Hecor, der hinkende Henker

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Warnung: In diesem Kapitel geht es um sexuelle Belästigung. Wenn du dahin gehen empfindlich bist, ist es besser dieses Kapitel zu überspringen. Schreib mir eine Nachricht, dann kann ich dir erklären was du verpasst hast <3

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Gerade herrschte in dem Raum noch reges Rascheln und Flüstern, jetzt ist es mucksmäuschenstill. Finn tritt zur Seite und offenbart mir den Blick auf einen Mann um die 30. Er hat eine sportliche Figur, kurze blonde Haare und ein nettes Gesicht. Die Klasse zu meiner Rechten und der Lehrer starren mich fassungslos an. Ich komme mir vor wie ein Museumsstück, mit dessen Enthüllung keiner gerechnet hat.

Finn dreht sich zu mir um. „Das ist..."

Mitten im Satz bricht er ab und starrt mich ebenso fassungslos an wie alle anderen. Was haben sie denn alle? Langsam werde ich nervös. Und zwar so richtig nervös.

Joy sitzt ganz vorn, während Rachel, Pierre und David ihre Plätze in den letzen beiden Reihen haben. Zwei Plätze sind noch frei. Beide in der letzten Reihe. Es ist eins dieser Zimmer, in dem die Sitzreihen nach hinten hin ansteigen.

Pierre fasst sich als einer der Ersten wieder. „Sofie?" Seine Stimme klingt vorsichtig.

„Ja?"

Erschrocken über meine Stimme, die genauso klingt wie seine, schlage ich mir die Hand vor den Mund. Joy fängt an zu lachen. Andere schließen sich ihr an. Am liebsten würde ich sofort fliehen. Weg von hier! Weg von dieser blöden Gans! Weg von der ganzen Klasse, die mich auslacht. Doch ich bleibe stehen. Denn ich sehe Rachel, David, Finn und Pierre, die mich alle mit ernster Bewunderung mustern.

„Seid sofort still! Alle!", ruft der Lehrer, wie ich vermute Herr Sommer, mit einer Autorität, die alle zum Schweigen bringt.

Ich begegne Pierres Blick und er lächelt mir zu. Sofort fängt mein Herz wieder an zu stottern. Dieses blöde Ding! Röte steigt mir in die Wangen. Schnell sehe ich weg und richte meinen Blick auf Herrn Sommer. Auch in seinen Augen sehe ich Bewunderung.

„Sofie... Bist du nicht das Mädchen mit der zweitseltensten Gabe?"

Ich hebe die Schultern. Sagen tue ich nichts. Ich habe Angst vor meiner Stimme. Herr Sommer hebt fragend eine Augenbraue. Dann wendet er sich an die Klasse.

„Wer weiß, was die zweitseltenste Gabe ist?"

Joys Hand schießt hoch. Er ignoriert sie.

„David?"

Der Blondschopf verzieht für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht. Dann senkt er seinen Blick. „Nach Illusion ist Telekinese die seltenste Gabe."

„Exakt. Danke fürs Vorlesen."

David errötet leicht und schlägt ertappt das Heft zu. Ich muss mir ein Lächeln verkneifen.

Herr Sommer lässt sich nicht weiter von Davids Ablesen stören und meint heiter: „Und jetzt haben wir anscheinend ein Mädchen hier, das beides kann. Telekinese und Illusion. Soweit ich weiß, ist Sofie hier die erste, die zwei Gaben auf einmal beherrscht. Dazu noch die seltensten. Das ist wirklich etwas außerordentlich Besonderes!"

Ich senke die Augen, um nicht mehr all diese sensationslüsternen Blicke zu sehen. Besonders habe ich mich noch nie gefühlt. Und fühle ich mich auch jetzt nicht. Eher der Lächerlichkeit preisgegeben, denn langsam begreife ich. Illusion... Gegenstände an Orten zu sehen, an denen sie eigentlich nicht sind. Fata Morgana. Ich hebe meine Hände. Betrachte sie. Das sind nicht meine. Nein. Das sind Pierres. Ich bin Pierre. Oder, was es eher trifft: Ich sehe aus wie er. Oh Gott! Wie peinlich!

AccasuraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt