💫 10. Kapitel

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Leise blätterte ich die nächste Seite in meinem Buch um. Kane lag noch neben mir und schlief tief und fest, während ich beschlossen hatte, ein Buch zu lesen. Gestern war nicht mehr recht viel passiert und wir hatten unsere Diskussionen beiseite gelassen, auch, wenn ich darauf bestanden hatte, dass er mir wenigstens alles sagte, was er wusste. Ich wusste jetzt, dass Josh an der Grenze zum Wald gesehen worden war, aber seine Spuren weiter geführt hatten. Er war nicht mehr in der Nähe. Da waren sich alle ziemlich sicher. Und dennoch beschlich mich noch immer so ein ungutes Gefühl, wenn ich an Josh dachte. Josh würde niemals aufgeben. Niemals.
Diese Erkenntnis ließ eiskalte Schauer meinen Rücken hinunter jagen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, während mir eiskalt wurde. Josh war niemand, der Ruhe gab. Nicht, bis er das hatte, was er wollte. Schnell schüttelte ich diese düsterten Gedanken ab und widmete mich wieder Roth und Layla. Mein Herz zog sich bei Roths Wörtern zusammen, während mir bewusst wurde, dass er log um sie zu schützen. Ich seufzte. Gab es auch noch Situationen in denen die Typen nicht lügen mussten, um die Mädchen zu schützen? Vermutlich nicht... Leider. Neben mir grummelte jemand. Ich ermahnte mich ab jetzt, still zu sein. Doch ich wusste, dass das bei Roth nicht möglich sein würde. Nicht, wenn er wieder solche geilen Sprüche bringen würde. »Du bist nicht nur stur, sondern auch noch verrückt«, hörte ich Kane sagen. Seine Stimme war rau und tief. Eine Gänsehaut machte sich auf meinen Armen breit und da ich nur ein Shirt trug, sah er sie ganz sicher. Langsam drehte ich mein Gesicht zu ihm. »Sagt der, der was im Wald überprüfen musste. Und sich damit in Gefahr gebracht hat, weil da draußen ein großer Wolf rumläuft«, konterte ich und rollte mit den Augen. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr und erstarrte. 07:05 Uhr. Gut, vielleicht war das etwas früh, um ein Buch zu lesen, aber ich hatte nicht mehr schlafen können.
Ständig war der Wolf in meinen Gedanken aufgetaucht.

»Ist das Buch so spannend, dass man es schon so früh am Tag lesen muss?«, fragte er nach und zog eine Augenbraue hoch, als er das Cover betrachtete. Ich nickte. »Mehr als spannend«, sagte ich und begann wieder zu lesen. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie Kane die Arme hinter seinem Kopf verschränkte und mich beobachtete. »Um was geht es?« Ich seufzte. »Ließ doch den Klappentext vom ersten Teil.« Er bewegte sich und schnappte sich doch tatsächlich den ersten Teil und las sich doch wirklich den Klappentext durch. Verblüfft beobachtete ich ihn dabei. Sah, wie seine dunklen Augen über die Wörter flogen und sich langsam aber sicher ein schiefes Grinsen auf seinen Lippen zeigte. Dann sah er auf. »Ich wette ja, dass du den Dämon magst. Wie auch sonst?« Ich sah ihn an und schnaubte, dann las ich weiter. »Dafür musst du dich nicht schämen. Das ist doch klar. Wir verlieben uns immer in das, was wir nicht haben können, oder das, was gefährlich ist.« Seine Worte trafen mich. Ja. Vermutlich hatte er recht. Ich sah auf. »Roth ist gar nicht so übel und auch nicht so egoistisch wie du denkst. Er ist ganz anders«, sagte ich dann und sah ihn an. Er grinste nur.
»Okay. Ich werde jetzt eine Dusche nehmen und dann etwas mit meinen Jungs besprächen. Wir wollen wirklich sichergehen, dass Josh weit weg ist, weswegen Hunter hier bleiben wird. Und diesmal bleibst du bitte auch hier. Ich verspreche dir, dass ich dir alles erzählen werde«, erklärte er und stand auf. Erschrocken stellte ich fest, dass er nur eine Unterhose trug. Mein Mund wurde trocken und ich konnte meinen Blick nicht von seinem Oberkörper nehmen. Meine Augen glitten über seinen muskulösen, braungebrannten Bauch, hinweg über seine starken Arme, bis hin zu seinem Tattoo, welches unter der Unterhose noch weiter zu gehen schien. Das Tattoo bestand aus einem Kompass und einer Rose. Dazu gab es ein Banner, auf dem stand: Survive. Ich verstand nicht genau, wieso Kane dieses Tattoo besaß. Hatte er etwas Schlimmes überstehen müssen? Dann glitt mein Blick auf seine Brust. Auf seiner rechten Brust standen vier Wörter in geschwungener Schrift, die mein Herz trafen.

No rain no flowers

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Diese Worte drückten aus, dass Kane schon gelitten haben muss und diese Tatsache gefiel mir nicht. Und das wiederrum störte mich. »July«, riss mich Kanes Stimme aus meinen Gedanken. Seine Stimme war rau und tief und jagte einen Schauer über meinen Rücken. Mein Herzschlag beschleunigte sich wie von selbst, als ich aufblickte und in seine Augen sah, die nun dunkler zu sein schienen. »Ja?« Meine Stimme war nur ein leises Hauchen. Ein schiefes Grinsen schmückte seine rosigen Lippen. »Du hast den Rest deines Lebens, mich anzustarren und mich anzugaffen. Wie oft muss ich das noch sagen?« Man hörte deutlich, wie sehr in diese Situation doch amüsierte. Trotzig wie ein Kind verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. »Ich habe mir nur deine Tattoos angeschaut.« Er grinste breit. »Okay, dann wirst du diesen Anblick ja nicht vermissen«, damit zog er sich ein Shirt über und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht schade fand. Doch das würde ich nicht zugeben. Nicht jetzt. Nicht vor ihm. »Nein, ich vermisse es nicht wirklich«, sagte ich dann und sah ihn ernst an.
»Schon klar, July. Rede dir das nur weiter ein. Eines Tages wirst du es ganz von selbst zu geben«, sagte er und schnappte sich frische Kleidung. Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, was ihn allerdings nur leise zum Lachen brachte. »Bis später.« Er zwinkerte mir zu und lief zur Türe. In dem Moment fiel mir etwas ein. »Hältst du dein Versprechen auch, Kane?«, erkundigte ich mich bei ihm. Er hielt inne und drehte sich zu mir um. Er wirkte ernst, als er sagte: »Das wirst du wohl herausfinden müssen, indem du mir vertraust. Meinst du nicht?« Kurz darauf verschwand er aus dem Zimmer und ließ mir keine Chance, ihm auch nur zu antworten. Seufzend sah ich zu, wie Tür hinter ihm ins Schloss fiel, dann las ich weiter.

Her destiny ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt