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Seit dem ich mir vorgenommen habe Elijah doch anzusprechen ist jetzt knapp ein Monat vergangen und oh Wunder, ich habe ihn noch nicht angesprochen. Irgendwie traue ich mich nicht. Allerdings waren auch die Herbstferien zwischen der Entfachung meines Planes und jetzt, also nutze ich die zwei Wochen in der keine Schule war als Ausrede.

Zum Glück habe ich Clara nichts davon erzählt, weil sie hätte mich direkt, sobald ich die Worte ausgesprochen hätte zu Elijah rüber geschubst.

Sie und Gareth haben sich immer noch nicht ausgesprochen, obwohl es ihn mittlerweile weniger zu stören scheint als Clara. Er beklagt sich mittlerweile kaum noch darüber, wie sehr er sie vermisst, während Clara immer häufiger darüber meckert, wie blöd Gareth sich doch verhält. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, sie steht vielleicht doch auf ihn, aber das will ich ihr nicht sagen, da soll sie von alleine drauf kommen.

Elijah hat scheinbar wirklich mit dem Rauchen aufgehört, jede Pause starren Gareth, Clara und Ich mittlerweile zu ihm rüber und warten darauf, dass er sich eine Kippe anzündet, was bisher aber noch nicht passiert ist.

In dem letzen Monat ist sonst nichts wirklich Spannenderes passiert, bis darauf dass meine Gefühle für Elijah sich seit meinem Vorhaben scheinbar verdoppelt haben. Jedes Mal wenn ich zu ihm rüber schaue, beginnt mein Herz mehr zu klopfen und ich stelle mir vor, wie ich zu ihm rüber gehe, nur bekomme ich jedes Mal kalte Füße, so dass ich nicht mal aufstehe.

Es ist schon November und es ist mittlerweile so kalt, dass wir die Pausen, zu meinem Leidwesen drinnen verbringen. Denn seitdem wir im Schulgebäude pausieren bekomme ich Elijah deutlich weniger zu Gesicht, als vorher. Denn Sonny raucht immer noch und da Elijah ein guter Freund zu seien scheint, verbringt er mit Sonny draußen in der Kälte, obwohl die beiden mittlerweile deutlich kürzer ihre Zeit draußen verbringen.

„Jetzt zieh doch nicht so ne Schnute.", beklagt sich Clara neben mir und piekst mir in die Seite, ich zucke zusammen. „Du verhältst dich ja gerade so, als hätte er mit dir Schluss gemacht. Ihr habt noch nie miteinander geredet.", tut Clara ihrer Meinung kund und ich wende meinen Blick von der Eingangstüre ab und schaue Clara wütend an. Ja, vielleicht bin ich traurig darüber, dass Elijah noch nicht rein gekommen ist, aber sie ist nicht in der Position mich dafür zu verurteilen, sie sollte sich zunächst einmal ihrer Gefühle gegenüber Gareth im klaren werden oder wenigstens wieder mit ihm reden.

„Ich zieh ne Schnute, weil ich gleich vollkommen alleine Religion habe.", lüge ich, da es nicht stimmt, ich ziehe offensichtlich eine Schnute wegen Elijah. Trotzdem ist es blöd, alleine ohne Freunde Unterricht zu haben. Ich weiß selber nicht genau, warum ich überhaupt Religion und nicht Philosophie gewählt habe, aber irgendwo mag ich das Fach und meinen Lehrer. Der einzige Haken ist nur, dass mein Kurs furchtbar klein ist und ich nicht mal ansatzweise Freunde habe, ich sitze sogar alleine.

Als Elijah lachend mit Sonny durch die Türe kommt halte ich den atmen an. Draußen muss es scheinbar regnen, denn seine sonst so lockigen Haare kleben jetzt nass an seiner Stirn und im Nacken. Ich muss schlucken, in Kombination mit dem Lächeln ist das wohl das schönste, was ich je gesehen habe.

Ein Stoß in meine Rippen lässt meinen Blick wieder abschweifen, Clara grinst belustigt. „Also langsam wird's auffällig", meint sie. Ich sollte echt die nächste Gelegenheit nutzen um Elijah anzusprechen, das habe ich mir jetzt fest vorgenommen, aber dazu werde ich nicht kommen, denn ohne es jetzt zu wissen, wird er mich zuerst ansprechen.

Clara steht auf. „Da ist meine Lehrerin.", sagt sie und verschwindet dann mit ihrem Kurs, inklusive Gareth. Zurück bleiben die Schüler aus meinem Kurs und die von evangelischer Religion und Elijah.

Verwundert verziehe ich mein Gesicht. Elijah ist bei Clara und Gareth in Philosophie, was macht er noch hier? Schwänzt er? Aber bevor ich mir noch mehr Gedanken darüber machen kann taucht schon mein Lehrer auf und zwingt mich dazu meine Gedanken an Elijah zu verwerfen und ihm zu folgen.

Missmutig lasse ich mich auf meinen Platz fallen und stelle meine Tasche neben mich auf den Stuhl, eine gute Sache hat es alleine zu sitzen, man hat unglaublich viel Platz. Ich hole schon mal meinen Hefter, meine Collageblock und mein Mäppchen heraus und blicke dann auf und halte automatisch den Atem an. Vorne am Lehrerpult steht Elijah und redet mit meinem Lehrer. Was macht er hier? Angestrengt versuche ich zu lauschen, was sie sagen, aber die Hintergrundkulisse ist zu laut.

Meinen bohrenden Blick wende ich fluchtartig ab, als Elijah sich umdreht. Ich tue so, als würde ich irgendwas wichtiges in meinem Mäppchen suchen, dabei ist das einzige worauf ich mich gerade konzentriere mein beschleunigter Puls, den ich versuche irgendwie wieder in den Griff zu bekommen. Ich zucke zusammen, als ich aus dem Augenwinkel erkenne, dass jemand vor mir steht und dass dieser jemand Elijah ist. „Ist neben dir noch frei?", fragt er, als ich leicht verschreckt zu ihm hochschaue. Er lächelt und zeigt dabei seine weißen, perfekten Zähne und seine Grübchen. Ich nicke wie paralysiert und greife nach meiner Schultasche neben mir, um sie von Stuhl zu nehmen. Auch die anderen haben mitbekommen, dass Elijah hier ist, obwohl er nicht hier sein sollte, denn während ich versuche nicht auszuticken, tuscheln sie miteinander.

„Seit wann biste bei uns im Kurs?", fragt Benni, welcher hinter uns sitzt an Elijah gerichtet, dieser dreht sich um. „Ich bin gewechselt.", erklärt er und damit hat sich die Frage wohl für alle geklärt. „Ich dachte man kann nur zum Halbjahr hin wechseln?", frage ich überrascht und wundere mich zugleich, wie ich diesen Satz ohne stottern über meine Lippen bringen konnte.

Das man nur zum Halbjahr wechseln kann weiß ich auch nur, weil ich selber vorhatte in den Philosophiekurs zu wechseln um wenigstens dort Freunde zu haben, aber wenn Elijah jetzt hier ist, überlege ich es mir vielleicht nochmal. „Sagen wir so, es war Gottes Wille.", scherzt er und bekommt von mir nur ein halbherziges Lächeln, viel zu perplex bin ich darüber, dass Elijah jetzt neben mir sitzt und außerdem weiß ich nicht genau, was er mit seiner Aussage meint, immerhin muss es ja irgendein Grund geben, weshalb mitten im Halbjahr wechseln konnte. Jemand wechselt von Philosophie zu Religion, dass kommt sicher auch nicht oft vor.

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Die Stunde war der Horror, ich habe mich kein einziges Mal gemeldet, weil ich viel zu nervös wegen Elijah war und ich wette wegen ihm verschlechtert sich meine gute Religionsnote jetzt drastisch. Mein Herz hat teilweise so laut geschlagen, dass ich es bis in meine Ohren gehört habe und Angst haben musste, dass auch Elijah mein Herzschlag hören konnte.

Nach dem Klingeln verlasse ich fluchtartig, mit hochrotem Kopf den Raum und bete, dass das alles noch besser werden würde, sonst überlege ich es mir anders und wechsle doch zu Philosophie. Clara und Gareth sitzen schon an unserm Platz und unterhalten sich zu meinem Erstaunen miteinander. Ihre Lehrerin lässt sie meistens früher gehen. Ich setze mich schnaufend auf meinen Platz und lasse erstmal meinen Kopf auf die Tischplatte fallen.

„Was ist los?", fragt Clara besorgt und tätschelt fürsorglich meinen Kopf. Ich hebe meinen Kopf langsam wieder und schaue meine besten Freunde wehleidig an. „Elijah ist in meinen Kurs gewechselt.", verkünde ich gequält die frohe Botschaft, mit dem Wissen, dass Clara jetzt vollkommen austicken wird. Doch sie bleibt leise und starrt mich nur mit geöffnetem Mund an, Gareth ist der erste, der was sagt. „Was?", fragt er überrascht. „Er sitzt jetzt neben mir.", jammere ich und vergrabe meine Hände ins Gesicht.

Meine anfängliche Freude hat sich mittlerweile in Verzweiflung umgewandelt, denn ich merke, ich wie mich neben Elijah nicht konzentrieren kann und mich wie der größte Affe überhaupt verhalte. Clara grinst mittlerweile breit. „Das ist doch toll, jetzt könnt ihr euch doch kennen lernen.", spricht sie enthusiastisch aus und gestikuliert wild mit den Händen. „Wie wollen wir uns kennen lernen, wenn ich in seiner Anwesenheit kein vernünftiges Wort heraus bringe?", frage ich wütend und fahre mir durchs Haar.

Während der Stunde hat Elijah mich mehrmals angesprochen und im Vergleich zu meiner makellosen Aussprache meines ersten Satzes an ihn habe ich danach nur peinliches Gestammel von mir gegeben. Ich bin verloren!

„Er wird jetzt merken, was fürn Idiot ich bin.", jammere ich verzweifelt. Mein Bedürfnis nach meinem Bett und einem Pott Eis ist gerade ins unermessliche gestiegen. „Jetzt stell dich doch nicht so an, ich wette das heute war nur der Schock und die nächste Stunde wird's schon besser.", versuch Gareth mich aufzumuntern und ist damit wohl der einzige hier am Tisch, der Ruhe bewahrt und seine Worte schaffen es tatsächlich mich ein wenig mich zu beruhigen. Vielleicht hat er ja sogar Recht, vielleicht schaffe ich es Worte mir Elijah zu wechseln. Vielleicht ist das ja auch endlich meine Chance ihn kennen zu lernen. 

Joyeux NoëlWhere stories live. Discover now