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Mit unangenehmen Blicken im Rücken überbrückte ich die zwei Meter bis zu dem roten Vorhang, diesen öffnte ich mit zittrigen Händen, da ich an mein Vorhaben dachte.

Wie sollte ich einen Entführer, der bereit war hunderte Menschen zu töten, dazu überreden es nicht zu tun. Oder ihn erstmal davon überzeugen, mich nicht gleich umzubringen.

Jetzt gab es aber kein zurück mehr, ich habe mir das hier vorgenommen, dann würde ich es auch durchziehen.

Nun lag die graue Tür vor mir, die das einzige war, dass mich vor meinem größten Albtraum noch trennte. Hoffentlich brachte ich sie diesmal auf, ohne mich komplett zum Deppen zu machen vor Liam. Das wäre echt peinlich.

Aber warum war mir das auf einmal so wichzig, was er von mir dachte? In ein paar Stunden war ich vermutlich tot, da wäre mir egal, was ich peinliches in meinen letzten Stunden erlebt hatte.

Diesmal versuchte ich die graue Abtrennung mit einem kräftigeren Ziehen zu öffnen, was ziemlich gut funktionierte, da sie gleich aufging. So, geschafft, ohne Zwischenfall diesmal.

Stolz auf mich selber, wegen diese kleinen Erfolgs, trat ich mit neu gewonnenen Mut durch die Tür und blickte in die Augen des Entführers, der an der gleichen Stelle stand wie vor einiger Zeit, als ich schonmal hier war.

Im Hintergrund erkannte ich ein paar Stewarddessen, die dort immer noch gefesselt und geknebelt saßen. In ihren Augen konnte ich einen gequälten Blick ausmachen, aber ich entdeckte auch etwas Neugierde, da sie sich wahrscheinlich ebenso wie ich fragten, was ich hier machte.

Aber zum Glück schien keine von ihnen verletzt zu sein, was schon mal gut war. Wenigstens ein Anfang.

Mein Blick wanderte wieder zu Liam, der mich spöttisch angrinste und sagte:"Ich hab mich schon gefragt, wann sie wieder kommen. Warum sind sie diesmal hier?" Nach dieser Frage seufzte er einmal kurz.

Verwunderung machte sich in mir breit, ich hatte erwartet, dass er mich diesmal einen Kopf kürzer macht. Aber das konnte ja noch kommen, wenn ich ihm von meinem Anliegen berichtete.

"Ich dachte schon, sie würden mich umbringen, wenn ich hier nocheinmal auftauche", versuchte ich unsere Konversation in eine weniger ernste Richtung zu lenken, bevor ich mit meinem eigentlichen Vorhaben startete.

"Mir ist gerade langweilig und ihren Versuch, mich umzustimmen, höre ich mir gerne an. Und warum sollte ich mir die Mühe machen, sie jetzt zu töten, wenn sie in ein paar Stunden tot im Meer treiben werden", antwortete er mir auf meine Frage.

Er hatte mich durchschaut, er wusste, warum ich hier war. War ja auch irgenwie klar. Wenigstens wollte er mir zuhören. Diese Chance nutzte ich wohl besser.

Vielleicht hätte ich mir doch besser überlegen sollen, was ich zu ihm sagte. Tja da war ich mal wieder zu voreilig. Dann musste ich eben etwas improvisieren.

"Ich weiß zwar nicht, was sie dazu veranlasst, über zweihundert Menschen umbringen zu wollen, aber was ich weiß, dass es keinen Grund auf der Welt gibt, der das rechtfertigt.  Denk doch mal nach, da sitzen kleine Kinder, was haben die dir denn getan, willst du wirklich einfach ihr Leben beenden, nur weil jemand anderes dir was getan hat? Ist das nicht unglaublich egoistsisch?", fing ich auch schon an zu reden, ohne überhaupt nachzudenken, was ich sagte.

Anscheinend fand mein Gegenüber irgendetwas besonders witzig an meiner rede, denn er fing an zu lachen. Nett von ihm. ich versuchte gerade das Leben hunderter menschen zu retten und er lachte einfach nur. Wie sollte ich jemals etwas so erreichen?

Ich blickte ihn böse an, worauf er noch etwas mehr lachen musste. Zugegeben, er hatte ein schönes lachen, aber das machte es auch nicht wieder gut.

Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, antwortete er mir:"Nein, du hast wirklich keine Ahnung, warum wir das hier machen. Und ich glaube auch nicht, dass du das verstehen würdest. Sie sind bestimmt in so einer perfekten Familie aufgewachsen, ihnen wurde beigebracht, dass zu tun was man von ihnen verlangt, aber dabei sehen sie gar nicht, wie falsch dieses Land ist. Wie falsch, die sind, die es regieren. Sie merken nicht, was hinter der perfekten Fassade passiert. Aber Leute wie ich, kriegen das zu spüren. Darum tun wir das hier, um zu zeigen, was da draußen alles nicht richtig läuft."

Diese Erklärung schockte mich. Irgenwie hatte er recht, ich war in so einer scheinbaren "perfekten Familie" aufgewachsen, aber trotzdem konnte ich meine eigene Meinung zu dem Geschehen da draußen bilden.

"Das gibt ihnen dennoch nicht das Recht, die ganzen Leute in diesem Flugzeug zu töten!", gab ich, jetzt schon etwas wütender, zurück.

Diese Menschen waren unschuldig und hatten es nicht verdient von so einem Möchtegern-Weltverbesserer ermordet zu werden.

"Das können sie gerne denken, nur leider interesiert mich das nicht", gab mein Gegenüber nun etwas ruhiger von sich. "Sie können mir noch ewiglange Vorträge halten, aber glauben sie mir, ich tue das hier weil ich überzeugt davon bin, dass es das richtige ist."

Das ganze hier war noch Aussichtsloser als ich erwartet hatte, aber was hatte ich schon erwartet? Dass er seine Meinung plötzlich ändert, die Passagiere um Vergbung anbettelt und das Flugzeug sicher landen wird?

Weiter konnte ich über meine miese Situation nicht nachdenken, denn da ging auf einmal die graue Tür, die zum Cockpit führte, mit einem Schwung auf und ein Mann anfang dreißig stand in der Tür. Er hatte gewisse Ähnlichkeiten mit Liam, das könnte sein Bruder sein, der dritte Pilot, von dem er gesprochen hatte.

Aber musste er nicht das Flugzeug fliegen oder ging das auch von alleine?

Da er hier vor uns stand, musste es ja auch von alleine gehen.

"Was macht die hier, hatte ich nicht gesagt du sollst alle fesseln und ruhig stellen?!", fuhr der Ältere Liam an.

Anscheinend gefiel ihm nicht, dass ich hier war.

"Ist doch egal, sie wird den Plan doch nicht gefährden", versuchte der Jüngere den Wütenden zu beruhigen.

Das ging aber nach hinten los, da er jetzt noch verärgerter du ausschaute als vorher.

"Was hast du ihr erzählt?", wollte der nun von seinem Bruder wissen.

"Gar nichts", gab der daraufhin zurück.

"Lüg mich nicht an! Meinst du man hört euch durch die Tür nicht?! Du hast ihr von unserem Vorhaben erzählt, sie wird noch alles kaputtmachen, wenn du so weiter machst", scheuender dritte Pilot jetzt schon fast seinen Bruder an.

Der blickte nur ertappt zurück.

Ehe ich begriff was geschah, packte mich der Ältere auch schon und drohte mir:"Eine falsche Bewegung und du bist tot. Ich werde dich jetzt wie die anderen netten Damen hier fesseln, dass du uns nicht in die Quere kommst", sagte er während er auf die Stewardessen deutete.

Das war dann wohl das Ende meines Plans, ihn mit Worten vom Gegenteil zu überzeugen. Und es war auch das Ende unserer aller Leben.

Acht Stunden bis in den Tod #BeginnerAward2018 #SilenceAward18Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon