Don't look at me

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Yoongi

Frustriert schlug Yoongi auf die weißen Tasten unter seinen Fingern. Egal, wie sehr er versuchte sich auf das Stück, an dem er eigentlich üben sollte, zu konzentrieren, es gelang nicht. Immer wieder dachte er an seinen Mitbewohner, der heute seinen ersten Arbeitstag hatte. Man konnte wirklich nicht behaupten, dass Jungkook wieder vollends genesen war und doch drängte dessen Chefin darauf, dass er wieder beim Ausliefern half. Am liebsten wäre Yoongi zu ihr gerannt, hätte ihr eine Standpauke gehalten und den Jüngeren mit sich gezerrt. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, er sorgte sich und hatte Angst, dass Jungkook wieder etwas passieren würde. Erneut schlug er auf die Tasten und erntete ein klagendes Geräusch als Antwort. Es gelang ihm nicht einmal bis zur ersten Wiederholung zu kommen ohne sich zu verspielen oder aus dem Takt zu geraten. Mit einer schnellen Handbewegung fegte er die Notenblätter weg und ließ daraufhin die schwere Holzklappe des Klaviers zuknallen. Es brachte nichts, seine Gedanken waren nicht hier und desto mehr es weiter versuchte, umso frustrierter wurde er.

Als er vor der Bank aufstand, die verstreuten Blätter zu seiner Linken aufsammelte und in seinen zerfledderten Rucksack stopfte, war er umgeben von feinen Staubpartikeln, die er zuvor aufgewirbelt hatte. Alles wirkte wie ein gräulicher Schleier, durch den die feinen Sonnenstrahlen von außen drangen. Der ständige Regen hatte aufgehört, bereits vor einigen Tagen brach die ewige Wolkendecke auf, von der er dachte, sie würde für immer bleiben. So sehr ihn das trübe Wetter genervt hatte, auf die Sonne, die tief am Horizont stand und ihn nun ständig blendete, hatte er ebenso wenig Lust.

Immer wieder kniff er seine Augen zusammen, als er über den Campus ging und bemerkte gar nicht, dass er gerade auf eine Gruppe Studenten steuerte. In letzter Sekunde gelang es ihm dann doch noch, den hochgewachsenen Männern auszuweichen und verfluchte das gute Wetter nur noch mehr. Die Blicke verfolgten ihn noch eine Weile, Yoongi konnte es gerade zu spüren und alles wurde ihm nur noch unangenehmer. Nie wieder wollte er ihnen begegnen. Warum musste er auch vor Schreck so laut quieken, als wäre jemand auf ein Meerschwein getreten? Ihm war unangenehm heiß und er wusste, dass er rot angelaufen sein musste.

In diesem Moment vermisste Yoongi sein Cap, mit diesem treuen Begleiter wäre das nicht passiert. Es schützte seine Augen vor den blendenden Sonnenstrahlen und verbarg sein Gesicht soweit, dass man nicht erahnen konnte, wie er sich fühlte. So ganz ohne die Mütze fühlte er sich gerade einfach nur unwohl und nackt. Dass der eigentliche Grund für die Situation seine Zerstreutheit war, ignorierte er gekonnt. Viel lieber regte er sich darüber auf, dass er Kamerad Kappe heute vor dem Losgehen nicht finden konnte. Ihre Wohnung war winzig, wie konnte da etwas verschwinden und desto länger er sich daran aufhing, wo das Baseballcap hin sein konnte, umso weiter fokussierte sich der Verdacht auf Jungkook. Dieser war bereits vor ihm gegangen und während Yoongi unter der Dusche stand, war genügend Zeit gewesen für den gemeinen Diebstahl.

Missmutig und mit verzogener Miene kam er vor ihrem Wohnhaus an, stieß mehrere Male gegen das unnachgiebige Gartentor und zog damit die Aufmerksamkeit des Jüngeren auf sich. Jungkook war leicht verschwitzt und hielt einen Hammer in der Hand. Sein Blick wanderte jedoch schnell zum Kopf seines Mitbewohners, auf dem dieser die vermisste Mütze trug. Yoongi presste seine Zähne aufeinander und ließ das Tor hinter sich lautstark ins Schloss fallen.

„Hyung, du bist ja schon zurück", begrüßte Jungkook ihn freudestrahlend und winkte ihm mit der freien Hand zu. „Meine Mütze", war das einzige, was er heraus bekam und er zischte die Worte förmlich. Irritiert sah ihn der andere an, fasste sich dann an den Schirm des Caps und lächelte verlegen. „Sie steht mir, oder?" „Das ist meine, fass meine Sachen nicht an", fauchte Yoongi nun, ging auf den Jüngeren zu und nahm diesem die Mütze ab, „Was machst du da überhaupt?"

Zerstreut und mit plattgedrücktem Haar sah Jungkook zu dem Hammer in seiner Hand und zu der halb angebrachten Sperrholzplatte. „Der Taifun, Hyung. Frau Kang meinte, die Fenster müssten gesichert werden, bevor der Sturm kommt", erklärte dieser und hob stolz seine zur Faust geballte Hand nach oben, „Wir sagen der Naturgewalt den Kampf an."

Remedy ʸᵒᵒⁿᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now