Ups

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Oder hätte er sein können.

Im nächsten Moment passierte alles gleichzeitig. Er schluckte, lehnte sich zurück und atmete tief ein und aus.

Na toll, jetzt war ich doch eine von denen, die sich ihm immer sofort an den Hals warfen.

Meinen betörten Blick hatte sogar ich bildlich vor Augen gehabt. Oh Gott, warum konnte ich ihn nicht einfach hassen? Jetzt war die ganze Sache aber wenigstens durch.

Dieses letzte Mal nach Hause bringen und wir würden niemals wieder ein Wort miteinander sprechen. Das hatte ich ja gewollt od-

Wohl doch nicht.

Es ging schon wieder alles so schnell, dass ich kaum mit der Wimper zucken konnte.

Kaylen hatte seine Hand an meiner Wange platziert und mir mit einer schnellen Bewegung seine weichen Lippen auf den Mund gedrückt.

Millionen Fragen schwirrten in meinem Kopf rum und doch war er wie leergefegt.

Woher der Sinneswandel? Aus welchem Grund? Weil er wollte oder zum Eigennutz?

Und gähnende Leere.

Die war wahrscheinlich der Grund, warum ich es überhaupt zuließ.

Mit meiner Hand umschloss ich die seine, welche an meiner Wange lag. Mein Mund spielte mit seinem und ich schmeckte diesmal auch etwas anderes als nur die Kirsche, etwas Rauchiges.

Aber ich genoss es, ich gab mich dem hin, bis das Gefühl mir bis in die Knie fuhr und sie in Pudding verwandelte.

Auf einmal löste er sich von mir und starrte auf die Angabe der Stationen.

„Fuck! Wir sind zwei Stationen zu weit gefahren.", stellte er fest und raufte sich verzweifelt die Haare. Er war aufgesprungen.

Das Ganze war mir wie der Bruchteil einer Sekunde vorgekommen, aber in Zeitschätzungen war ich noch nie gut gewesen.

Immer noch davon mitgenommen, was gerade passiert war, blieb ich einfach auf meinem Platz sitzen.

Meine Lippen pochten, weil sie geschwollen waren und mein Herz klopfte unregelmäßig.

„Und was jetzt?", fragte ich leise, während er in dem Wagon hin und her lief.

Als ich etwas sagte, fixierte er mich plötzlich neugierig mit seinen grasgrünen Augen.

„Das wüsste ich auch gern. Wehe du fährst je wieder U-Bahn!" Mit erhobenem Zeigefinger fing er meinen Blick auf.

„Du hättest ja nicht mitkommen müssen." Dann wäre ich auch an der richtigen Station ausgestiegen.

„Das steht nicht zur Debatte, diese Diskussion hatten wir doch schon.", widersprach er - was auch sonst? - und lief weiter grübelnd hin und her.

„Sehen wir doch einfach, wo wir rauskommen.", schlug ich schulterzuckend vor.

„In Ordnung.", murmelte er mehr zu sich selbst, als zu mir, während die U-Bahn zum Stehen kam.

Die Station war genauso schwach beleuchtet wie alles andere hier und ich fand es mehr als gruselig.

Die armen Bettler, die hier wohnten.

Wir stiegen aus und automatisch lief ich dicht neben Kaylen her. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich es hasste, wie er sich um mich kümmerte.

Als wir am oberen Treppenabsatz ankamen, strahlte uns das Licht von verschiedenen Gebäuden an. Von den ganzen Geschäften wurde New York erleuchtet, als wäre es Tag. Nur der Himmel sagte etwas anderes.

Truth or KissWhere stories live. Discover now