XIV

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»Horae quidem cedunt et dies et menses et anni; nec praeteritum tempus umquam revertitur; nec quid sequatur sciri potest!«

»Die Stunden entschwinden und mit ihnen die Tage, die Monate, die Jahre; und die vergangene Zeit kehrt weder je zurück, noch kann man herausfinden, was die Zukunft bringt!«

- Cicero, römischer Politiker und Philosoph

Im Deutschunterricht hatten wir einmal das Zitat von Marcus Tullius Cicero behandelt, ein römischer Politiker, der, wie ich während meiner Zeit im Antiken Rom erfahren hatte, ebenso zusammen mit Brutus hingerichtet worden war, da er am Attentat an...

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Im Deutschunterricht hatten wir einmal das Zitat von Marcus Tullius Cicero behandelt, ein römischer Politiker, der, wie ich während meiner Zeit im Antiken Rom erfahren hatte, ebenso zusammen mit Brutus hingerichtet worden war, da er am Attentat an Caesars beteiligt gewesen war.
»Horae quidem cedunt et dies et menses et anni; nec praeteritum tempus umquam revertitur; nec quid sequatur sciri potest!«, so hieß es, was so viel bedeutete wie: »Die Stunden entschwinden und mit ihnen die Tage, die Monate, die Jahre; und die vergangene Zeit kehrt weder je zurück, noch kann man herausfinden, was die Zukunft bringt!«
Es war beinahe zum Lachen, denn eigentlich müsste ich doch wissen, wie die Zukunft aussah. Doch ich tat es nicht, denn ich hatte Vergangenheit und somit auch die Zukunft verändert. Obwohl es nur Caesars Leben war, welches ich gerettet hatte, hatte ich eine Kettenreaktion ausgelöst.
Was würde sie wohl für Folgen haben? Welche Kinder werden nicht geboren werden? Welche Menschen mussten sterben, weil dieser Mann lebte? Welche Kriege würden geführt werden, oder auch nicht, weil nicht Octavius Kaiser von Rom war?
Fragen, auf die ich keine Antworten wusste. Jedenfalls nicht, wenn ich in der Vergangenheit blieb.
Doch allmählich wurde die Vergangenheit mehr zur Gegenwart, mit jedem Tag, den ich hier verbrachte. Hierzubleiben, machte die Sache nur noch schlimmer – immer mehr Dominosteine stürzten durch meine Anwesenheit um. Wenn ich noch größeres Pech hatte, würde ich im 21. Jahrhundert in einem Lehrbuch für die Schule stehen. Auch wenn ich Octavius liebte, eine Hochzeit würde eindeutig in den Geschichtsunterricht eingehen. Und nicht nur das: Der sogenannte Butterflyeffekt; jede Handlung, jede Wahl eines anderes Weges löste eine neue Weggablung aus, einen neuen Dominostein, eine neue Geschichte. Die Kettenreaktion: Man musste nur einen Stein umwerfen und dieser riss andere zu Boden. Egal, was ich tat, es hatte maßgebliche Folgen.
Aber wie sollte ich zurück nach Hause kommen? Nun. Viele von euch hätten jetzt wahrscheinlich an ein Portal gedacht, doch es gab nur eine einzige Sache, die ich während meines Aufenthaltes hier vollkommen vergessen hatte – die Taschenuhr. Und ausgerechnet dieses Artefakt war verschwunden. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wo ich die Uhr das letzte Mal gesehen hatte, und somit war mein Weg zurück in die Gegenwart erst einmal versperrt.
Die Tür meines Zimmers wurde geöffnet und Lucan trat herein. Demütig verbeugte er sich, während ich mich mit einem verwunderten Blick von dem Schreibtisch erhob.
»Wenn Ihr mir bitte folgen würdet«, sagte er ohne ein Wort der Erklärung.
Fragend zog ich die Stirn in Falten, erwiderte jedoch nichts und folgte ihm in den Eingangsbereich, wo Atia, Octavius, seine Schwester und Marcus Antonius warteten. Doch derjenige, der mich am meisten stutzen ließ, war Caesar selbst.
»Was verschafft mir die Ehre?«, wollte ich überaus verwirrt wissen.
»Victoria, meine Liebe.« Caesar ergriff meine Hand.
Perplex starrte ich den Mann an. »Was hat das zu bedeuten?« Schon bevor Caesar antwortete, wusste ich, dass nichts Gutes folgen würde.
»Mein Neffe meinte, ich solle dich am Leben lassen und die Macht der Götter, die in dir wohnt, anders aufnehmen«, begann der Mann. »Ich hatte die Erkenntnis, dass ein Bündnis zwischen uns beiden das Einzige ist, was uns und den Menschen helfen wird. Ein Sohn mit der Macht einer Göttin und eines Menschen sind die höchste Macht auf der Erde.«
Augenblicklich klappte meine Kinnlade hinunter. Ich hatte sofort verstanden, worauf er anspielte – eine Heirat. Caesar wollte, dass ich ihn heiratete!
Ich wollte etwas erwidern, doch kamen keine Worte aus meinem Mund. Hilfesuchend blickte ich zu Octavius, der auf einmal von seiner Mutter verdeckt wurde, die sich triumphierend grinsend vor ihn schob. Octavia schien das Ganze nicht zu kümmern; eine ausdruckslose Miene zierte ihr Gesicht. Marcus Antonius hingegen trug dasselbe Grinsen wie Atia.
Als ob er nicht dahintersteckt ..., schoss es mir durch den Kopf, und nur mit Mühen konnte ich mir einen Kommentar verkneifen.
»Heute Abend wird die Verlobungsfeier stattfinden«, verkündete Caesar hocherfreut und zog somit wieder meine Aufmerksamkeit auf sich.
»Aber was ist mit Calpurnia?«, fragte ich eilig, während ich den quengelnden Unterton kaum unterdrücken konnte.
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen machen. Ich werde mich darum kümmern.« Caesars Lächeln wurde breiter, und er küsste meine Hand und ging davon, ehe ich noch etwas erwidern konnte.
Hilflos sah ich zu Octavius, welcher sich schweigend abwandte und seinem Onkel folgte. Er ließ mich allein zurück mit Atia, die mich mit funkelnden Augen und einem spöttischen Grinsen musterte. Dann klatschte die Frau in die Hände und sofort eilten einige Sklavinnen herbei.
»Lasst ein Bad für Victoria ein und bringt ihr eines meiner besten Kleider. Sie soll heute Abend wie eine Prinzessin aussehen, nicht wie eine Ziege.« Atia warf mir noch ein zwieträchtiges Lächeln zu und verschwand dann ebenfalls.
Während ich zum Baderaum ging, schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf.
Was hatten Atia und Marcus Antonius davon, wenn ich Caesar heiraten würde? Rein gar nichts, und das verwunderte mich. Sie mussten also etwas anderes geplant haben, und ich hoffte innerlich, dass dieser Plan nicht meinen Kopf kosten würde.

Die Taschenuhr - Ave Caesar! [Band 1]Where stories live. Discover now