The rain, the park and other things

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Yoongi

Dicke Wolken in einem wabernden Mausgrau zogen über den zuvor noch klaren Himmel und eine kühle Brise begann durch sein Haar zu wehen. Der plötzliche Luftzug ließ eine Gänsehaut auf seinen entblößten Unterarmen entstehen und erfüllt von der aufkommenden Kälte, schloss er kurz seine müden Augen. Langsam setzte er sich auf und krallte seine Finger in die grünen Grasbüschel unter seinen Händen, die noch immer schmerzten von den letzten Stunden intensiven Übens. Er ließ andächtig seine leeren Augen über den Fluss vor sich streifen. Yoongi war gerne hier am Ufer, flüchtete sich in die Ruhe und das sanfte Rauschen der Umgebung. Der aufkommende Wind ließ kleine Wellen auf der farblosen Wasseroberfläche entstehen, die sich gemächlich ausbreiteten und dem Strom folgend langsam wieder abklangen.

Er liebte es. Er liebte es, seine Finger über die weißen und schwarzen Tasten gleiten zu lassen, das Elfenbein zu kitzeln und diesem so wohlige Melodien zu entlocken. Seit er ein kleiner Junge war, war das Spielen des Klaviers alles für ihn. So kam es, dass er jede freie Sekunde damit verbrachte und die Zeit, in der er gezwungen war sich von ihm zu verabschieden, verteufelte. Er vermisste es, kaum hatte er seine Fingerspitzen von den glatten Tasten gelöst. Doch nun, da er erwachsen war, hatte sich etwas geändert. Irgendwo hier hatte er es verloren, die Leichtigkeit, die Sehnsucht. Sie waren etwas anderem gewichen, seit er nur noch vorgegebene Titel spielte, die ihm sein Dozent vorschrieb und kein Platz mehr für den Ausdruck seiner vormals vorhandenen Kreativität blieb.

Wie hart hatte er gearbeitet um es auf die Universität zu schaffen? Wie sehr hatte er sich gefreut Musik zu studieren? Jetzt, beinahe ein Jahr später, war von dem einstigen Enthusiasmus nichts mehr vorhanden. Er dachte nur noch von einer Prüfung zur nächsten, wie er Bach und Beethoven noch authentischer, noch perfekter spielen konnte. Selbst zu komponieren hatte er mittlerweile aufgegeben, keinerlei Inspiration war mehr in ihm. Yoongi spielte, doch er liebte es nicht mehr. Eher kam es ihm vor, als würde er nur dahin vegetieren. Er folgte den Anweisungen, funktionierte, doch seine Seele, das was ihn einst ausgemacht hatte, war dahin.

Von dem klaren Himmel war nun nichts mehr zu entdecken. Die träge Wolkendecke war alles, was noch zu sehen war und der Geruch von bevorstehendem Regen lag in der Luft. Noch niedergeschlagener, als er es überhaupt schon gewesen war, als er sich in die saftig grüne Wiese niedergelassen hatte, stand er auf. Seine Beine kribbelten leicht und während er sich zu strecken begann und er sich beiläufig durch sein schwarzes Haar strich, durchzog ein angenehmes Ziehen seine Muskeln. Nachlässig klopfte er sich vereinzelte Grashalme von seiner schwarzen Jeans und trat den Weg nach Hause an.

Als wäre ein zentnerschweres Gewicht auf deinen Schultern gelegen, ließ er diese hängen und trottete, wie ein gescholtener Vierbeiner, in Richtung Brücke. Er ließ die Sohlen seiner Schuhe über den dunklen Asphalt mit einem leichten Kratzen schleifen und betrachtete aus dem Augenwinkel heraus das vorbeiziehende Wasser unter sich. Würde er springen wäre alles vorbei, dachte er sich kurz, schmiss jedoch, anstatt seiner Selbst, den düsteren Gedanken über die Brüstung und schüttelte den Kopf. Es wird besser werden, sprach er zu sich selbst, ohne die Worte wirklich zu sagen. Die Hoffnung war noch da. Irgendwo in ihm hatte sie sich an etwas Kleines geklammert, die Chance, dass alles wieder werden würde, wie es einmal war.

Der straffe Übungsplan war nicht das Einzige, was sein Herz schwer werden und die Muse ihn meiden ließ. Es war sein Herz. Obwohl es hieß, dass Herzschmerz ein gutes Mittel zum Stimulieren der Kreativität sein sollte, hatte es bei ihm den umgekehrten Effekt gehabt. Es war ein Fehler gewesen dem anderen damals seine Gefühle gestanden zu haben, wie konnte er auch hoffen, dass diese erwidert werden würden. Die Worte, dass er verschwinden sollte, dass der andere nicht so einer wie er wäre, dass er nicht im selben Team spielen würde, hatten ihn verletzt. Davon auszugehen, dass sein ehemals guter Freund auch auf Männer stehen und dann auch noch dasselbe wie er empfinden würde, war töricht gewesen. Danach dominierte ihn die Leere, er weinte nicht einmal, er zog sich einfach nur in sich selbst zurück. Yoongi verbarg sich hinter Notenblättern und Übungsstunden, verschloss sein Herz vor den Menschen, der Musik und sogar vor sich selbst.

Remedy ʸᵒᵒⁿᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now