8 - Von dem zweiten Gedicht und grauen Novembertagen

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Ich musste mein Gehirn dringend davon ablenken, auf falsche Gedanken zu kommen. Jeder hätte die Gedichte in meinen Spind werfen können - auch Noah, aber nicht nur Noah.

Ich wagte einen unauffälligen Blick auf den Zettel, während May und Noah über Cole Harringtons Beziehungsprobleme sprachen.

𝚂𝚘 𝚒𝚏 𝚏𝚘𝚛𝚎𝚟𝚎𝚛 𝚍𝚘𝚎𝚜 𝚎𝚡𝚒𝚜𝚝𝚜,
𝚍𝚊𝚛𝚕𝚒𝚗𝚐, 𝚕𝚎𝚝 𝚒𝚝 𝚋𝚎 𝚠𝚒𝚝𝚑 𝚢𝚘𝚞,
𝚌𝚊𝚞𝚜𝚎 𝚢𝚘𝚞'𝚛𝚎 𝚖𝚢 𝚋𝚛𝚒𝚐𝚑𝚝𝚎𝚜𝚝 𝚐𝚒𝚏𝚝
𝚊𝚗𝚍 𝚝𝚑𝚎 𝚜𝚘𝚞𝚗𝚍 𝚖𝚢 𝚑𝚎𝚊𝚛𝚝 𝚒𝚜 𝚋𝚎𝚊𝚝𝚒𝚗𝚐 𝚝𝚘

- ɴᴏʙᴏᴅʏ

Ich schmunzelte. Ich hasste Kitsch. Aber das, das war irgendwie anders. Es ging unter meine Haut. Es ließ mich so fühlen, als wäre ich jemand für irgendwen. Und das gab mir Hoffnung. Von dem Gedanken, dass das Ganze nur ein Witz war, war ich schon lange abgekommen, seit ich mit May darüber gesprochen hatte. Niemand würde sich soviel Mühe geben, nur für einen dummen Streich.

"Was ist?", fragte ich May mit einem Grinsen.

"Ach, nichts", meinte ich nur neutral und steckte den Zettel unauffällig in meine Jackentasche.
Irgendwie wollte ich ihr nicht von dem Gedicht erzählen. Es wirkte so vertraut und privat, als wäre es nur für mich bestimmt. Sie würde es sowieso nicht verstehen.
May wendete sich schulterzuckend ab und stattdessen wieder an Noah.

Als ich die beiden so sah, miteinander redend und lachend, stieg etwas in mir hoch. Eifersucht? Weil sie miteinander redeten? Nein, eher, weil ich nicht mit ihm redete. Ich weiß, dass es lächerlich war, aber dieser Anblick tat mir weh. May wusste genau, wie sehr ich Noah mochte und dennoch startete sie im Moment nicht einmal Verkupplungsversuche - oder waren es doch welche?

Letztere Therorie bestätigte sich wenig später, als May mich wieder in ihr Gespräch aufnahm.

"Ever, hast du gehört? Am Wochenende steigt eine Party bei Louis, die ganze Stufe ist eingeladen. Wir kommen doch, oder?"

"Ich weiß nicht", antwortete ich nachdenklich, "ich habe mit Louis nichts zu tun."

Wir waren im selben Philosophie Kurs, aber hatten bisher kaum miteinander geredet. Er saß ganz hinten neben Cole und so brauchten wir auch nicht miteinander zu reden, außer es wurde von uns verlangt.

Ich erinnerte mich, als wir in eine Gruppenarbeit eingeteilt worden waren. Louis war nicht die Art von Menschen, die die ganze Arbeit anderen überließen, er war sogar relativ intelligent, obwohl man es ihm auf den ersten Blick nicht ansah; mehr wusste ich nicht über ihn.

"Komm schon, das wird lustig!"

"Wie soll es lustig werden, wenn ich zwischen betrunkenen hüftschwingenden Teenagern in einem völlig überhitzen Raum sitze? Und der Musikgeschmack wird furchtbar sein", argumentierte ich überzeugt.

"Bitteee", bettelte sie.

"Nein."

"Sogar Noah kommt", sagte sie wissend mit einem Nicken zu ihrer rechten.

"Na und?", meinte ich gleichgültig, "ihr könnt doch zusammen gehen, viel Spaß."

Natürlich wollte ich ihn dort treffen, aber auffälliger hätte dieser Verkupplungsversuch nun wirklich nicht sein können.

For EverWhere stories live. Discover now