3 - Von Peinlichkeiten und Peinlichkeiten

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ie Tage bis zum nächsten Halbjahr vergingen immer schneller und langsam wurde mir wirklich Bewusst, was ich da getan hatte. Ich würde mich vor dem ganzen Kurs bis auf meine Knochen blamieren und bestimmt würde sich diese Peinlichkeit in der ganzen Schule rumsprechen, sodass ich das Gespött des Jahres werden würde.

Vermutlich könnte Mrs. Rosewood, die den Theaterkurs leiten würde, mich nach meinem Versagen nur als Balkon oder Baum im Hintergrund gebrauchen, wofür in beiden Fällen nur Idioten infrage kamen - wobei, immerhin hätte ich dann keinen Text und mit ein paar Blättern im Gesicht würden mich die Leute möglicherweise weniger erkennen.

Bis auf meine Selbstzweifel und Beschwerden an May, wie sie mich nur zu so einer Schnapsidee überreden konnte, verlief jeder Tag aufs neue reibungslos.
Viel zu früh morgens aufstehen, in den Bus einsteigen, die Minuten zählen, bis der Unterricht vorbei war, nachhause fahren, essen, Hausaufgaben machen, schlafen und nach viel zu wenigen Stunden wieder der gleiche Ablauf - von morgens bis abends.

Und dann kam da dieser eine Tag, an dem ich wie gewöhnlich in die Cafeteria ging.

"Ich sichere uns schon Mal einen Platz", erklärte May und erkämpfte sich schubsend einen Weg zwischen den Schülern her.

Ich hatte jedes Mal Angst dabei - nicht um sie, dass irgendwann jemand zurückschubste und das ganze in einer Prügelei ausarten würde, sondern viel mehr sorgte ich mich, dass sie dabei jemanden zu Boden schubste und sie daraufhin wegen Körperverletzung verklagt werden würde.

Aber da das höchste der Gefühle ein paar blaue Flecken waren, hielt ich sie nicht davon ab, mit Brutalität zu ihrem - oder unserem - Ziel zu gelangen. Ich sah es auch wirklich nicht ein, eine halbe Stunde lang irgendwo sinnlos herumzustehen.

Die Schülermasse drängte mich wie eine Strömung in eine Richtung und ein paar zerquetschte Knochen später stand ich endlich in der Warteschlange für mein wohlverdientes Mittagsessen.
Das hier war nichts geringeres als die Hungerspiele der schlimmsten Art.

Als ich dann endlich stolz wie Oskar mein Tablet in der Hand hielt, schlängelte ich mich zwischen den Schülern durch und hielt Ausschau nach May.
Verdammt, wo war sie nur?
An unserem Stammplatz hinten links an der großen Fensterfront saßen jüngere Schüler, die sich lachend unterhielten.

Ich ging an dem nächsten Tisch vorbei, achtete nicht mehr auf meine Mitmenschen und versuchte, alle Schüler bis auf May auszublenden.

"Ever", rief eine altbekannte Stimme, die nicht weit von mir entfernt war. Ich drehte mich nach links zu dem Tisch, von dem die Stimme kam und hätte beinahe spitz aufgeschriehen.

Aber stattdessen waren meine Muskeln wie gelähmt und ich spürte, wie jemand gegen mich stoß. Mit einem lauten Scheppern glitt mein Tablet zu Boden.

Der Teller mit den noch heißen Pommes zersplitterte in hunderte Scherben, die in alle möglichen Richtungen flogen und schließlich auf den hellen Fliesen liegen blieben.

Die Leute um mich herum fingen an zu kichern, doch das beachtete ich kaum. Viel mehr starrte ich immer noch auf den Tisch vor mir.

May lächelte belustigt zurück und Noah schaute irritiert von den Scherben zu mir. Konnte mich jemand aufklären, wie es dazu kam, dass meine beste Freundin Mary-Ann Baily gegenüber von meinem ewigen Schwarm Noah Mitchell saß? Was hatte sie jetzt schon wieder angestellt?

Allmählich gelangte ich in die Realität zurück und schaute beschämt zu May und dann auf die zermatschten Pommes um mich herum - wenn niemand dabei wäre, würde ich sie noch essen.

May stand auf, zog mich mit sich und führte mich zu der Frau, die das Essen austeilte. Die Schlange, die hinter uns stand und sich über das Vordrängeln beschwerte, ignorierten wir ganz einfach.

For EverOù les histoires vivent. Découvrez maintenant