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Ian

Ich liege auf meinem Bett, mein blutiges Shirt liegt mitten auf dem Boden meines Zimmers, und warte auf Lea. Vielleicht warte ich aber auch nicht auf sie. Denn ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, was einer meiner Freunde ihr angetan hat. Und schon gar nicht weiß ich, wie ich jemals wiedergutmachen kann, was ich ihr angetan habe. Ich habe sie meine Eifersucht und meinen Hass für etwas spüren lassen, das sie nie getan hat. Und noch viel schlimmer ist, ich bin daran schuld, dass Trevor ihr so viel Schmerz zugefügt hat. Wenn ich mich ihr gegenüber anders verhalten hätte. Wenn ich sie weiter beschützt hätte. Wenn wir alle die Mädchen nicht so behandelt hätten, wie wir es getan haben, dann wäre das wahrscheinlich nie passiert. Dann gäbe es auch keinen Pakt, der uns die Augen öffnen und uns beibringen soll, was wir eigentlich sowieso wissen sollten. Ich reibe mir fluchend über mein Gesicht, noch nie habe ich mich so schuldig und dreckig gefühlt wie in diesem Moment. Und das habe ich verdient. Ich habe noch viel Schlimmeres verdient.

Als Lea die Tür zu meinem Zimmer leise öffnet, versteife ich mich. Ich rutsche in meinem Bett nach oben und lehne mich gegen die Wand, ohne sie anzusehen. So sehr schäme ich mich für alles, was ich ihr angetan habe. Zugleich möchte ich sie ganz nah an mich ziehen und ihr versprechen, dass alles wieder in Ordnung kommt. Aber ich weiß auch, dass das nicht passieren wird. Lea wird immer mit den Erinnerungen an diese Nacht leben müssen. Und ich habe diese Nacht für sie noch viel grausamer gemacht. Und damit werde ich für immer leben müssen.

Sie stellt wortlos eine Schüssel mit Wasser auf meinen Nachttisch, dann setzt sie sich auf meinen Bettrand und wirft mir einen traurigen Blick zu. Ihre schöne Frisur hat sich aufgelöst, mehrere Strähnen hängen heraus und auch ihr Make-up ist völlig verlaufen und hat schwarze Schlieren auf ihren Wangen hinterlassen. Und trotzdem sieht sie noch immer wunderschön aus.

»Wie geht es dir?«, möchte sie wissen und ich versteife mich noch viel mehr. Lea würde mir nie Vorwürfe machen, nicht einmal jetzt, wo ich weiß, was ich ihr angetan habe. So ist sie nicht. Stattdessen will sie von mir wissen, wie es mir geht. Ihre Sorge um mich sorgt dafür, dass ich mich noch viel schlechter fühle.

»Du willst wissen, wie es mir geht?«, frage ich sie zornig und balle die Hände zu Fäusten. »Ich sollte dich fragen, wie es dir geht«, rege ich mich auf und ich bin genau so verzweifelt, wie meine Stimme jetzt klingt. Aber als ich ihren verängstigten Gesichtsausdruck bemerke, erstarre ich und verschließe meinen Mund, presse die Lippen so fest aufeinander, dass kein falsches Wort mehr herauskommen kann. »Entschuldige«, stoße ich vorsichtig aus und verziehe das Gesicht.

Sie lächelt. »Es geht mir gut, versprochen«, sagt sie und legt eine Hand auf meine geballte Faust. Ihre warme Hand berührt meine, streichelt vorsichtig über meinen Handrücken und sorgt dafür, dass ihre Wärme sich in meinem Körper verteilt und ich mich wieder etwas entspannen kann. »Ich hatte Zeit, um zu lernen, damit umzugehen. Du nicht, also wie geht es dir?«

»Ich bin wütend«, beantworte ich ihre Frage, aber das sagt nicht im Geringsten aus, wie ich mich wirklich fühle. »Ich denke, das war alles meine Schuld. Er hätte das nie getan, wenn ich mich nicht wie ein Idiot aufgeführt hätte wegen unseres Streits.«

Lea seufzt leise, nimmt einen Lappen aus der Schüssel mit Wasser und beginnt, meine Hände abzutupfen, dabei sieht sie mich nicht mehr an. »Du hattest keinen Streit mit Stella und ihr hat er auch wehgetan. Und deine anderen Freunde haben auch niemanden ...« Sie stockt, spült den Lappen in der Schüssel aus und tupft meine andere Hand ab. »Ich denke, Trevor ist einfach zu Dingen fähig, zu denen die meisten anderen Menschen nicht fähig sind.«

»Das hätte niemals passieren dürfen«, sage ich kopfschüttelnd. »Was ich an dem Tag zu dir gesagt habe, das hätte ich niemals sagen dürfen. Und ich hätte dich auch nicht so bedrängen dürfen. Alles davor und alles danach, es tut mir leid«, stoße ich mit zitternder Stimme aus. Ich würde verstehen, wenn sie mir niemals verzeihen kann. Ich könnte es nicht. Ich werde mir niemals verzeihen können. Ich möchte ihr noch so viel mehr sagen, aber ich finde nicht die richtigen Worte, also nehme ich ihr den Lappen aus der Hand und werfe ihn in die Schüssel zurück. Dann rutsche ich in die Mitte meines Betts und klopfe mit der Hand neben mich auf die Matratze.

The Distance between usWhere stories live. Discover now