IV

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»In medias res.«

»Mitten in die Dinge (hinein).«

- Horaz, römischer Dichter

Die drückende Hitze, die von Tag zu Tag schlimmer wurde, gab mir kaum Platz zu atmen

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Die drückende Hitze, die von Tag zu Tag schlimmer wurde, gab mir kaum Platz zu atmen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus im Haus, weswegen ich mich entschied auf den Innenhof zu gehen; in der Hoffnung, dass dort vielleicht eine Brise Wind wehte.
Peristylium – so hießen die Säulengänge um dem Innenhof herum, auf welchem symmetrisch angepflanzte Blumen wuchsen und in der Mitte ein kleiner Teich angelegt worden war. Die überdachten Säulengänge spendeten ausreichend Schatten. Von meinem Weg aus konnte ich wieder im Innern des Hauses verschwinden. Die Sommerräume hatten im Gegensatz zu den Winterräumen keine Glasfenster, sondern weite offene Bögen, deren Einblick ins Innere durch Vorhänge abgeschlossen wurde.
Ich ließ meinen Blick über den Hof schweifen, dann den Gang entlang, und sofort erfasste ich Octavius, der mit einem jungen Mann, ungefähr in seinem Alter, direkt auf mich zulief. Allerdings beachteten mich die beiden nicht – sie waren in einem aufgeregten Gespräch vertieft.
Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgedreht und wieder verschwunden – oder ich würde unsichtbar werden.
Bisher hatte ich nicht viele Worte mit Octavius gewechselt, doch war ich auch nicht sonderlich erpicht darauf, das zu ändern. Er pflegte stets einen freundlichen Umgang mit seiner Schwester und seiner Mutter, sofern man ihn mal beim Essen antraf. Zu den Sklaven jedoch war er nicht immer gütig – obwohl ich glaubte, dass auch Atia des Öfteren die Hand gegen ihre Untergebenen erhob.
Bevor ich umdrehen konnte, hatten Octavius und der andere Mann mich bereits gesehen. Ich sah, dass die beiden mich neugierig musterten und sich dann etwas zuflüsterten, nur um dann noch einmal ihre Blicke über mich wandern zu lassen.
Unruhig zupfte ich an dem Stoff meines pinkfarbenen Seidenkleides, welches gefühlt jedem einen freien Einblick auf meine Unterwäsche gab. Ich vermisste meine bequemen BHs, denn hier trug man an dieser Stelle nur ein Brustband aus weichem Leder. Zudem war ich eh immer etwas verklemmter gewesen, wenn es darum ging, meinen Körper zu zeigen, weswegen ich im Sommer auf bauchfreie Tops stets verzichtet hatte.
»Victoria«, begrüßte Octavius mich in diesem Moment. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, und er stellte mich seinem Freund vor, der sich daraufhin nach vorne beugte und meine Hand ergriff, um einen sanften Kuss darauf zu hauchen.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Victoria. Ich bin Marcus Vipsanius Agrippa.« Blaue Augen musterten mich, als er seinen Blick von meiner Hand hob und zu mir aufsah.
Ich erwiderte sein Lächeln, welches auf seinen Lippen erschien und neigte den Kopf. »E-Es freut mich e-ebenso.« Meine Worte kamen noch etwas holprig über meine Zunge. Zudem hatte ich einen Akzent, da ich vieles auf Englisch aussprechen wollte.
Octavius legte seinen Arm um Agrippas Schulter. »Wir beide haben in Apollonia gekämpft. Zuvor waren wir zusammen auf der Rhetorenschule. Seither sind wir Freunde. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte!«
Die Offenheit des Mannes überraschte mich, doch ließ ich es mir nicht anmerken.
Agrippa lachte. »Und ich wüsste einiges, was ich ohne dich tun würde, Octavius!«
Für diese Aussage bekam er einen spielerischen Klaps gegen den Kopf. Doch kurz darauf stimmte Octavius in das Lachen hinein. Etwas hilflos stand ich vor den beiden. Ein Lächeln hatte sich auf meine Lippen geschlichen, dennoch wollte ich nichts sagen. Ich hätte auch nicht gewusst, was.
»Wir müssen gehen«, sagte Octavius auf einmal und sah zu mir.
Agrippa nickte. »Ich wünsche dir einen schönen Tag, Victoria.«
Ich bedankte mich leise und die beiden liefen an mir vorbei.
»Und?«, hörte ich Octavius Agrippa fragen, als sie sich von mir entfernten.
»Sie ist hübsch«, sagte sein Freund.
Ich schüttelte den Kopf.
Glaubten sie, ich könnte sie nicht verstehen?
Dennoch lächelte ich, und in Gedanken versunken setzte ich meinen Spaziergang durch den Innenhof fort.

Die Taschenuhr - Ave Caesar! [Band 1]Where stories live. Discover now