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Lea

»Und? Wie war dein erster Tag?«, will Penny wissen, als ich das gemeinsame Zimmer betrete. Penny sitzt an ihrem Schreibtisch und kaut auf einem Stift herum. Vor ihr steht ihr Laptop. Offensichtlich arbeitet sie gerade an einer Excel-Tabelle. Ihrem genervten Gesichtsausdruck kann ich entnehmen, dass es wohl nicht so gut läuft.

»War ganz in Ordnung. Wir reden gleich«, verspreche ich, krame mein Handy aus der Tasche und setze mich auf den Rand meines Betts. »Ich will nur kurz hier anrufen, bevor die Stelle weg ist.«

»Du willst dich auf einen Job bewerben?«, will Penny erstaunt wissen und wendet sich neugierig weiter zu mir um.

»Am Nachmittag 3 Stunden«, sage ich und winke mit dem kleinen gelben Zettel.

»Wenn ich es nicht selbst verstehen würde, würde ich dich jetzt fragen, wie du das alles schaffen willst, bei all den Aufgaben als Fuchs, die auf dich zukommen werden.«

Ich presse die Lippen fest aufeinander und schlucke schwer. »Das muss ich, ich brauche das Geld. Meine Mutter kann es sich nicht leisten, mich zu unterstützen.«

Penny lächelt. »Ich versuche, dir den Rücken freizuhalten, indem ich dafür sorge, dass die Mädchen sich auf die anderen Füchse konzentrieren.«

Ich werfe der offenen Tür einen kurzen Blick zu, als ich jemanden nach mir rufen höre. »Ich bin hier oben«, antworte ich wenig begeistert. Wer weiß, wessen Wäsche ich jetzt wieder bügeln soll. Ich sehe Penny an. »Also sollte ich Ryan gar nicht erst anrufen? Er will mir den Campus zeigen.« Wenn schon mein Job zum Problem werden könnte, was ist dann erst mit Dates? Darf ich überhaupt meine Freizeit für mich selbst verplanen?

»Ryan? Den Campus zeigen?«, will Liz wissen, als sie in der Tür erscheint. »Habe ich das richtig gehört?«

»Hast du.« Ich beiße mir unsicher auf die Unterlippe und mustere Liz aufmerksam. Immer wenn ich sie sehe, spüre ich so einen Kloß in meinem Magen wachsen, weil ich ständig daran denken muss, dass sie Ians Freundin ist. Früher hat es mich auch gestört, Ian mit anderen Mädchen zu sehen, aber bei Liz fühlt es sich nochmal ganz anders an. Viel schmerzhafter. Weil er richtig mit ihr zusammen ist. Nicht so wie früher, als er jedes Mädchen nur benutzt hat.

»Das kannst du vergessen, Frischlinge dürfen keine Dates mit den Brüdern haben«, sagt plötzlich Katja, schiebt sich neben Liz in den Türrahmen und runzelt die Stirn, während sie mich aufmerksam mustert. Ihr Blick huscht für eine Sekunde fast schon drohend zu Penny, bevor sie sich wieder an mich wendet. »So sind unsere Regeln.«

»Weiß Ryan davon nichts?«, hake ich verwundert nach und sehe Penny hilfesuchend an. »Ich hatte keine Ahnung.«

Katja zuckt nur mit den Schultern. »Unten ist eine Vase kaputtgegangen, würdest du das bitte aufräumen?«

»Ich komme gleich«, sage ich und seufze innerlich. Wo ist der Spaß auf dem College, von dem alle immer reden? Bisher habe ich nur Verpflichtungen.

Katja wendet sich kommentarlos ab und zieht Liz mit sich, die mir zumindest noch ein bedauerndes Lächeln zuwirft.

»Zumindest habe ich dann genug Zeit für meine Vorbereitungen«, sage ich kleinlaut. Eigentlich habe ich mich sogar schon darauf gefreut, mir von Ryan den Campus zeigen zu lassen. Ich habe den halben Nachmittag damit verbracht, mich seelisch darauf vorzubereiten und war jetzt endlich soweit, es auch tatsächlich durchzuziehen, nicht ohne ein wenig stolz auf mich zu sein, weil ich es wirklich wagen wollte. Ich wollte gern mehr über die Dinge erfahren, die nicht in den Broschüren stehen. Mir von Ryan den Campus zeigen zu lassen, wäre perfekt dafür gewesen, zumindest haben mir diese Gedanken den Mut gegeben, den ich brauche.

The Distance between usWhere stories live. Discover now