Kapitel 18

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Es war Club-Night, wie mittlerweile jeden Samstag. Cami spielte das beste von R'n'B, Hip Hop und teilweise auch Rap. Die tanzende Meute liebte es und es war wieder voll. Draußen warteten noch mehr Leute, dich wir konnten sie nicht reinlassen. Es war einfach zu voll. Leon, Luke und ich kamen an der Bar so schon kaum hinterher und auf der Tanzfläche konnte man sich kaum bewegen.
Jedes Mal wenn Luke nah an mir dran stand, blieben die versehentliche Berührungen aus, mit denen ich fest gerechnet hatte. So lief das schon den ganzen Abend.
War ich enttäuscht? Nein, ich wollte das so.
Es gehörte hier einfach nicht her.
Redete ich mir jedenfalls ein.
Tatsächlich sehnte sich ein ganz kleiner Teil in mir danach.

Wollte seine Küsse.

Wollte seinen Berührungen.

Wollte seine zweideutigen Bemerkungen.

Wollte ihn.

„Wo sind Shany und Samy?", erkundigte sich Leon dicht an meinem Ohr und trotzdem konnte ich ihn durch die laute Musik kaum verstehen. Es war Schichtwechsel. Die beiden sollten mich und Leon ablösen und später sollte Luke dann Cami ablösen. Langsam ließ ich meinen Blick durch den ganzen Raum schweifen, während ich heute den gefühlt hundertsten Cuba Libre mixte.

Kein Samy. Keine Shany.

Ich zuckte unwissend mit den Schultern und als Leon Luke fragte, der es mir gleich tat, bedeutete ich den beiden, dass ich mal schauen gehen würde.

Wir hatten sicherlich alle ein freundschaftliches Verhältnis.
Nun gut, mit einem mehr, mit einer weniger. Aber trotzdem wird sich an Absprachen gehalten und ich gönnte es mir wenigstens, dass Shany dafür von mir Ärger bekommen würde.

Auf dem Weg zur den Toiletten stieß ich heftig mit einem der Gesuchten zusammen. „Wo zur Hölle warst...", ich stockte, als in Samys Augen sah. Der Blick, den ich aus meinen Träumen kannte, jedes Mal wenn ich ihm das Herz brach.

Eine Mischung aus Schmerz, Wut und Enttäuschung führten einen erbitternden Kampf.

„Samy, was ist los?", fragte ich besorgt und berühre leicht seinen Arm.
„Shany...", er stockte, als wenn er es nicht aussprechen könnte. Als würden ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, die Worte fehlen.

„Sie war mit einem anderen Kerl auf der Herrentoilette und...", spuckte er endlich aus, verlor jedoch wieder sein Sprachvermögen.

Ich wusste es.

Ich wusste, was er sagen wollte.

Ich wusste, was er gesehen hatte.

Ich wusste, was in ihm vorging.

Ungewollt überfluteten Erinnerungen mein Gehirn und ließ mein Herz den altbekannten Schmerz fühlen. Ich erschauerte heftig.

Plötzlich flog die Tür hinter ihm auf und eine aufgelöste Shany trat heraus und lief auf Samy zu. Tränen rannen über ihr Gesicht, während ihre Schminke schon komplett verlaufen war.

Leicht schob ich Samy zur Seite und tat das einzig richtige.

Etwas, das er nicht hätte tun können.

Etwas, von dem ich dachte, dass ich es niemals tun könnte.

Etwas für ihn.

Etwas für mich.

Mit einem heftigen Knall traf mein Hand hart ihre Wange, härter als ich erwartet hätte. Härter, als ich es für möglich gehalten hätte.

„Mary.", flüsterte Samy erschrocken.

„Pack deine Sachen und verpiss dich. Sollte ich dich hier jemals wiedersehen, solltest du jemals wieder in Samys Richtung atmen, mache ich dir dein kleines, erbärmliches Leben zur Hölle, du dreckige Schlampe.", brach es wütend aus mir heraus. In meinem Ton lag so viel Kälte, dass sogar mir fast die Adern gefroren wären, während die immer noch weinenden Shany überrascht ihre knallrote Wange tätschelte.

Ich war mindestens genauso erschrocken über mich, wie Samy und nun bemerkte ich auch das Luke ein paar Meter hinter uns stand und sowohl seine Augen, als auch die von Cami am DJ-Pult und die von Leon und Lina, die als Ersatz an der Bar eingesprungen war, alles verfolgt hatten.

Auch ein paar andere Blicke waren flüchtig zu uns gehuscht, schauten aber schnell wieder weg.

Plötzlich zog mich Samy in eine enge Umarmung. „Warum hast du das getan?", fragte er. Sein Ton war keinesfalls mehr überrascht, geschweige denn wütend. Er war dankend.

Weil ich mir gewünscht hätte, dass das jemand für mich getan hätte, als ich in der Situation war und es nicht tun konnte.

„Weil du es nicht tun konntest.", sagte ich ganz selbstverständlich, während ich seine Umarmung liebevoll erwiderte. Er hatte sich damals nicht richtig verhalten, aber jetzt gerade wünschte ich mir, dass ich ihm diesen Schmerz nehmen konnte. Den Schmerz, den ich nur selber nur allzu gut kannte. Von dem ich wusste, das er einem den Boden unter den Füßen wegreißen konnte.

Während dieser langen Umarmung bemerkte ich, dass Cami Luke bedeutete ihren Platz einzunehmen. Langsam löste ich mich von Samy, in dessen hellen grünen Augen der Schmerz noch immer nicht gewichen war und kam ihr auf halben Weg entgegen. „Geht nach oben. Den Rest des Abends schaukeln wir schon irgendwie alleine.", raunte ich ihr im Vorbeigehen zu und Cami nickte dankbar.

Shany hatte ich nicht mehr gesehen. Nun zierte sie Platz 3 meiner Liste der Menschen, die ich in meinem Leben niemals wiedersehen wollte. Aber wie das im Leben manchmal so ist, nicht wahr?

Der Abend war gelaufen, ich hatte abgeschlossen und war gerade auf dem Weg nach oben. Ich konnte deutlich die Nachwirkungen des fehlenden Schlafes und des Abends spüren. Ich war angespannt und erschöpft.
Ein unverkennbarer Körper drückte sich plötzlich an meinen und Hitze gegen meine eisige Mauern, während mich von hinten zwei Arme umschlossen. Anspannung und Erschöpfung waren wie weggeweht.
„Ich wusste nicht, dass du so schlagfertig sein kannst.", raunte Luke leise und dunkel an mein Ohr und diese Stimme in Kombination mit dem Atem an meinem Hals, verpassten mir schlagartig Gänsehaut.
„Das finde ich echt sexy."
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen.
„Ich meine mich zu entsinnen, dass wir heute bereits das Vergnügen hatten, Luke.", gab ich gespielt trocken zurück. Leicht lockerte sich sein Griff und ich nutzte die Gelegenheit mich zu befreien.
Ich drehte mich zum ihm um, um mal wieder vor seinem Anblick zu stocken. Ungeniert musterte ich seinen ganzen Körper. Luke sah viel zu gut aus. Und registrierte natürlich breit grinsend meine wandernden Blicke.
„Einmal ist bekanntlich keinmal, Baby.", sagte er kokett und trat näher an mich ran.

„Meine Regeln, Baby.", gab ich genauso kokett zurück und betonte das letzte Wort besonders deutlich. Dann machte kehrt und lief die Treppen zur oberen Etage hoch.

Als meine Hand gerade die Türklinke berührte, stoppte er mich.

„Wann lässt du es endlich zu?"

Lukes Frage schallte unheimlich laut in dem leeren Club unter mir wieder. Was glaubte ich Wut darin zu hören, doch als ich verwundert zu ihm runterschaute, war davon nichts zu sehen. Er stand immer noch da wo wir vorher gestanden hatten, wenige Meter vom Treppensims entfernt, sein Blick nur auf mich geheftet.

„Deine Gefühle."

Ich stieß langsam Luft aus und schüttelte den Kopf, während ich die Tür öffnete und hinter mir ins Schloss warf.

Niemals.

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