VII

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»Omnia vincit amor, et nos cedamus amori.«

»Die Liebe besiegt alles - lasst uns auch der Liebe nachgehen.«

- unbekannter Verfasser

Ich vernahm die Stimmen bereits, als ich noch nicht einmal den Raum betreten hatte

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Ich vernahm die Stimmen bereits, als ich noch nicht einmal den Raum betreten hatte. Ganz deutlich erklang Octavius' Lachen, dann ein zustimmendes Rufen von Octavia. Doch Agrippa bemerkte ich erst, als ich eintrat. Die drei lagen auf den Liegen um dem Tisch herum, aßen Weintrauben und tranken Wein und schienen sich sehr zu amüsieren. Das Licht der Sonne fiel durch die Öffnung im Dach auf sie herab. Atia war zu einem Treffen mit Calpurnia aufgebrochen und das schienen ihre Kinder auszunutzen.
»Komm, Victoria, setz dich zu uns!«, forderte Octavia mich sofort auf. Kurz warf ich Agrippa einen schüchternen Blick zu, ehe ich mich auf den freien Platz zwischen den Geschwistern und gegenüber von dem anderen Mann niederließ.
»Wir sprachen gerade über Servilia und ihre Probleme«, klärte Octavia mich über die gutgelaunte Stimmung auf.
»Welche Probleme?«, wollte ich verwundert wissen.
»Man sagt, der Alkohol wäre ihr neuster Liebhaber«, meinte Octavius und hob schmunzelnd seinen Kelch an seine Lippen.
Octavia grinste ihren Bruder an, dann wandte sie sich an mich. »Wir hörten, dass du sie besucht hättest. Ist dir nichts an ihr aufgefallen?«
Irgendwie fühlte ich mich ertappt, auch wenn es nicht anklagend klang, so wie sie es gesagt hatte.
»Sie wirkte ...«, ich suchte nach dem richtigen Wort, »etwas erschöpft ...«
»Scheint mir rechtens. Immerhin wurde ihr Sohn als Verräter hingerichtet.« Agrippa hatte dies gesagt. Ebenso wie Octavius trank er von dem Wein, jedoch war sein Blick über den Rand seines Kelches auf mich gerichtet. Ich versuchte dem auszuweichen.
»Wie dem auch sei«, sagte Octavia und pflückte sich eine Weintraube von der Rebe, »ich bin mir sicher, dass sie in dem Attentat auf unserem Onkel involviert war – und dafür wird man sie ebenfalls als Verräterin hinrichten lassen.« Kauend lehnte sie sich zurück.
»Doch es liegt nicht an dir, dies aufzudecken, liebste Schwester«, erwiderte Octavius mit ernster Miene.
»Und wenn doch? Vielleicht werde ich es ja herausfinden. Oder denkst du, dass ich nicht dazu fähig bin, nur weil ich eine Frau bin?«
»Das behauptest du, nicht ich.«
»Ich habe gefragt, nicht behauptet.«
Die Geschwister wechselten provokante Blicke, doch brach Octavia sie als Erste mit einem vergnügten Lachen.
»Ich schätze, der Wein setzt allmählich an«, sagte Agrippa daraufhin, der jedoch ebenfalls schmunzelte.
Irgendwie fühlte ich mich vollkommen fehl am Platz.
Wie immer ...
»Solange ich nicht wie Servilia ende, soll es mir recht sein«, entgegnete Octavia grinsend.
Nun wandte sich auch Octavius an mich. »Wie ich merke, hast du dich gut eingewöhnt.«
»Ja, ich mache gute Fortschritte«, sagte ich – immerhin lebte ich seit bereits einem Monat hier, und bisher hatte ich nicht die Möglichkeit gehabt, einen Weg nach Hause zu finden.
»Mein Onkel wird sich persönlich mit dir treffen, sobald er Zeit hat, das soll ich dir mitteilen. Wenn du Fragen hast oder Hilfe brauchst, sollst du dich an mich wenden.«
Ich nickte dankbar.
»Warum warst du eigentlich bei Servilia, Victoria?«, fragte Agrippa.
Mein Blick wanderte zu ihm. Er hielt weiterhin den Becher erhoben und musterte mich wachsam.
»Ich wollte sie kennenlernen«, gab ich zurück – Calpurnia ließ ich erst einmal außen vor.
»Und warum? Immerhin ist sie die Mutter eines Verräters?«
Ich stockte. So, wie er es sagte, klang es, als hätte ich etwas Schlimmes verbrochen.
»Alle sprechen über sie«, meinte ich, »da wollte ich mir selbst ein Bild von ihr machen.«
»Und welches Bild hast du nun von ihr?«
Ist das hier ein Verhör bei der Polizei?
»Sie scheint sehr gebrochen und unter dem Tod ihres Sohnes zu leiden«, sagte ich und bemühte mich, nicht allzu kühl und genervt zu klingen. »Verständlich – immerhin war es ihr Sohn, der hingerichtet worden war.«
»Bat sie dich um einen Gefallen?«, hakte Agrippa nach.
Ich antwortete nicht. Was sollte ich auch antworten?
»Hat sie dich um einen Gefallen gebeten?«, wiederholte nun Octavius mit härterer Stimme.
»Nein«, gab ich kurzerhand zurück. »Sie nannte mich töricht und ein kleines Mädchen. Sie scheint kein Interesse an mir zu haben. Ich war immerhin diejenige, die den Tod Caesars verhindert hat, falls ihr das vergessen habt.« Nun hatte ich meinen bissigen Unterton nicht mehr zurückhalten können.
»Hört auf sie zu befragen, als wäre sie die Verräterin«, ging Octavia säuerlich dazwischen. »Victoria ist unsere Freundin und unserer Gast. Es ist schon schwer genug für sie, dass Mutter einen Groll gegen sie hegt. Da braucht sie nicht auch noch euch zwei, die sich wie Krieger benehmen und wie eine Sklavin befragen.«
»Wir sind Krieger«, entgegnete Octavius und sah seine ältere Schwester mit fester Miene an.
»Nicht hier, nicht in diesem Haus. Benehmt euch. Euer Verhalten soeben war unangebracht.« Octavia wirkte ernsthaft erbost, wie ihr ernster Gesichtsausdruck verriet, und um nicht noch etwas Mahnendes zu sagen, spülte sie die Worte mit einigen Schlucken Wein hinunter.
Ich erhob mich. »Ich werde mich zurückziehen.« Die Situation war wieder so eskaliert, wie ich es nicht einmal vorgehabt hatte, und da ich nicht noch mehr Streit und Ärger verursachen wollte, war es wohl das Beste, wenn ich mich erst einmal aus der Bahn zog.
Octavia nickte, Octavius beachtete mich nicht, dafür aber Agrippa umso mehr. Ich verhinderte den Augenkontakt, indem ich mich eilig abwandte und den Raum verließ. Ich wollte zurück zu meinem Zimmer, als ich aus dem Arbeitszimmer Atias Stimmen vernahm.
Ist sie schon wieder zurück?, fragte ich mich verwundert, da eine von ihnen Atia gehörte. Die andere war ganz eindeutig Marcus Antonius.
»Ich halte das nicht mehr aus!«, hörte ich den Mann aufgebracht schreien.
»Antonius, beruhige dich!«, erklang daraufhin die sanfte Stimme Atias, was mich ernsthaft überraschte. Doch mir fiel nicht zum ersten Mal die Zuneigung der Frau gegenüber Marcus Antonius auf.
Es folgte ein lauter Knall, als hätte jemand mit der Faust auf etwas geschlagen.
»Caesar benimmt sich wie König! Er will den Staat komplett umordnen. Nieder mit der Republik! Und wer soll an der Spitze stehen? Er selbst. Und ich? Ich werde wie ein Hund von einem Ort zum anderen geschickt, darf Briefe und Nachrichten übermitteln wie ein Sklave. Ich renne ihm hinterher wie ein Huhn, welches sich damit zufrieden stellen soll, dass es ab und an ein paar Abgaben erhält, während andere das Doppelte, das Dreifache erhalten und nicht annähernd so viel wie ich ausführen! Ich bin Caesars treuster Anhänger und Verbündeter – doch nie würdigt er mich. Er hat sogar vor, für dieses dumme Gör einen Tempel bauen zu lassen, als Dankbarkeit für seine Rettung vor dem Tod. Sie hätten ihn umbringen sollen, diesen elendigen -«
Weiter kam er nicht, denn da unterbrach Atia ihn:
»Aus dir spricht Wut, Antonius. Zügle dich. Sobald du abgekühlt bist, wirst du deine Worte bereuen.«
Ein Fluchen erklang, doch der Mann schwieg tatsächlich.
»Ich weiß, dass Caesar manchmal blind sein kann und vergisst, den Leuten um sich herum die angemessene Dankbarkeit auszusprechen. Doch sei es ihm verziehen. Er ist ein beschäftigter Mann. Was das Mädchen angeht, da stehe ich auf deiner Seite. Er nimmt es viel zu sehr in Schutz. Wir müssen Caesar zeigen, dass sie eine Betrügerin ist, damit er sich endlich von ihr lossagen kann und sie ein für alle Mal aus dem Weg geschafft wird.«
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Antonius.
»Ich habe da einen Plan. Wir müssen nur -«
»Was tust du da?« Beinahe hätte ich vor Schreck laut aufgeschrien, als Marcus Agrippa auf einmal hinter mir erschien und zu mir sprach.
»Ich -« Mit rasendem Herzen und schwirrendem Kopf stand ich da und suchte nach den rechten Worten.
»Ich wollte mich übrigens entschuldigen«, sagte er jedoch, bevor ich eine Antwort hätte finden können. »Mein Verhalten vorhin war unangebracht. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.« Bittend sah er mich an.
»Natürlich«, sagte ich und nickte.
Erleichtert atmete er aus. »Ich hatte schon befürchtet, du wärst sauer auf mich.«
Nicht sauer, nur genervt, verwirrt und bedrängt von dir.
»Nein, auf keinen Fall«, sagte ich stattdessen.
»Gut, denn ich hatte gehofft, dich auf einen Spaziereingang einladen zu können. Nicht jetzt. Vielleicht morgen, sollte es dir passen. Wir könnten durch den Park gehen, den ich dir gezeigt hatte. Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst ...«
»Nein, ich komme gerne mit«, erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Eigentlich wollte ich es nur schnell hinter mich haben, um endlich von Atias Tür wegzukommen, sollte sie im nächsten Moment hinausstürmen und wieder einen Grund finden, mich zu hassen.
Auch in Agrippas Gesicht erschien ein Lächeln, weitaus breiter und freudiger als meines. »Dann freue ich mich, dich morgen Früh abholen zu können, dann steht die Sonne nicht allzu hoch. Ich werde natürlich für eine Begleitung sorgen, die dich beschützt, auch wenn ich allein diese Aufgabe übernommen hätte. Doch ich will nicht Caesars Zorn auf mich ziehen. Ihr solltet jedoch nicht allzu auffällige Kleider tragen, damit niemand auf eure Zugehörigkeit schließen kann.« Er verbeugte sich knapp. »Wir sehen uns morgen.«
»Ja«, sagte ich, vollkommen überrumpelt von seinen Worten, »wir sehen uns morgen.«
Und weiterhin lächelnd verschwand er.
Mein Kopf schwirrte von alldem, was momentan geschah. Ich musste mich zwischen Calpurnia und Servilia entscheiden, Atia und Marcus Antonius planten, mich aus dem Verkehr zu ziehen (was wahrscheinlich mit meinem Tod enden würde) und dann gab es noch Agrippa, der um meine Hand buhlte. Offensichtlich. Er war ein netter Mann, allerdings gab es zurzeit weitaus wichtigeres, als sich auf meine Gefühle und auch auf seine einzulassen. Nichtsdestotrotz hatte ich zugesagt, weswegen ich jetzt dadurch musste.

Die Organisation des Treffens hatte sich weitaus schwieriger herausgestellt, als wir geahnt hatten, denn Marcus Agrippa hatte um Caesars Erlaubnis fragen müssen und dazu musste er ein Schreiben an ihn senden, da Senator zu sehr beschäftigt war, um ihn persönlich zu empfangen. Zu Agrippas Glück hatte Octavius es irgendwie angestellt, dass Lucan seinem Großonkel die Bitte überreicht und mit mir unbekannten Argumenten war Caesar überzeugt worden, so dass er uns erlaubte, auf die Straßen Roms zu treten – allerdings nicht ohne eine Eskorte aus ein Dutzend Soldaten.
Nun liefen wir also im Schatten durch den Park, während die allmählich immer höher steigende Sonne alles um uns erwärmte. Einige Meter hinter uns lief meine Leibgarde. Ich hatte auf Agrippas Bitte gehört und trug nun eine rote Tunika aus Wolle, welche um der Hüfte mit einer Schnur zusammengehalten wurde.
»Caesar gestattete mir nur unseren Ausflug, wenn ich schwor, dass ich nur eine Begleitung wäre und du aus eigenem Wunsch heraus den Spaziergang machen wolltest«, erklärte Agrippa mit einem Lächeln. »Natürlich ist das gelogen.«
»Offensichtlich, ja«, meinte ich und musste ebenfalls schmunzeln.
Stille erfüllte uns beide. Ich spürte den Kies unter den Sohlen meiner Sandalen, der bei jedem Schritt raschelte.
»Victoria, darf ich ehrlich sein?«, fragte Agrippa.
»Gerne«, sagte ich, auch wenn ich das Gefühl bekam, dass etwas folgen würde, was mich nicht sonderlich erfreuen würde.
»Seit dem ersten Moment, in dem ich dich gesehen habe, fühle ich mich zu dir hingezogen«, gestand er, ohne zu zögern, und für einen Augenblick hielt ich die Luft an. Er blieb stehen und sah mir in die Augen. Ich erwiderte es schweigend.
Rasch warf er einen Blick zu den Wachen, die ebenfalls stehengeblieben waren und sich immer wieder aufmerksam umsahen.
»Ich weiß, dass Octavius dich bereits gefragt hat«, sagte Agrippa mit gesenkter Stimmlage – als befürchtete er, dass die Soldaten uns hören könnten und ihn eine Strafe von Caesar erwarten würde. »Ich hatte ihn nicht gebeten, er hat selbstständig gehandelt. Ich finde, um von einer Heirat zu sprechen, ist es etwas zu früh – immerhin kennst du mich nicht. Dennoch hoffe ich, dass wir dies ändern könnten, um uns besser kennenzulernen, sofern du denselben Wunsch verspürst.«
Perplex stand ich da. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte damit gerechnet, tief in meinem Innern hatte ich das – aber so? Und jetzt? Ich war viel zu überrumpelt und überfordert, um etwas erwidern zu können.
»Ich denke«, begann ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte, »dass ich etwas Bedenkzeit benötige.«
Das schien mein Lieblingssatz in letzter Zeit zu sein.
Agrippa schien etwas verletzt zu sein, und ohne darüber nachzudenken, ergriff ich seine Hände. »Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag. Ich würde dich gerne besser kennenlernen, allerdings weiß ich nicht, ob ich dir das geben kann, was du dir wünschst.«
Im Nachhinein war ich stolz auf mich, dass ich dieses Mal nicht sofort 'Ja' gesagt hatte. Der Mann nickte verständnisvoll, ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Anscheinend genügte ihm meine Antwort vorerst.
Wir setzten unseren Spaziergang fort und unterhielten uns über die Schönheit der Natur, die um uns angelegt worden war. Wir sprachen über Rom, er erzählte mir etwas über die Geschichte, und zum ersten Mal in meinem Leben heuchelte ich kein Interesse vor, sondern interessierte mich tatsächlich offen und ehrlich dafür. Bei allem, was diese seltsame Reise mit sich brachte, hatte sie doch etwas Gutes – ich hatte mich verändert. Maßgeblich. Meine ganze Sicht auf die Geschichte hatte sich geändert. Ich sah ein, dass das Wissen darum wichtig war. Sie zu vergessen oder zu ignorieren, bedeutete, dass wir uns selbst vergessen würden, unsere eigene Geschichte, unsere Vorfahren und auch unsere Fehler. Denn wir lernten aus den fehlgeschlagenen Kriegen, aus den Opfern, die sie brachten, und taten alles daran, damit dies nicht noch einmal geschehen würde – auch wenn das manchmal nicht den Anschein hatte.
Jetzt verstand ich, warum meine Eltern so viel wert auf die Geschichte legten und zum ersten Mal vermisste ich sie aufrichtig. Ich empfand Reue mir gegenüber. Wie oft hatte ich sie vor den Kopf gestoßen, nur weil mein Ego größer gewesen war als das Verständnis?
Ich spürte das aufkommende Gefühl von Heimweh, während ich durch den Park ging und mit Agrippa über die Geschichte Roms sprach. Sofort verdrängte ich alle traurigen Gedanken und konzentrierte mich auf den Mann zu meiner Rechten; und während wir so nebeneinander herliefen, ertappte ich mich sogar bei dem Gedanken, in ihm meine Geborgenheit wiederzufinden.

2295 Wörter

Viktoria und Agrippa also. Was haltet ihr davon?

Und wie findet ihr die Sache mit dem Komplott, den Atia und Marcus Antonius planen?

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Die Taschenuhr - Ave Caesar! [Band 1]Where stories live. Discover now