Mein Körper und ich

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Es ist still. Beruhigend still. Ich bin allein. Um mich herum nur alte Bücher, verstaubte Regale und Leere. Hecor ist weg.

Erleichtert wische ich mir mit dem weißen Leinenkleid, das ich trage, die Tränen vom Gesicht. Keine Ahnung, wo es hergekommen ist. Aber immerhin muss ich nicht nackt herum laufen.

Ich bleibe noch eine Weile sitzen, warte bis ich mich beruhigt habe. Doch dann beschließe ich hier zu verschwinden. Nur weg! Am besten wird es wohl sein, wenn ich mal nach meinem Körper schaue. Also gehe ich geradeaus durch die Regale zur Tür. Zu weit erscheint mir der Weg durch die verschlungenen Gänge und zu hoch die Gefahr, mich zu verlaufen. David und Alessandro sind auch schon gegangen, ebenso wie der Typ am Eingang.

Sobald ich wieder auf dem Gang stehe, wende ich mich nach rechts und laufe. Da ich nicht weiß, wo ich hier bin, schaue ich mich aufmerksam um, vielleicht erkenne ich ja etwas. Doch alles, was ich sehe, ist die Stelle, wo Hecor zum ersten Mal aufgetaucht ist. Ich beschleunige noch etwas und renne am Schluss schon fast.

Irgendwann komme ich in die Aula. Von hier aus werde ich den Weg zum Krankensaal wohl finden.

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Ich finde ihn und während ich laufe, habe ich eine Idee. Vielleicht eine gute, vielleicht auch eine schlechte. Vermutlich allerdings eher das letztere.

Ich könnte ausprobieren, ob ich ohne Körper meine Gaben einsetzen kann. Telekinese... Damit könnte ich Türen öffnen oder Dinge bewegen. Wie ein Geist!

Als ich vor der Tür zum Krankenflügel stehe, beschließe ich, es einfach mal auszuprobieren. Ich richte, wie damals im Zug, meine gesamte Aufmerksamkeit auf die Tür und drücke mit meinem Geist dagegen. Das will heißen, ich versuche mit meinem Geist gegen die Tür zu drücken, die sich keinen Millimeter bewegt. Ich schnappe nach Luft. Komm schon! Ich werde nicht aufgeben. Beweg dich, du doofe Tür! Ich drücke wieder mit meinem Geiste dagegen.

Zum Glück sieht mich niemand! Ein vor Anstrengung hochrotes Mädchen im Leinenkleid mit verheulten Augen, das die Tür anstarrt. Mon dieu, die würden sich auf dem Boden kringeln vor Lachen.

„Geh auf Tür!", murmle ich beschwörend. „Geh auf!"

Und werfe meinen Geist ein letztes Mal gegen das Holz.

Mit einem gewaltigen Schwung fliegt die Tür auf und knallt an die Wand. Uuuups! Wollen wir hoffen, dass die Wand keinen Schaden abbekommen hat. Der Saal ist dunkel und leer und soweit ich erkennen kann, ist nur ein Bett belegt.

Ich schleiche darauf zu und halte dabei die Luft an. Als ich davor stehe, lasse ich geräuschvoll die Luft aus meinen Lungen entweichen. Es sieht aus, als würde ich schlafen. Noch immer habe ich lange, rote Haare, die auf dem Weiß des Lakens hervorstechen. Meine Augen sind geschlossen und mein Gesicht friedlich. Sie haben mich an einen Herzgenerator angeschlossen und das regelmäßige Piepsen ist das einzige Geräusch im Raum. Ein Tropf steht neben dem Bett und der Schlauch führt in meinen Arm. Die Platzwunde an der Stirn wurde offensichtlich geheilt. Man sieht nur noch eine helle rosa Narbe.

Nach wenigen Minuten geht mir das Piepsen meines Herzens auf die Nerven und ich verlasse den Saal wieder.

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Als ich an Franks Büro vorbeikomme, höre ich Stimmen. Neugierig, wie ich nun mal bin, betrete ich den Raum. Frank steht mit strengem Gesicht hinter seinem Schreibtisch. Vor ihm sitzen Joy und Alessandra.

„Was fällt euch beiden nur ein?", herrscht mein Onkel die beiden an. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Wisst ihr eigentlich, dass ihr erheblich dazu beigetragen habt, dass Sofie jetzt im Krankensaal liegt?"

AccasuraWhere stories live. Discover now