XIII

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»Temous edax rerum.«

»Die Zeit nagt an den Dingen.«

- Ovid, antiker römischer Dichter

Stilles Schweigen herrschte am Essenstisch, während einzig und allein das Klappern des Geschirrs und des Bestecks zu hören war

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Stilles Schweigen herrschte am Essenstisch, während einzig und allein das Klappern des Geschirrs und des Bestecks zu hören war. Ich versuchte Octavius' Blicken auszuweichen, die er mir ab und an zuwarf, da er mir unglücklicherweise direkt gegenübersaß. Atia hatte ihre Haltung gestrafft und aß grazil und mit erhobenem Kinn von ihrem Teller. Sie hatte irgendetwas an sich, was ich nicht zu deuten vermochte. Doch machte es keinen guten Eindruck auf mich. Höchstwahrscheinlich hatte sie wieder etwas ausgeheckt; es würde mich zumindest nicht wundern. Auch Octavia war anwesend, die von uns allen am entspanntesten war. Sie schien von allem, was um sie herum geschah, nichts mitzukriegen. Ich war froh darüber. Noch jemanden in die Sache mit hineinzuziehen – darauf konnte ich verzichten.
Doch noch etwas ließ mich nur schwer das Essen hinunterwürgen: Agrippa. Caesar hatte ihn meiner Leibgarde zugeteilt – auch wenn ich mir sicher war, dass Atia und Marcus Antonius dahintersteckten -, und nun befand er sich ebenfalls im Esszimmer, zusammen mit zwei anderen Soldaten, die regungslos in der Ecke standen. Es war ihm untersagt, mich anzusehen oder mit mir zu sprechen, weswegen er den Blick starr nach vorne zur anderen Zimmerseite gerichtet hatte. Unangenehmer war es, dass er schräg hinter mir stand und ich mich dadurch nur noch eingeengter fühlte.
Es gefiel mir nicht, dass sich Octavius und Agrippa im selben Raum aufhielten. Ganz und gar hatte ich ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache. Es brauchte nur ein falsches Wort oder einen falschen Blick und alles würde auffliegen – jedenfalls kam es mir so vor. Ich wollte nicht, dass Agrippa etwas von dem Kuss zwischen Octavius und mir erfuhr, denn ich wusste, dass ich ihm damit wehtun würde. Sehr sogar.
»Ich habe noch einmal mit Caesar gesprochen«, erhob Atia auf einmal das Wort. Sie sah zu ihrem Sohn. »Er wird sich in Kürze mit deiner Versetzung befassen. Deine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Es ist wichtig, dass wir sie nicht aus den Augen verlieren. In ein oder zwei Wochen wirst du uns verlassen.«
Sie sagte es so, als kümmerte es sie nicht, und ich wusste auch, wieso – sie wollte Octavius und mich voneinander trennen, da es ihr keineswegs gefiel, wie gut wir uns verstanden. Dafür nahm sie es sogar auf, dass sie ihren Sohn verlassen musste.
In Octavias Miene spiegelte sich Trauer und für einen Moment unterbrach sie ihr Essen. Octavius hingegen aß weiter, als hätte seine Mutter nichts gesagt. Er wirkte unbekümmert über ihre Aussage.
»Ich wünschte, dass du zuvor mit mir gesprochen hättest, Mutter«, sagte er tonlos, ohne aufzusehen. »Doch wenn Caesar es genauso sieht, werde ich mich seinem Wunsch unterwerfen.« Nun hob er den Kopf. Seine Miene war ernst. Kein Lächeln regte sich auf seinen Lippen. »Und in Zukunft bitte ich dich, dich aus den Angelegenheiten zwischen mir und Caesar rauszuhalten. Ich bin kein Kind mehr. Ich kann für mich selbst sprechen. Damit untergräbst du meine Autorität und lässt mich schwach vor Caesar und den anderen Senatoren wirken. Das kann ich mir nicht erlauben. Ich denke, das verstehst du.«
Atias zuvor selbstsichere Miene verschwand. »Natürlich«, erwiderte sie kühl. »Tut mir leid, dass ich den gekränkt habe.«
Octavius aß wortlos weiter. Doch sein Gesichtsausdruck war starr.
»Ich denke, wir drei werden in den nächsten Monaten viel Spaß miteinander haben«, sagte Atia. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich merkte, dass sie Octavia und mich meinte.
»Ich freue mich«, gab ich mit einem aufgesetzten Lächeln zurück.
»Mir wurde erzählt, dass du und Octavius sehr viel Zeit miteinander verbringen.«
Sofort verkrampfte sich meine Haltung. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Agrippa mir einen kurzen Blick zuwarf. Ich hatte keine Ahnung, wie Octavius die Ruhe bewahren konnte, denn auch dieses Mal ließ er sich nichts anmerken.
»Stört es dich etwa, Mutter?«, gab er spitz zurück. »Ich versuche Victoria nur dabei zu helfen, sich bei uns einzugewöhnen. Einer muss es ja tun, und du bist nicht wirklich eine große Hilfe.«
Atias Kiefermuskeln spannten sich an. Ich befürchtete, dass sie im nächsten Moment laut losschreien könnte. Doch das tat sie nicht. Stattdessen setzte sie ein zuckersüßes Lächeln auf. »Ich bin froh, dass du dich so gut um sie kümmerst. Das macht einen ehrbaren Mann aus dir.«
»Ich tue es nicht der Ehre wegen.« Octavius hob den Kopf und sah mir in die Augen. Auch wenn es nur einen Lidschlag lang war, fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. In diesem Blick lag so viel mehr als Worte hätten sagen können, und am liebsten wäre ich in diesem Moment über den Tisch gesprungen und hätte ihn zu Boden geworfen, um ihn dafür zu verfluchen. Mit Sicherheit hatte auch Agrippa den Blick bemerkt, und auch Atia, und nun würden sie alles wissen. Jedenfalls sagte das mein Inneres, welches in unfassbare Panik versetzt wurde.
»Sagt mal, habe ich etwas verpasst?«, meldete sich Octavia zu Wort. »Die ganze Zeit lang keift ihr euch nur an. Können wir nicht einmal in Frieden essen und uns freundlich miteinander unterhalten, wie eine Familie es so macht?«
»Ich sehe hier keine Familie«, entgegnete Atia und trank einen tiefen Schluck aus ihrem Weinkelch. Über den Rand hinweg sah sie mich an. In ihren Augen lag etwas, was mir ein ungutes Gefühl gab – als hätte sie so eine Ahnung, was mich und Octavius anging.
Den Rest des Essens versuchte ich sie zu ignorieren, was sich als schwierig erwies. Wenigstens sprach niemand ein Wort. Als die Sklaven den Tisch abräumten und sich alle im Haus aufteilten, ging ich zurück zu meinem Zimmer – gefolgt von meiner Leibgarde. Eigentlich hätte sie vor der Tür warten müssen, doch folgte mir Agrippa hinein, ehe ich etwas sagen konnte.
»Was -«, setzte ich an, wurde jedoch augenblicklich unterbrochen.
»Was sollte das vorhin?«, unterbrach er mich sofort.
»Agrippa, du solltest gehen, bevor du in Schwierigkeiten gerätst.«
Die Miene des Mannes war ernst. »Wieso hat Atia dich bezüglich Octavius befragt? Ist irgendetwas zwischen euch?«
»Nein«, sagte ich sofort und versuchte ebenfalls ernst auszusehen. Doch war es mir schon immer schwer gefallen, zu lügen.
»Eure oberste Priorität ist also immer noch, den Komplott aufzudecken, ja?«, hakte Agrippa nach und seine Augen starrten mich eindringlich an.
»Ich ...«, begann ich, wurde jedoch von der sich öffnenden Tür unterbrochen.
»Agrippa, du solltest gehen«, erklang Octavius' Stimme.
Sein Freund wandte sich zu ihm um. »Nicht, bevor ich nicht weiß, dass ihr noch dabei seid?«
»Wo sollen wir dabei sein?«
»Das weißt du genau!« Agrippas laute, scharfe Stimme zerschnitt die Luft wie ein Messer. Mir gefiel es keineswegs, wie sich die Situation soeben entwickelte.
»Wenn du den Komplott meinst – ich werde nicht aufhören, etwas dagegen zu unternehmen«, erklärte Octavius. »Was das andere angeht – wir beide sind erwachsen genug, um diesen Kampf auf anderen Wegen auszutragen.«
So unkonkret seine Aussage auch war, Agrippa verstand sie genau.
»Also doch! Irgendetwas läuft zwischen euch beiden. Ich dachte, ich hätte mich vorhin versehen.« Er wirbelte zu mir herum. »Wie konntest du nur? Du sagtest, du bräuchtest Bedenkzeit, stattdessen hast du mich mit meinem besten Freund betrogen?«
Mir klappte der Mund auf. »Ich habe rein gar nichts! Octavius -«
»Schieb jetzt nicht ihm die Schuld in die Schuhe!«
Fassungslos sah ich Agrippa an. »Du glaubst wirklich, dass es meine Schuld gewesen war? Das ist eine ungehörige Anschuldigung! Ich habe nichts dergleichen getan! Octavius allein war der Verantwortliche!« Ich sah zu dem Betroffenen. »Sag es ihm!«
Octavius stand mit verschränkten Armen da und beobachtete das Spektakel wie ein Theaterstück. »Es war nur ein Kuss und ja, er kam von meiner Seite aus, Agrippa. Dennoch – es würde nie zwischen euch beiden funktionieren. Ihr beendet lieber das, was ihr noch nicht einmal begonnen habt.«
Entsetzt und verletzt zugleich sah Agrippa seinen Freund an. »Das ist nicht deine Entscheidung, Octavius. Ganz und gar hast du dich nicht immer in das Leben der anderen einzumischen. Ich kann nicht fassen, dass ich dir vertraut habe!«
»Du solltest gehen«, meinte Octavius nüchtern.
»Das sollte ich!« Ohne noch etwas zu sagen und ohne mich anzusehen, verließ Agrippa das Zimmer, so dass nur noch Octavius und ich zurückblieben.
»Ich fasse es nicht!«, fuhr ich ihn an. »Wie kann man nur so ein ... aufgeblasener Idiot sein?«
»Du wirst mir danken.«
»Einen Scheiß werde ich!«, fluchte ich lautstark. »Zwischen uns oder zwischen Agrippa und mir wird sich nichts entwickeln.«
Octavius zuckte mit den Achseln. »Das ist deine Sache. Aber ich sage dir, dass du nicht drumherum kommst, dich zu entscheiden.«
»Ich habe mich bereits entscheiden«, entgegnete ich mit fester Stimme. »Und zwar gegen euch beide. Ihr führt euch auf wie Kinder. Ich werde nicht bei deinen dummen Spielchen mitspielen. An erster Stelle steht der Komplott und meine Rückkehr nach Hause. Danach kommt nichts, weder du noch Agrippa.«
Octavius kniff die Augen zusammen und spannte sich an. »Victoria, irgendwas stimmt nicht mit dir. Ich verlange zu wissen, was los ist.« Er sagte es einfach frei heraus. »Immerhin habe ich dein Leben gerettet.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten«, gab ich protzig zurück.
»Du solltest dennoch mehr Respekt zeigen«, erwiderte er und war nun wieder der kühle junge Mann wie zuvor am Essenstisch. »Du wolltest es mir schon einmal erzählen, wieso jetzt nicht?«
»Aus dem selben Grund wie damals«, gab ich zurück. »Es ist so absurd, dass du es nicht glauben würdest.«
»Man hat gesehen, wie du aus dem Nichts aufgetaucht bist. Das ist absurd. Aber anhand deiner Kleidung und deiner Sprache, die du gesprochen hast, weiß ich, dass es wahr ist. Du bist keine Römerin, du kommst nicht aus Gallien. Woher kommst du?« Seine Miene war düster. Nun war es keine Bitte, es war ein Befehl, die Frage zu beantworten.
Selbstsicher hielt ich seinem Blick stand. Eine Weile schwieg ich, doch dann seufzte geschlagen. »Ich komme aus dem 21. Jahrhundert.«
Octavius sah mich nur an. Seine Miene war regungslos. Ich wusste nicht, was er von der Aussage hielt – ob er es verstand, albern oder absurd. Irgendwann fuhr er sich mit beiden Händen über sein Gesicht, als ob er das soeben Gesagte davonwischen könnte.
»Weiter«, sagte er nur.
Unsicher sah ich ihn an. »Ich bin durch ein Versehen hierher gekommen und habe mit meinem Erscheinen deinen Onkel gerettet. Ich habe dadurch die ganze Geschichte verändert, denn Gaius Julius Caesar war dem Tode geweiht. Er wäre an diesem Tag ermordet worden, nicht Brutus, nicht die anderen. In meiner Zeit war er ein bekannter Konsul und Diktator, wie bei euch jetzt auch, nur war sein Tod ebenso bekannt, da er von Freunden verraten und ermordet worden wäre.«
Ich schluckte schwer. Alles zerrte und schrie an mir, das Folgende nicht zu sagen. Octavius hatte sich mir mittlerweile zugewandt. Er war blass und wirkte fassungslos.
»Du wärst nach Caesars Tod der erste Kaiser Roms geworden. Du wärst als Augustus in die Geschichte eingegangen. Hauptsächlich unter diesem Namen kannte ich dich. Ich kann dir nicht mehr erzählen, denn ich weiß nicht mehr. Ich habe Geschichte verabscheut.« Ich lachte leise – ein verzweifeltes Lachen. »Es ist einfach unglaublich.« Ich ließ mich auf die Bettkante sinken und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. »Es ist ... es ist ...« Ich sah Octavius an. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
Da spürte ich Octavius' Händen auf meinen. Er zog sie hinunter, so dass ich ihm ins Gesicht sah. Der Junge hockte vor mir. Er schien die Sache besser aufgenommen zu haben, als ich zuvor gedacht hatte.
»Es wird alles gut werden. Wir werden schon irgendeine Lösung finden«, sprach er mit ruhiger Stimme auf mich ein.
Ich schüttelte den Kopf. »Du verstehst das nicht! Mit der Zeit zu spielen ... es gibt so viele Schriften«, ich sagte absichtlich Schriften, da es das Wort 'Film' noch nicht gab, »darüber, was passieren könnte. Alle Enden schlecht. Wie soll ich das wieder in Ordnung bringen? So schlimm das auch klingt, dein Onkel hätte sterben müssen, du wärst Kaiser geworden – und durch mein Auftreten ist alles zerstört.«
»Wir werden ...« Octavius atmete tief durch – er schien selbst nicht genau zu wissen, was zu tun war. »Wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir.«
»Versprich nichts, was du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einhalten kannst«, sagte ich und erhob mich. »Alles zieht an mir: Ich möchte unbedingt hierbleiben -«
»Dann tu es!«, rief der Junge und stand abrupt auf. »Bleibe hier. Bei mir. Wir könnten zusammen neu anfangen. Es ist mir gleichgültig, dass ich kein Kaiser bin, solange du bei mir bist ...«
Ich lachte und schüttelte einerseits fassungslos, andererseits verneinend den Kopf. »Weißt du eigentlich, was du da sagst?« Das klingt wie aus einem schlechten Liebesfilm, sprachen meine Gedanken weiter, doch ließ ich diesen Teil im Stummen. »Octavius, ich gehöre nicht hierher. Ich bin kein Wissenschaftler, aber mein logisches Verständnis reicht dafür, um zu wissen, dass Zeitreisen gefährlich sind. Man ändert nicht nur die ganze Geschichte, man kann sich selbst verlieren, seine Existenz auslöschen und derer unzähliger anderer Menschen.«
»Aber du hast ein Leben gerettet! Ohne dich wäre mein Onkel tot.«
»Ja!«, rief ich – allmählich verzweifelte ich. »Er wäre tot, wenn ich es nicht verhindert hätte. In meiner Zeit war er einer der berühmtesten Menschen – jeder kannte seine Todesszene. Weißt du, was mein Eintreten für eine Auswirkung hat? 'Gaius Julius Caesar ist an Altersschwäche gestorben' - so wird es nun heißen. 'Sein Neffe Octavius heiratet die Retterin, die zufälligerweise aussieht wie Elizabeth Victoria Meyer'. Meine Eltern werden begeistert sein. Aber vor allem werden sie sich ihr ganzes restliches Leben Gedanken darum machen, was mit mir geschehen ist. Oder, wer weiß, vielleicht werden meine Eltern gar nicht mehr geboren, weil ich durch mein Erscheinen eine Kettenreaktion auslöse, die nicht nur dein Leben, sondern das der gesamten Bevölkerung Roms geändert, und somit auch der folgenden Stämme, habe. Klingt das für dich nach einem wunderbaren Leben aus Lust und Liebe, nur damit du mit mir zusammen sein kannst?«
Octavius trat einen Schritt hervor. »Ich verstehe das Problem, aber -«
»Und genau weil du »aber« sagst, weiß ich, dass du es nicht verstanden hast«, unterbrach ich ihn und ohne eine Antwort abzuwarten, sprang ich auch und verließ ich den Raum.

2318 Wörter

Und sie hat es getan - sie hat Octavius die Wahrheit erzählt 😱

Glaubt ihr, das war eine gute Idee?

Die Taschenuhr - Ave Caesar! [Band 1]Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum