9 - Von schrecklichem Musikgemack und stickiger Luft

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Der Tag der ominösen Party war gekommen. Wunderbar.

Um exakt 8 Uhr abends läutete die Klingel an unserer Haustür. May musterte mein schwarzes T-Shirt, mein Karohemd und meine lockere Jeans nur kurz, aber dennoch lange genug, um mir das Gefühl zu geben, dass ich falsch gekleidet war. Ich schob diesen Gedanken schnell beiseite und stieg in ihren schwarzen Toyota.

May hatte ihn zu ihrem sechzehnten Geburtstag bekommen und fuhr seitdem ständig mit ihm rum.
Ich stattdessen hatte mich dazu entschlossen, meinen Führerschein erst zu machen, wenn ich meinen Abschluss hatte. Momentan wollte ich mich lieber voll und ganz auf die Schule konzentrieren.

"Wohin müssen wir?", fragte ich May.

"Ogunquit."

"Hat Louis ein Haus am Strand?"

"Wollen wir es mal hoffen."

Ich schaute nachdenklich aus dem Fenster.
Die Sonne war schon lange hinter dem Horizont verschwunden und die Stadt zeigte sich mit leuchtenden Reklamebildern und Schriftzügen.

Ein dunkler Winterabend konnte bestimmt unfassbar gemütlich sein, wenn man nicht gerade auf dem Weg zu einer Party war, zu der man gar nichts wollte.

Im Radio lief leise "Girls Just Wanna Have Fun" und fast hätte ich laut mitgesungen, als auf einmal etwas anderes in meinen Kopf schoss, weshalb ich mich von dem Gedanken an eine Karaokeeinlage verabschieden musste.

"May, ich kann das nicht", sagte ich entschlossen, ohne sie anzusehen.

"Was kannst du nicht?"

"Die ganze Sache mit dem Theater. Das ist doch verrückt. Wie soll ich eine Geliebte aus dem 19 Jahrhundert spielen? Und wie soll ich-", meine Stimme sprach ab.

Jetzt sah ich May doch an. "Wie soll ich Noah küssen, ohne dass meine Gefühlswelt Achterbahn fährt? Ich kriege ja nicht mal einen ganzen Satz auf die Reihe, wenn ich mit ihm rede. Und überhaupt, wie küsst man denn überhaupt? Ich bin so ein Versager", stellte ich niedergeschlagen fest.

May schielte nun auch zu mir rüber. "Wenn ich eins weiß, dann, dass du definitiv kein Versager bist. Also, ich meine...ich habe ja schon ein wenig Erfahrung mit dem Küssen, also wenn du möchtest, könntest .... könnten wir es zusammen üben."

Verstört riss ich die Augen auf.
"Ich liebe dich, aber es gibt gewisse Grenzen, selbst in unserer Freundschaft."

"Jap, da sind wir eigentlich ganz einer Meinung."

Wir schwiegen ein paar Sekunden, bis wir gleichzeitig los prusteten. Dann wurde May wieder Ernst.

"Du musst auf dich selbst vertrauen. Vertrauen ist die schönste Art von Mut."

Ich sah wieder aus dem Fenster und guckte zu, wie die Welt an meinen Augen vorbei zog. Dieses Mal wusste ich, was sie mit dem Spruch aussagen wollte. Ich beschloss, ihn in meinem Herzen zu speichern, denn vielleicht war es der letzte Ratschlag seiner Art.

-

Louis Haus war wirklich nicht weit entfernt vom Strand, stellte ich fest, als der Wagen zum Stehen kam. Aus dem grauen, mächtigen Haus dröhnte schon laute Musik.

"Sicher, dass wir da rein wollen? Wir können immer noch umkehren."

"Netter Versuch", May öffnete demonstrativ die Autotür, "los geht's."

Seufzend tat ich es ihr gleich und stieg aus. Wir gingen durch einen kleinen Vorgarten zur Haustür, wo Louis uns schließlich empfing. Als ich über die Schwelle der Tür ging, bemerkte ich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend, das mir sagte, ich würde es bereuen, hier hin gefahren zu sei. Louis knallte die Tür hinter mir zu und ließ dieses Gefühl endgültig draußen vor der Tür.

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