Rückkehr

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Die Luft war voll von Abgasen, stinkenden Auswirkungen der Verkehrsmittel der Muggel, schwelend in der Hitze. Draco sog sie dennoch gierig in seine Lungen ein. Ewigkeiten lang hatte er nichts als den Geruch des Meersalzes, des eisigen Windes und des groben Sandes, der sich manchmal in seine Zelle verirrte, spüren dürfen. Die Jahreszeiten gingen scheinbar spurlos an Askaban vorüber, und dass er nun endlich die Gelegenheit bekam, Anderes zu fühlen, in London, der Stadt, die er so unglaublich vermisst hatte, verdreifachte sein Glück.

Geschäftig eilten die Menschen um ihn herum, emsig wie ein Bienenstock, der fleißig seine Arbeit zu verrichten hatte. Niemand schenkte ihm große Beachtung – für viele der Passanten war er bloß ein etwas dünn geratener Mann, der an einem Arm seine Freundin führte. Er ließ all die altvertrauten, und doch so neu scheinenden Empfindungen auf sich einstürzen, warf sich in ihren reißenden Strom und ließ sich von ihnen fortschwemmen. Fort, zu den Erinnerungen an glücklichere Tage.

An Kinderkarusselle, Zuckerwatte, Spaziergänge durch Parks, erste magische Versuche. Sein Vater hatte Anstoß daran genommen, dass seine Mutter ihn als Kleinkind zu Vergnügungsstätten der Muggel brachte, doch Narzissa hatte darin keinen Schaden gesehen, solange er gleichzeitig auch im richtigen Geiste erzogen wurde.

Im richtigen Geiste... Das hatte er nicht denken, sich nicht dessen entsinnen wollen, aber nun kamen die Erinnerungen immer schneller, nicht mehr im gleichmäßigen Fluss, sondern als ertränkende Strömung. Seine Gedanken hasteten voran, nach Hogwarts, näher an die dunkleren Tage, immer näher, bis er auf einmal die Schreie zu hören glaubte, die Tragödien, die Toten... Fünf Jahre lang hatte er an nichts Anderes denken können als seine eigene Schuld, und nun schien es ihm als wäre sie ein Teil von ihm. Den er nie mehr würde loslassen können.

Er blieb stehen, nahm Astorias besorgtes Gesicht kaum wahr, starrte leer vor sich hin als das Gefühl der Schutzlosigkeit übermächtig wurde. Seine Knie zitterten, er stützte sich an der Wand neben ihm ab, ehe er sie ganz langsam hinabglitt. „Draco!" Astoria bückte sich nach ihm, mit ausgestreckten Händen, und diesem bestürzten, ganz speziellen Astoria-Ausdruck, den er schon nicht an dem Tag ertragen hatte, als sie ihn aufgegeben hatte. Im sechsten Jahr in Hogwarts, es schien ihm wie eine unendlich lange Zeit her zu sein, der Tag, an dem ihre Freundschaft zerbrochen war.

Astoria legte ihre Hand an Dracos Wange, die Augen voller Angst, und wirkte einen Tarnzauber um sie herum. Als sie sicher war, dass keiner der Muggel sie mehr sehen konnte, legte sie ihren Arm um Dracos Hüfte und disapparierte, vor die Tore des Malfoy Manor.

Er hatte nicht sofort hierher zurückkehren wollen. Er hatte zuerst seine Freiheit genießen wollen, für einige kostbare Stunden. Ohne mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Doch sie schien ihm ohnehin überallhin zu folgen.


Die Gemälde im Salon seiner Eltern kamen Draco grotesk vor. Nach dem Sturz Voldemorts hatte seine Mutter neu dekoriert, um auch noch den letzten Gedanken an die vergangenen Verbrechen aus dem alten Gebäude zu vertreiben. Doch die moderne Dekoration gab ihm nicht das Gefühl, heimgekehrt zu sein, sondern in eine andere Welt.

Andererseits... Eine neue Welt wäre vermutlich nicht schlecht. Die alte war ohnehin vor die Hunde gegangen.

Astoria reichte ihm ein Taschentuch, als er mit der Tasse auf dem Unterteller klapperte, und so ein wenig Tee verschüttete. Er wich ihrem Blick aus, doch konnte auch seiner Mutter nicht in die Augen sehen, die genau so unerträglich mitleidig dreinblickte. Schließlich meinte er hastig: „Ich bin eigentlich sehr müde. Macht es euch etwas aus, wenn ich schlafen gehe, und wir morgen... reden?"

It's always Darkest Before the DawnWhere stories live. Discover now