zu setzen und zu hoffen, dass wir den Absturz überleben würden.

Was aber eigentlich unmöglich wäre, laut den Entführern.

Lukas machte eine Durchsage, bei der er die Passagiere auf das bevorstehende versuchte vorzubereiten.

Erst brachte das reinste Chaos und Panik aus, aber er hatte geschafft sie zu beruhigen.

So saßen alle nun mehr oder weniger ruhig auf ihren Plätzen und dachten über ihr Leben, das drohte bald zu Ende zu sein, nach.

Ich machte es mir auf meinem Platz bequem und schnallte mich an.

Das wars dann wohl mit meinem Leben.

Wie wird es meinen Verwandten, Freunden und vor allem Michael gehen, wenn sie erfahren, dass ich tot war?

Meine Eltern werden vermutlich anfangen zu weinen, wenn sie es erfahren. Werden sie jemals drüber hinweg kommen? Ich war immerhin in ihr einziges Kind, ich war ihr ein und alles. Sie werden das schon irgendwann verkraften, das Leben geht auch ohne mich weiter.

Und Michael? Wir hatten schon unsere Hochzeit geplant. Nächsten Monat wollte ich mein Kleid aussuchen. Dadrauf hatte ich mich schon mein ganzes Leben lang gefreut.

Jetzt werde ich meinem Verlobten nie sagen können, wie ich mich fühlte. Aber ich wusste nicht was ich fühlte. Ich hatte die Hoffnung, dass das nur die Aufregung vor der Hochzeit war, dass das normal war.

Doch je länger ich drüber nach dachte, desto mehr würde mir bewusst, dass ich ihn nicht mehr so liebte wie am Anfang.

Grade in dieser Situation, kurz vor dem Tod, wurde mir bewusst was ich wirklich fühlte und das war, dass ich ihn nicht mehr liebte. Und das werde ich ihm wohl nie sagen können. Aber das war auch besser so, wenn ich sterbe, dachte er wenigstens, dass ich ihn liebte. Und so sollte er mich in Erinnerung behalten, als seine Verlobte, die ihn liebte.

Ich hätte nicht gedacht, dass mein Leben schon so früh endete. Ich hatte noch so viel vor. Mein Leben hatte quasi grade erst richtig angefangen.

Ich hörte ängstliche und panische Stimmen um mich herum. Auch die Familie neben mir, sah besorgt aus, die Eltern versuchten ihrem Kind einzureden, dass alles gut werden würde, obwohl ich an Ihrem Gesichtsausdruck sehen konnte, dass sie das nicht mehr glaubten, dass alles gut wurde.

Aber vielleicht wurde ja auch alles wieder gut, nachdem ich gestorben war. Vielleicht gab es ja ein Leben nach dem Tod.

Das würde ich wohl bald erfahren. Und das 'bald' stellte sich als ziemlich nah heraus, denn das Flugzeug würde noch einmal richtig durchgerüttelt, sodass die Sauerstoffmasken herunter fielen.

Da ich vor Angst und Panik mal wieder zu schnell atmete, nahm ich mir eine und atmete mit ihr.

Es half, aber nur bis die Maschine ein nächstes mal durchgeschüttelt wurde.

Ich hörte lautes kreischen und panische Schreie von den anderen Passagieren. Das ließ mir bewusst werden, wie nah wir dem Tod wirklich waren.

Über die Köpfe der Leute, die neben mir saßen, erhaschte ich einen Blick aus dem Fenster.

Das Wasser war schon sehr nahe, gleich war es so weit.

Wie fühlte es sich wohl an zu sterben? Würde ich gleich tot sein oder erfror ich erst im Wasser? Und das wichtigste: Was kam danach?

In meinem Hinterkopf dachte wohl ein kleines Fünkchen, dass ich den Absturz überlebt könnte, da meine Hand wie von selbst unter den Sitz zu den Rettungswesten griff. Mit zittrigen Händen hielt ich sie fest.

Mental und körperlich versuchte ich mich auf den Aufprall gefasst zu machen. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen. Die letzten Augenblicke meines Lebens wollte ich nicht verkrampft dasitzen.

Ich versuchte an etwas schönes zu denken. Zum Beispiel an meine kleine Cousine, die zwei Jahre alt war. Die Cousine, die ich eigentlich auch in Amerika besuchen wollte. Die kleine hatte mir noch am Telefon gesagt, wie sehr sie sich auf meinen Besuch freute.

Irgendwann werden wir uns schon wieder sehen. Im Himmel oder in einem anderen Leben.

Ich war zufrieden mit meinem Leben, ich hatte zwar nicht alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte, dennoch war ich mit meinem Leben glücklich. Diese Erkenntnis half mir loszulassen, loszulassen von meinem Leben. Jetzt war ich bereit zu sterben.

Das keine Sekunde zu früh, denn nur wenige Augenblicke später schlug die Maschine auf die Meeresoberfläche auf.

Weit entfernt hörte ich Schreie und laute Stimmen, doch ich war ganz ruhig. Ich versuche, die Angst und Panik der anderen nicht an mich ranzulassen, was mir auch geschah.

Ich war wie in einer Luftblase, die mich sicher in den Himmel trug. So fühlte es sich also an zu sterben. Gleichzeitig fühlte wie mein Geist sich von meinem Körper löste und hinaufstieg.

Davor wurde mir aber noch eins klar: Gerade starben fast zweihundertfünfzig Menschen und ich hatte sie nicht retten können. Hätte ich sie überhaupt retten können?

Die beiden Entführer hatten bekommen, was sie wollten. Ich wusste nicht einmal wieso. Ehrlich gesagt war es mir auch egal, nichts würde so eine Tat rechtfertigen. Es war einfach nur egoistisch und einfach nur unglaublich dumm von den beiden.

Weitere Gedanken hatte ich nicht mehr, denn ich wurde von einer Dunkelheit umhüllt. Ich wurde umhüllt vom Tod, der sich wie ein schweres Tuch über mich legte.

Dann wurde alles schwarz.

Acht Stunden bis in den Tod #BeginnerAward2018 #SilenceAward18Where stories live. Discover now