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DIE SCHMERZEN waren so schrecklich, dass Skylar wünschte, das Angebot ausgeschlagen zu haben. Allerdings war ihr bewusst, dass Klaus und Vanya niemals zugelassen hätten, dass Skylar verletzt vor sich hinvegetierte. Außerdem würde der Schmerz zwar kurz aufflammen, später aber umso weniger brennen.
Und sie stand es durch, so stark sie auch dagegen ankämpfen musste, das Bewusstsein zu verlieren. Vanya hielt ihre Hand.
"Wie fühlst du dich?", fragte sie danach. Fast verhielt Vanya sich wie eine besorgte Mutter, und Skylar fühlte sich plötzlich furchtbar schlecht, weil sie sich so lange nicht gemeldet hat in den letzten Jahren.
"Ich möchte alleine sein, in Ordnung?", bat sie, einen entschuldigenden Blick werfend. Vanya wirkte ein wenig enttäuscht, aber sie zwang sich zu einem Lächeln.
"In Ordnung", bestätigte sie, und überließ Skylar und Pogo einander.
"Miss Skylar", sagte Pogo auch schon, sobald die Tür hinter Vanya ins Schloss gefallen war. Skylar hatte sich schon aufgesetzt, und lehnte jetzt an der aufgestellten Lehne, die Beine zur Brust gezogen. Wie ein Embryo saß sie da, schwach und zerbrechlich, aber dennoch irgendwie stark. Pogo pirschte sich vorsichtig an, darum bemüht, keine falsche Bewegung zu machen, als wäre Skylar ein verschrecktes Reh. Er schwieg.
"Es ist in Ordnung, Pogo", sagte Skylar schließlich, aber sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. "Du hast nur gemacht, was Dad verlangt hat." Die Distanz in ihrer Stimme war dennoch deutlich zu hören und Pogos Augen schimmerten traurig. Er stützte sich auf dem Behandlungstisch ab und massierte sich die Schläfen. "Als du ein Kind warst, sind wir uns sehr nahe gestanden", begann er. Skylar entging nicht, dass er auf einmal ins per Du umgeschwungen war.
"Ich weiß", flüsterte sie. "Du hast mir die Bücher in der Bibliothek gezeigt. Ich habe mir das Lesen selbst beigebracht. Du hast mir alles über die Welt erzählt." Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, das sie sofort wieder beiseite wischte. Nostalgie war etwas für Schwächlinge, sagte sie sich selbst, und doch lasteten die Erinnerungen bei jedem Schlag auf ihrem Herz. Pogos Augenlider senkten sich voll von demselben Schmerz.
"Nun, du weißt, ich schätzte und schätze deinen Vater immer noch sehr. Doch manche Dinge, und es sind nicht viele, bereue ich zutiefst. Dinge, die ich ihm zuliebe erledigt habe, oder für die ich mich eingesetzt habe. Ich weiß, ihr fühlt euch von ihm ungerecht behandelt. Und auch wenn er nicht der warmherzigste Mensch war, ich kannte ihn in jüngeren Jahren, von einer menschlicheren Seite, und er hat sich meine Loyalität verdient, glaub mir." Pogo zögerte. "Aber diese eine Sache bereue ich." Seine Stimme war ein Flüstern, und Skylars Blick schwang mit Mitgefühl. "Es ist in Ordnung, Pogo", wiederholte sie. Behutsam legte sie eine Hand auf Pogos Schulter, um ihm beizustehen, doch er drehte sich weg. "Nein, Miss Skylar. Ich sehe, wie sehr du davon mitgenommen wurdest. Und es tut mir leid."
"Ich vergebe dir", erwiderte Skylar. "Und jetzt weiß ich doch, dass er lebt." Sie legte alles daran, stark zu klingen, auch wenn sie innerlich zerbrach.
"Das macht es besser?".
Damit traf Pogo einen Nerv und Skylar räusperte sich geschwind. Sie rutschte solange herum, bis sie sich dazu entschied, endgültig aufzustehen. "Pogo, mach dir bitte keine Vorwürfe", sagte sie halbherzig, denn gedanklich war sie bereits nicht mehr in diesem Raum. "Ich muss jetzt gehen."
Pogo spürte die semi Lüge, aber er nickte verständnisvoll und resigniert. "In Ordnung. Passen Sie auf, Miss Skylar. Dein Herz kannst lediglich du beschützen, keiner sonst."
Skylar verharrte einen Moment lang, bevor sie in den Aufzug trat und mit gekrümmter Körperhaltung ein Stockwerk hinaufbefördert wurde. Oben traf sie auf Allison und Vanya, welche sofort verstummten, als sie Skylar erblickten. Skylar brauchte nicht groß nachfragen oder analysieren, es war offensichtlich, dass die beiden über sie gesprochen hatten, und ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, war es nichts besonders erfreuliches. Skylar verkniff sich ein wütendes Schnauben und stolzierte in gefasster Haltung die Treppen hinauf, in ihr Zimmer. Auf ihrem Bett lag der Vodka, den sie beim (geschlossenen) Fenster hinausschleuderte. Die Scheibe zerschellte und sie wimmerte kurz. Dann riss sie ihren Schrank auf und kramte nach alten Klamotten, allerdings fand sie kaum etwas Brauchbares. Ihr Stil hat sich eindeutig verändert in den letzten Jahren, und zwar nicht nur ein bisschen. Doch ganz unten fand sie ihre Doc Martens, nach denen sie erleichtert griff. Wie ein Baby umarmte sie das Paar Schuhe, und schliff es mit ins Zimmer nebenan. Es war, wie erwartet, leer. Vermutlich trieb sich Klaus mal wieder irgendwo herum und verursachte den größten Unfug. Skylar durchstöberte Laden und Schrank und wurde schließlich fündig. Sie grinste, ein wenig verschmitzt. In Händen hielt sie Klaus' Lederhose, die bei ihr zwar eng saß, aber definitiv passte. Schnell schlupfte sie hinein (nachdem sie ihre Jeans ausgezogen hatte) und betrachtete sich glücklich im Spiegel, nachdem sie ihre Füße in die Doc Martens gesteckt hat.
"So kann man sich sehen lassen", murmelte sie zu ihrem Spiegelbild, bevor sie sich zuzwinkerte und das Fenster öffnete. Erleichtert stellte sie fest, dass das Seil noch immer am Fensterbrett befestigt war. Sie griff stramm danach und schwang ihre Beine hinaus.
"Auf ein Neues", sagte sie, und seilte sich hinunter. Sie würde Harvey einen Besuch abstatten.
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