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Seit Tagen regnete es in Strömen, Youssuf und Yosh und Opa waren krank und mussten gepflegt werden. Das monatliche Restgeld für Medikamente war seit dem Tod des Spenders deutlich gesunken. Nichts war mehr übrig. Für Mirals und Opas Erkältung war es einfach, in der fast leeren Speißekammer etwas heilendes zu finden. Aber Yoshua hustete unaufhörlich, bis er keine Luft mehr bekam und ganz rot wurde. Seine Kehle war ebenfalls rot und zugeschwollen und tat furchtbar weh.

Da Cosi eigentlich nie krank wurde schlief ihr jüngster Bruder nun bei ihr, dass er jemanden hatte, wenn ihm mitten in der Nacht die Luft wegblieb. In die Schule waren die Kinder eh nur selten gegangen, da es sehr weit war. Aber in dieser Zeit sind die Schulen komplett leer. In den überfüllten Krankenhäusern kommt man mit mehr Infektionen hinaus als hinein und die Straßen sind ein einziger großer Matschfluss.

Cosi und Atef machten sich ernsthaft Sorgen um ihren kleinen Yosh. Seine sonst eher dunkle Haut war blass, seine Lippen geplatzt und die Haut fahl. Selbst sein freches Glitzern war aus seinen nun eingefallenen braunen Knopfaugen verschwunden. Es tat direkt weh, ihn so zu sehen.

Wie so oft in den letzten Tagen spielte Cosima mit dem Gedabken, einfach nicht mehr da zu sein. Würde Yosh gesund werden? Würden die Vorräte für alle anderen reichen? Könnte Mama endlich mal wieder etwas anständiges kaufen? Würde Vali dann die Klamotten der Brüder tragen, anstatt ihrer? Würde Miral Atefs bester Freund werden, anstatt ihr? Oh, nein! Sie hatte ja vergessen, dass Atef, ihr lieber Atef schon bald nicht mehr sein würde! Ein Schluchzer bahnte sich den Weg über ihre ausgedörrten Lippen. Würde Opa Vali hassen und verkaufen wollen, anstatt ihr? Müsste Youssuf kochen anstatt ihr? Was wäre anders ohne sie? Manchmal hab Cosi sich selbst die Schuld an dem trostlosen Leben ihrer Familie und dachte nur zu gern zurück an Lucy. Lucy, die ihnen so geholfen hatte

*Flashback*

Lucy? Kommst du? Atef und Cosi liefen lachend auf ihren Kleinkinderbeinen durch das Im Juli hoch stehende Gras. Hinter ihnen joggte eine blonde Frau her, die ein Lachen im Gesicht hatte, dass einem die Sonne aufging. Mit ihren hellblauen Augen und den goldblonden Haaren passte sie so gar nicht in das typische Bevölkerungsbild. Aber jeder musste sie lieben. Lucy. Sie hatte so viel für die Familien der beiden lachenden Kinder getan. Cosima, deren Familie kein Geld hatte.

Atef, der nicht wusste, dass er zwei Brüder in Gefangenschaft der ISS hatte und zwei Schwestern die vor langer Zeit an den Menschenhandel geraten waren. Atef wusste nicht, dass sein Vater ein berüchtigter Verbrecher ist.

Lucy hatte diese beiden Kinder so sehr in ihr Herz geschlossen, dass sie gar nicht anders konnte, als in ihrer Heimat London Spendengelder zu sammeln und ihren Eltern zu geben. Vielleicht auch, weil Cosima ihr selbst so ähnlich war und Atef etwas von ihrem Bruder hatte. Cosimas Geschwister waren die nettesten Kinder, die man sich vorstellen kann und es schmerzte ihr sehr im Herzen, dass sie zu dieser alten Frau musste. "Lucy, wann kommst du wieder?" diese Worte von Atef hatten sich in ihrem Kopf fest gesetzt. Wusste sie, dass sie nicht zurück kommen würde? "Bald" hatte sie nur geantwortet und ihrem kleinen Atef eine Träne von seiner von der Sonne aufgerauhten Haut gewischt.

Lucy. Ein Sonbenschein, der nur in das Leben der beiden Kinder auf dem Feld gekommen war, um mit gewaltiger Wucht wieder hinaus gerissen zu werden. Und wie jedes Hinausreissen, hinterließ auch das einen Tiefen Riss

*Flashback ende*

Cosi seufzte und ließ noch etwas mehr Wasser in den Topf laufen.

Drei ist mehr als nichtsWhere stories live. Discover now