Kapitel 2

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Es vergeht eine Weile bis sich der Fremde wieder gefasst hat. Nachdem ich sicher stelle, dass er sich ausgeheult hat, hebe ich meinen Kopf von seiner Brust und blicke ihm entgegen. Seine geröteten Augen, lösen ein dümmliches Grinsen in meinem Gesicht aus.

"Taschentuch?", strecke ich ihm die Taschentuchpackung entgegen, die ich vorhin noch selbst brauchte. Der Fremde runzelt die Stirn, ehe er anfängt zu lachen, wobei seine letzten Tränen aus seinen Augen fallen.

"Danke." Mein Grinsen unschuldig erwidernd, nimmt er ein Taschentuch heraus. Während er seine Tränen wegwischt, ergreife ich die Möglichkeit, um ihn zu mustern.

Pechschwarze Haare, unglaubliche braune Augen, prächtige Zähne und eine sportliche Statur.

"Wer auch immer dich zum Heulen gebracht hat, muss dich ziemlich verletzt haben."

Der Schwarzkopf räuspert sich am Hinterkopf kratzend. "So in etwa." In den glasigen, geschwollenen Augen liegt ein tiefer Schmerz.

In Sorge, dass er ein weiteres Mal beginnt zu weinen, hebe ich abwehrend meine Hände in die Luft. "Okay, okay, heul bitte nicht mehr. Ansonsten heule ich gleich auch noch."

Er lächelt mich nur schüchtern an, wobei sich seine zwei Grübchen zeigen, und bedankt sich. "Danke."

"Wofür?"

"Für das gerade eben. Das habe ich echt gebraucht.", gibt er zu.

Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich das gebraucht habe.

"Keine große Sache", schmunzele ich ihn ehrlich an. "Komm."

"Wohin?" Verwirrung ist in seinem Gesicht niedergeschrieben.

"Keine Ahnung", quittiere ich mit einem Achselzucken.

"Du kennst mich nicht. Was ist, wenn ich ein Vergewaltiger bin?"

Ich schürze die Lippen. "Ich habe vieles gehört, aber in einer Gasse heulen, um sein Opfer auffündig zu machen? Ehrlich, auch wenn du es wärst, ich bin ein Straßenkind und musste mich bereits mehrfach verteidigen."

"Man sollte keinen Fremden trauen.", grinst er mich spitzbübisch an. Meine Güte, was ein Goldjunge.

"Ich habe gerade einen völlig Fremden umarmt, also kann man sich denken, wie egal mir das gerade ist, oder?"

"Warum? Warum hilfst du mir?"

"Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, falls etwas Schlimmes geschehen sollte, okay? Vielleicht tust du jemanden oder sogar dir selbst etwas an. Ich meine, guck dir diese Mauer aus Beton an. Deine mickrige Faust hat keine Chance dagegen, egal wie stark du auch sein magst. Oder vielleicht kippst du um. Niemand würde dich hier finden, denn selbst ich habe mich hier verlaufen. Wenn etwas passieren würde, würde es mich bis auf mein Lebensende verfolgen, weil ich es hätte verhindern können.", erkläre ich ihm zum Teil ehrlicherweise, denn eigentlich brauche ich gerade ja selbst jemanden, der mir Gesellschaft leistet

"Sevgidolu kız.", tauft er mich grinsend als Mädchen voller Liebe.

Ich verdrehe nur meine Augen und deute auf den Weg. "Bewegst du jetzt deine vier Buchstaben?"

"Mhm.", summt er und läuft neben mir umher. "Sevgidolu kız, ist es eine Straftat, wenn ich dir sage, dass ich dich jetzt schon mag?"

"Solange du nicht heulst, Heulsuse, lautet die Antwort nein.", beantworte ich seine Frage.

"Dann sag ich es: Ich mag dich jetzt schon."

"Bist auch nicht übel.", grinse ich mit gleichgültig zuckenden Schultern.

"Wow, so ein schönes Kompliment. Ich frage mich, womit ich das verdient habe.", lacht er ironisch auf und legt seine Hand auf seine Brust.

Fortsetzung folgt...

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