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2008

Lea

Ich starre fassungslos auf Ian, der Trevor gerade mitten auf dem Schulhof die Nase gebrochen hat. Niemand, der gerade sieht, wie die beiden aufeinander einprügeln, würde jemals glauben, dass sie beste Freunde sind. Trevors Gesicht ist blutüberströmt, aus seiner Nase läuft ein roter Strom, der sein T-Shirt versaut. Trotzdem steht er unter den Anfeuerungsrufen der anderen Schüler wieder auf, stellt sich vor Ian auf und nimmt die Fäuste hoch.

»Los, schlag doch zu«, fordert er Ian heraus, der prompt einen Schlag gegen Trevors ohnehin schon ramponiertes Kinn platziert.

»Hör auf«, schreie ich ihn an, aber Ian reagiert gar nicht. Er scheint wie in einem Wahn, für alles taub und blind, das sich um ihn herum abspielt.

Trevor rappelt sich auf, hechtet auf Ian zu und reißt ihn mit sich zu Boden. Ich sehe in die Gesichter der Schüler um mich herum. Die einen jubeln, die anderen werfen mir wütende Blicke zu, denn dieser Kampf findet wegen mir statt. Und wenn die beiden ihn nicht sofort beenden, riskieren sie ihre Plätze im Footballteam. Das könnte für Ian das Ende seiner Träume bedeuten.

Ich beuge mich direkt über die beiden, Ian liegt unten, während er Trevors Kopf im Schwitzkasten hält, und grinst zu mir auf. »Hör auf, habe ich gesagt«, brülle ich ihn an.

Das reicht. Sofort lässt er Trevor los, rollt ihn von seinem Körper und springt auf. Seine Unterlippe blutet, seine rechte Augenbraue auch und seine Fingerknöchel sind offen. Aber er grinst. Und es ist dieses Grinsen, das mich explodieren lässt.

Ian ist mein bester Freund, seit meine Mutter als Haushälterin für seinen Vater arbeitet. Aber er hat sich in den letzten Monaten verändert. Er wird immer härter und aggressiver. Zu Anfang habe ich ihm noch verziehen. Habe es als Folge dessen abgetan, was seine Mutter ihm angetan hat. Aber heute habe ich erfahren, dass ich der Grund für all diese Schlägereien bin. Und als friedliebender Mensch möchte ich nicht der Grund für Blut und Gewalt sein. Und ich möchte auch nicht, dass Ian sich in mein Leben einmischt. Dass er hinter meinem Rücken jedem, der auch nur in meine Richtung schaut, verbietet, mit mir auszugehen oder auch nur noch ein zweites Mal hinzusehen.

»Wir müssen reden. Sofort«, sage ich zu ihm, packe seine Hand und zerre ihn hinter mir her hinter die Sporthalle.

Es fällt mir nicht leicht, zu ignorieren, dass er in den Pausen gern mit einem Mädchen nach hier hinten verschwindet, aber das flaue, eifersüchtige Gefühl, kämpfe ich einfach runter, indem ich mehrmals tief einatme. Ian hat keine Ahnung, wie ich für ihn empfinde. Für ihn bin ich nur seine beste Freundin. Das Mädchen, von dem er auch gern behauptet, dass es seine Schwester ist. Da wir seit fünf Jahren unter einem Dach leben und meine Mutter irgendwie auch zu seiner geworden ist, hat er damit wahrscheinlich nicht unrecht. Aber das 15-jährige Mädchen in mir hat ganz andere Gefühle für den 17-jährigen Jungen in ihm. Aber um unsere Freundschaft zu schützen, und weil ich es hasse, wie er mit Mädchen umspringt, mit denen er Sex hatte, schweige ich und tue so, als wären wir wirklich nur Freunde.

»Du musst aufhören, auf Leute einzuschlagen«, werfe ich ihm vor und schubse ihn grob. Er prallt gegen die Turnhallenwand und lacht, was mich nur noch wütender macht. »Du hast kein Recht dazu, jeden zu verprügeln, der mit mir ausgehen will.«

Er richtet sich auf, schiebt die Hände in seine Taschen und schüttelt eine dunkelblonde Ponysträhne aus seinem Gesicht. Wie ich es liebe, wenn er das macht und dazu noch grinst, wie ein Bad Boy! Dass schlimme an Ian Ward ist sein Aussehen, diese Mischung aus Hollywood-Star und böser Junge, die jedes Mädchen dazu bringt, den Boden unter seinen Füßen zu küssen. Leider auch mich, aber ich kann das besser vor ihm verstecken, deswegen glaubt er, dass ich immun gegen seinen Charme bin. Er versucht seinen Charme trotzdem immer wieder bei mir einzusetzen, wenn wir uns streiten oder er etwas von mir möchte, wie zum Beispiel bei Tekken zu gewinnen.

The Distance between usOnde histórias criam vida. Descubra agora