Hintergründe

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Astoria erwog ernsthaft, sich taub zu stellen. So zu tun, als wäre sie nicht hier – oder in der nächsten Sekunde aus ihrer Wohnung zu disapparieren. Den Knall würde man auf der anderen Seite der Tür zwar garantiert hören, aber sie könnte ja behaupten, dass sie das Klopfen nicht mitbekommen hatte.

Ehe sie diesen Plan jedoch in die Tat umsetzen konnte, sprach Lucius Malfoy mit tödlich sanfter Stimme: „Miss Greengrass, ich weiß genau, dass sie zuhause sind. Warum ersparen sie uns beiden nicht diese unerfreuliche Scharade, und öffnen die Tür?"

Dann eben nicht. Es gab ja doch kein Entrinnen.

Sie hatte wirklich kein Interesse daran, die Ereignisse des heutigen Abends mit ihm zu besprechen. Sie bezweifelte zwar, dass Lucius wusste, was geschehen war, oder dass er deswegen hier war – andererseits hatte der Mann die unangenehme Angewohnheit, Dinge zu wissen, die ihn nichts angingen. Schon immer.

***

Der Regen verschlechtert die Sicht, die durch den dunklen Schleier ohnehin schon fürchterlich ist. Dennoch wagt Astoria es nicht, ihre Maskerade abzulegen. Zwar hat sie ihre Haarfarbe verändert, und ist in riesige dunkle Umhänge gehüllt, die ihre Gestalt ganz verbergen, aber dass sie jemand erkennt, ist dennoch nicht ganz auszuschließen. Auch wenn ihr Klientel normalerweise nicht aus Angehörigen der höhergestellten Gesellschaft besteht, verkleidet sie sich jedes Mal aufs Neue. Das einzige Wiedererkennungsmerkmal ist der dunkelblaue Beutel mit aufgestickten Sternen an ihrer Hüfte, in dem sie ihre selbstgezogenen Pflanzen aufbewahrt.

Geriebene Teufelsschlinge, Alraunenwurzel und Tentacula-Samen gehören zu ihren Verkaufsschlagern, aber auch einige weniger bekannte Pflanzen hat sie dabei. Jedes Mal, wenn sie ihre Erzeugnisse in eine zitternde Hand drückt, und dafür Geld annimmt, meldet sich ihr schlechtes Gewissen. Jedes Mal, wenn sie glasige Augen und hektische Bewegungen erspäht, schreit es in ihren Gedanken: „Du bist eine Heilerin!" Außerdem könnte es sie ihre Anstellung kosten, wenn das St. Mungo jemals herausfindet, was sie tut. Aber bis jetzt ist es ihr gelungen, ihre Tätigkeiten zu verschleiern, und sie wiegt sich schon fast in Sicherheit, nachdem sie ihr letztes Geschäft abgewickelt hat, und disapparieren möchte. So lange, bis sie jemand am Arm packt. Sie fährt herum, den Zauberstab bereit, die Formel für einen Vergessenszauber schon auf den Lippen. Falls es ein Auror ist, sind ihre Chancen nichtig, aber wenn es sich bloß um einen Beobachter handelt, der sie verraten will, dann kann sie ihn vielleicht abschütteln.

Sie erstarrt, als sie in das Gesicht von Lucius Malfoy blickt. Er hat seinerseits seinen Stab gezogen, und ein tadelndes Lächeln auf den Lippen, bei dem ihr übel wird. Dennoch klammert sie sich an die Hoffnung, dass er sie noch nicht erkannt hat. Vielleicht hat er ja von ihrem Ruf gehört, und will etwas bei ihr kaufen – demzufolge, was in allen Zeitungen immer noch über ihn geschrieben wird, würde es sie nicht überraschen.

Mit rauer, verstellter Stimme schnauzt sie unfreundlich: „Was wollen Sie?" und zieht sich gleichzeitig den Schleier tiefer ins Gesicht.

„Ich dachte, wir beide könnten ins Geschäft kommen, Miss Greengrass. Wie ich höre, hat Ihre Familie finanzielle Schwierigkeiten durchzustehen." Also hat er sie doch erkannt. Sie verflucht sich, hätte vorsichtiger sein müssen, vielleicht Vielsafttrank verwenden sollen. Aber nun hat sie keine Chance mehr, ihn abzuschütteln, und es ist vielleicht besser, zu hören, was er zu sagen hat. Und was er weiß.

Sie ruckt unwillig mit dem Kopf. „Nicht hier, Mr. Malfoy.". Sie bietet ihm ihren Arm an, den er ohne zu zögern ergreift – er hat anscheinend immer noch großes Vertrauen in seinen Namen und dessen Macht – und disappariert geräuschvoll.

It's always Darkest Before the DawnWhere stories live. Discover now