10 | Loyaler Freund

762 115 75
                                    

2.406 Worte

Am Morgen weckt mich der Geruch duftender Pancakes mit Ahornsirup, der durch den kleinen Spalt meiner geöffneten Zimmertür dringt. Augenblicklich läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich habe schon Ewigkeiten keine Pancakes mehr gegessen.

Doch im nächsten Moment frage ich mich, warum Dad ausgerechnet heute nach unserer gestrigen Aussprache leckere, frische Pancakes macht.

Da ich mich aber nicht schon wider mit ihm streiten möchte, versuche ich, mich nicht aufzuregen, schlage die Decke beiseite und tapse die Treppe nach unten in die Küche. Dort werde ich auch sogleich fröhlich begrüßt.

»Guten Morgen mein Schatz. Hast du gut geschlafen?« Gut gelaunt steht Dad am Herd und wendet einen brutzelnden Pancake in der Pfanne.

Tatsächlich habe ich diese Nacht sehr gut geschlafen, weshalb ich ebenfalls ein Lächeln aufsetze und mit einem »Ja« antworte. Ich verkneife es mir, die Pancakes mit irgendeinem Wort zu erwähnen.

Doch mein Dad wäre nicht mein Dad, wenn er meine Gedanken nicht lesen könnte. Trotz unseres Streits weiß er immer noch ziemlich genau, was in mir vorgeht. Ob ich das nun toll finde oder nicht.

»So, bevor du jetzt anfängst zu protestieren, dass du keine Pancakes isst, hör dir zuerst an, was ich zu sagen habe.«

Mich innerlich darauf vorbereitend, dass nun der gleiche Vortrag kommt wie auch schon die letzten Tage, setze ich mich an den Tisch und nicke Dad als Zeichen, dass ich zuhöre, zu.

Doch er überrascht mich. Nachdem er den Herd ausgestellt hat, stellt er einen Teller mit fertigen Pancakes auf den Tisch und setzt sich mir gegenüber. »Ich war gestern, nachdem du ins Bett gegangen bist, noch lange wach und habe nachgedacht. Über das, was du zu mir in deinem Zimmer gesagt hast. Dass ich dich nicht unterstütze in deinem Ziel abzunehmen.«

Ich möchte ihn unterbrechen, weil ich inzwischen bereue, was ich gestern zu ihm gesagt habe. Es stimmt nicht, dass er mich nicht unterstützt. Er unterstützt mich. Vielleicht nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte, aber er tut es. Doch als ich den Mund öffne, hebt Dad eine Hand. »Lass mich ausreden.« Ich verstumme.

»Du hast recht. Ich habe dich nicht unterstützt. Sobald du das Wort ›abnehmen‹ in den Mund genommen hast, habe ich Angst bekommen, dass du so ein Spargelgestell wie all die anderen Mädchen an deiner Schule werden willst. Und ich habe Angst, dass du aus den falschen Gründen abnehmen willst. Du redest immer nur von Ginger und dass Ginger dich wegen deines Gewichts mobbt. Ich will nicht, dass du abnimmst, weil sie dich unter Druck setzt. Ich will, dass, wenn du es tust, es ganz allein für dich machst und für niemand anderen.«

Ich halte dem liebevollen Blick meines Vater nicht mehr stand und senke meinen Blick auf die Pancakes, während ich die Hände in meinem Schoß knete.

»Gio, sieh mich an.«

»Ich kann nicht. Ich hab dir so weh getan mit meinen Worten und jetzt bist du so verständnisvoll. Ich - «

»Nein, es ist meine Schuld, dass Mum weg ist. Du kannst nichts dafür. Ich hätte mehr in unsere Ehe investieren sollen. Du kannst nichts dafür, dass du sie vermisst.«

Ich schüttle den Kopf und blicke wieder zu ihm. »Ich vermisse sie nicht. Ich brauche nur dich, Dad.« Ein Lächeln huscht bei meinen Worten über seine Gesichtszüge.

»Okay, was ich eigentlich sagen wollte: Wenn du mir versprichst, dass du ab sofort nicht mehr für Ginger und auch für niemanden sonst abnimmst, sondern nur für dich, dann werde ich dich unterstützen.«

Perplex schaue ich mein Gegenüber an. Er will mich ab sofort unterstützen? Wirklich richtig unterstützen und mir keine Vorträge mehr halten?

»Ich hoffe natürlich, dass du mir auch ein wenig entgegenkommst und ein bisschen langsamer machst«, fügt er, als ich nichts sage, hinzu.

More than meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt