Out of Body

22 2 13
                                    

Warnung: Blut und Panikattacke.

Durch den Schleier meiner Tränen suche ich den Weg zum Zimmer, doch ich erkenne nur Schemen. Mein Herz schlägt schmerzvoll in meiner Brust, kurz davor zu zerbersten. Auf einmal legt sich ein starker Arm um meine Schultern.

„Ist gut, Sofie. Komm, Rachel und ich bringen dich ins Zimmer."

Ich schniefe und wische mit über die Augen. Einen Moment ist mein Blickfeld klar und ich erwarte schon fast meinen Bruder zu sehen, doch es ist Finn, der mir beschützend einen Arm um die Schultern gelegt hat. Auf meiner anderen Seite läuft Rachel.

Dann ist meine Sicht wieder so verschwommen, dass ich kaum noch etwas erkennen kann. Vor weniger als einer Woche wäre das für mich alles, und wenn ich sage alles, dann meine alles alles, noch undenkbar gewesen. Das Gute sowie das Schlechte.

Der Arm um meine Schultern ist schwer und gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit.

Nach einiger Zeit und einer Menge Schritten sind wir da. Dank der liebevollen Art meiner Freunde und meinem Er-ist-es-nicht-wert Mantra, habe ich mich wieder einigermaßen beruhigt und verschwinde erst mal im Bad, um meine Tränen abzuwaschen.

-----

Den restlichen Tag verbringen Rachel und ich mit Lernen und Quatschen. Ich bin dankbar, dass Rachel mich ablenkt. Sie ist gut drauf und bringt mich sogar zum Lachen. Schon bald habe ich Pierre aus meinen Gedanken verbannt, jedenfalls vorläufig.

Rachel hat eine ältere Schwester, die zwar erst 24, aber schon verheiratet ist und mit ihrem Mann in Köln lebt. Bevor sie auf diese Schule kam, wohnte sie mit ihrer Mutter an der Ostsee. Sie meint, wenn sie hier etwas schrecklich vermissen würde, dann wäre es das Meer und der kühle Seewind. Ihre Mutter selbstverständlich auch.

Um halb sechs klopft es an der Tür.

„Herein!", rufen Rachel und ich im gleichen Atemzug.

Wir schauen uns an und müssen lachen. Finn betritt das Zimmer und sieht ziemlich nervös aus. In der rechten Hand hat er einen wunderschönen Strauß Tulpen in den verschiedensten Farben. Ich fange seinen Blick auf und ziehe fragend die Augenbrauen zusammen. Finn grinst verlegen.

„Guten Abend ihr zwei", grüßt er uns und wendet sich dann an Rachel. „Ich wollte dich fragen... Willst du mit mir essen gehen, Rachel? In Füssen, nur wir zwei?"

Er hält ihr die Tulpen entgegen und ich bemerke etwas zu spät, dass ich fehl am Platz bin. Es wäre wohl besser gewesen, gleich zu verschwinden. Aber immerhin scheint Finn meinen Rat umzusetzen. Vermutlich genauso gespannt wie er schaue ich zu Rachel. Deren Wangen röten sich freudig.

„Natürlich! Ich ziehe mir nur noch schnell etwas Passendes an!"

Sie geht auf ihn zu und nimmt ihm die Blumen ab.

Leise haucht sie: „Danke" und mustert die Tulpen einen Moment ganz versonnen. Dann sieht sie sich im Zimmer um.

Froh, auch mal nützlich sein zu können, stehe ich auf und meine: „Zieh dich um! Ich werde schon eine Vase auftreiben oder so was Ähnliches."

Nach einem kurzen Zögern drückt mir Rachel die Tulpen in die Hand und verschwindet nach einem letzten Blick auf Finn, der verlegen da steht und wartet, im Bad. Ich grinse meinen Freund an und gehe auf ihn zu.

„Wird schon! Ich bin mir sicher, es wird ein toller Abend."

Dann klopfe ich ihm auf die Schulter, zwinkere ihm zu und verlasse das Zimmer. Mit den Tulpen in der Hand mache ich mich auf die Suche nach einer geeigneten Vase.

AccasuraWhere stories live. Discover now