Time For Change

Kapitel 95

Joan

Es war einige Zeit vergangen, seitdem ich das letzte mal bei den Guns war, seitdem ich im Krankenhaus war und seitdem ich auch nur einen Tropfen Alkohol zu mir genommen hatte.

Ich war stolz auf mich, endlich wieder clean zu sein, doch trotzdem umgab mich eine Leere und Stille, vor allem in meiner Wohnung.
Während meines Entzugs log ich mich selbst an, lebte mit einer Illusion.
Angie würde zurückkommen, wenn sie erstmal hören würde, dass ich einen Entzug machte. Angie würde das schon von irgendjemandem erfahren. Von wem sollte sie es aber erfahren, denn ich hatte so gut wie niemanden mehr. Meine neuen Freunde waren alle in meiner Entzugsgruppe und keiner von ihnen hatte auch nur ansatzweise Kontakt zu Angie Summers.

Das Leben in der Klinik hatte mir neues Leben und neuen Mut eingehaucht. Ich hatte das erste Mal seit Monaten wieder Pläne mein Leben zu leben. Ich wollte wieder dahin, wo ich einmal war.
Aber würde ich das ohne Angie schaffen?
Es war an der Zeit damit zu leben, dass sie weg war. Ich konnte sie nicht einfach wieder herbeizaubern.

Nachdem ich die Klinik erfolgreich verlassen konnte, setzte ich es mir als Ziel, Angies Zimmer zu betreten. Seit mehr als einem halben Jahr war ich dort nicht mehr drin. Der Schlüssel zu ihrem Zimmer lag noch immer im Briefumschlag, den ich damals eigentlich Brian geben wollte. Das ist nie geschehen und dafür war ich mir in diesem Moment dankbar.

Es dauerte eine Weile bis ich endlich wieder vor unserer Haustür stand, denn ich war auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen um nach Hause zu kommen.
Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür und atmete tief ein. Es roch noch immer wie damals und innerhalb von Millisekunden wurde ich von Erinnerungen überschwemmt.

Unsere Hausparties mit Mötley Crüe.
Joe Perry, der einfach so mir nichts dir nichts vor der Haustür stand.
Brian...

Ich schob die Gedanken beiseite, nahm meine Koffer und brachte sie in mein Zimmer. Überall war es staubig und dreckig. Ich ekelte mich und begann zu putzen. Die ganze Wohnung, bis auf ein gewisses Zimmer, welches ich mir bewusst bis zum Schluss aufhob.
Mit Schmerzen im Bauch öffnete ich den Briefumschlag, den ich in einer Schublade in der Küche verstaut hatte, und öffnete langsam Angies Zimmer.
Ich war enttäuscht als ich hereinsah, irgendwie hatte ich gehofft sie hier zu sehen. So wie damals, wenn ich sie geweckt habe oder wenn wir uns nach einem Streit wieder in die Arme schlossen.
Angies Zimmer strahlte Hass und Liebe aus. So oft wir uns hier in die Haare hatten, so oft schlossen wir uns hier auch wieder in die Arme um uns zu sagen wie lieb wir uns hatten.

Eine Träne rann mir übers Gesicht.

Nach einigen Minuten trat ich dann ins Zimmer. Es roch sogar noch ein wenig nach Angie.
Es war alles so, wie sie es verlassen hatte. Das Bett war gemacht, doch auf der Decke konnte man noch die Abdrücke ihres Koffers sehen. Die Schranktür stand noch immer offen und überall war eine zentimeterdicke Staubschicht zu finden.
Schon beim Anblick dessen, fing meine Nase an zu krabbeln.

Ich sah mich weiter in ihrem Zimmer um, ganz bedacht darauf, keinen Wind zu erzeugen und den Staub herumzuwirbeln.
Nach weiteren Minuten beschloss ich das Zimmer wieder abzuschließen. Der letzte Hauch meiner Illusion, mit der ich nun Monate lebte, hatte sich in Luft aufgelöst, nachdem ich Angie nicht in unserer Wohnung vorfand. Es war Wunschdenken, mein rettender Gedanke in der Not, doch jetzt schlug mir die Realität mit der Faust ins Gesicht. Mit einem harten Schlag wurde mir bewusst was alles geschehen war zwischen uns. In den letzten Monaten bevor sich Angie's und meine Wege trennten, war unsere Freundschaft einfach nur noch Gift. Wir waren süchtig danach und haben es nicht geschafft davon abzukommen, bis Angie sich dazu entschied einen kalten Entzug zu machen und abhaute.

Ob sie noch an mich dachte, wenigstens ab und an?
Und was war überhaupt mit ihr geschehen?

„Angie Summers, wo bist du nur...", sagte ich, während ich auf ihr Bett starrte.