7 - Von anstößigen Szenen und attraktiven Menschen

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Ich hakte meinen Arm unter Mays ein und so gingen wir in Richtung des Theaterraumes. Mein Stundenplan besagte, dass die Wahlpflichtfächer Dienstags und Donnerstags jeweils in der dritten und vierten Stunde belegt wurden, weshalb wir auf dem Weg zu dem Theaterraum waren.

Dafür, dass ich mich noch nie für Schauspiel interessiert hatte, war es bemerkenswert, dass ich fast vor Neugier und Aufregung platzte. Mrs. Rosewood hatte am Ende letzter Stunde gesagt, dass sie heute das Stück sowie seine Rollenverteilung bekannt geben würde. Ich konnte kaum erwarten, die Ergebnisse zu sehen und dennoch hatte ich gleichzeitig eine gewaltige Angst davor.

"Wie fühlst du dich?", wollte May wissen.

"Wie ein Pferd bei Gefahr. Obwohl nein, eher wie Billie Eilish bei den Dreharbeiten von Bad Guy. Nein, jetzt habe ich es! Wie ein Ei!"

"Ein Ei?", hakte sie nach.

"Zerbrechlich auf die Welt gekommen, an einer Pfanne angeschlagen, aufgebrochen, gebraten und gegessen. Das beschreibt meine Gefühlslage ganz gut."

Danach herrschte Stille zwischen uns, die nur der allgemeine Lärm in der Schule von schreienden Schülern und dem Stampfen der Schuhe unterbrach.

Ich war froh, dass May meine beste Freundin und nicht meine emphatische Freundin war, denn das wäre wohl ein voller Reinfall geworden. Sie hatte nicht so viele Schwächen wie ich, aber dafür des öfteren größere und die wahrscheinlich Schlimmste war, dass sie sich so gar nicht in andere Menschen hineinversetzen konnte. Nun, allerdings schadete das mehr den Menschen in ihrer Umgebung als ihr selbst.

Wir verabschiedeten uns voneinander und ich betrat den Theaterraum., wobei ich mich erst an das gedämmte Licht gewöhnen musste, das aus kleinen, an der Decke verteilten Lampen nur das Nötigste beleuchtete. Durch frühere Schulveranstaltungen wusste ich, dass man die Lampen auf unterschiedliche Helligkeitsstufen einstellen konnte.

Ich ging an den gepolsterten Stühlen vorbei, die mit weinrotem Stoff bespannt waren und somit perfekt zu dem Vorhang der riesigen Theaterbühne passten.
In den ersten zwei Reihen saßen schon einige meiner Kursmiglieder und nach einem kurzen Rundumblick entschied ich mich dazu, mich zu Jayda zu setzen.

"Hey", begrüßte ich sie und betrachtete sie von der Seite. Ihre Nase hatte einen kleinen Wölbung, sodass sie nicht ganz gerade verlief und ihre Ober-und Unterlippe hatten die gleiche, voluminöse Größe. Durch die großen, braunen Augen, der schneeweißen Haut, den weichen Gesichtszügen und den pechschwarzen Haaren wirkte sie, als hätte sie asiatische Wurzeln.

Sie lächelte mich an und begrüßte mich mit einem "Hi".

"Ich kann es kaum erwarten, die Ergebnisse zu hören. Was denkst du, wie schneidest du ab?"

Ich zuckte mit den Schultern. Einerseits hoffte ich wirklich, eine gute Rolle zugeteilt zu bekommen, aber andererseits wollte ich wirklich nicht im Vordergrund stehen.

"Ich denke, dass du nicht schlecht abschneiden wirst."

Und so meinte ich es auch, denn ich fand Jaydas Vorstellung wirklich gut. Sie spielte eine Szene aus Hamlet nach, bei der es mir ehrlich gesagt schwer fiel, eine Träne zu unterdrücken.

"Du warst besser als ich, aber wir werden sehen", sagte sie mit einem aufrichtigen Lächeln.

Es dauerte nicht lange, bis Mrs. Rosewood so dramatisch in den Saal stolzierte, als hätte sie gerade die Welt gerettet. Nach einem "guten Morgen" schob sie sich den letzten Bissen ihres Wraps in den Mund und platzierte sich auf der Bühne.

Heute trug sie eine schwarze Palazzo Hose gepaart mit hohen Sandalen und einer weißen Bluse. Ich bewunderte sie schon immer für ihr selbstbewusstes Auftreten.

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