Kapitel 36

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Doch jetzt war auch nicht die Zeit, mit ihren Hormonen zu hadern. Sie schlenderte zu der Tür hinüber, hinter der Snape verschwunden war. Sie hatte dieses Zimmer noch nie betreten, doch wenn er nicht wollte, dass sie jetzt eintrat, hätte er die Tür schließen sollen. Sie lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust, als sie ihn beobachtete.

Es war offensichtlich sein Schlafzimmer. Doch es war nicht das große Bett, das ihren Blick einfing, sondern mehrere zerbrochene Phiolen, die zerschmettert am Boden lagen und an der Wand und auf dem Boden verspritzte Flüssigkeit hinterlassen hatten. Und der Tränkemeister selbst, der auf der gegenüberliegenden Seite an einer in der Wand eingelassenen Stange hing und offensichtlich vorhatte, bis zum Morgengrauen Klimmzüge zu machen.

Nicht dass sich Hermione beschweren würde. Er hatte seinen Umhang achtlos auf das Bett geworfen und bot nur in Hose und ärmellosen T-Shirt (schwarz, Überraschung, Überraschung!) einen – natürlich aus rein akademischen Gesichtspunkten – interessanten Anblick. Es war klar, dass er diese Übungen nicht zum ersten Mal in seinem Leben machte.

Seine Arme waren lang und kräftig und fein definiert und die Muskeln in den Schultern bewegten sich mit jedem Klimmzug, den er anscheinend bewusst langsam vollzog. Hermione machte die Entdeckung, dass er weit weniger blass war als sie geglaubt hatte – ein weiteres Indiz, dass die Wirkung des Vielsafttrankes verloren ging.

Und wenn sie ehrlich war, hätte sie sich in all den Jahren zuvor auch einmal fragen sollen, wie jemand, der ständig draußen in der Natur war und die meisten seiner Ingredienzen selbst sammelte, in die Verlegenheit kommen sollte, blass zu sein.

Auf seinem Unterarm war deutlich die Schlangentätowierung Voldemorts zu erkennen. „Willst du beim nächsten Bodybuilding Contest mitmachen?", fragte sie schließlich.

Mit einem hörbaren Seufzer ließ sich Snape fallen und kam in den Knien federnd auf. Er drehte sich um und wischte sich den Schweiß auf der Stirn mit seinem T-Shirt ab.

Okay, dachte Hermione, zumindest der Bauch war wirklich blass... und warum war ihr bei ihrem verschiedenen „Handauflegen" nie aufgefallen, wie durchtrainiert er war? Vielleicht, weil Blut und diverse Verletzungen deine pubertierenden Gedanken ein wenig gestoppt hatten, Mione, rief sie sich selbst zur Ordnung.

„Nein", antwortete Severus und riss sie aus ihren Gedanken. „Ich versuche nur, mich davon abzuhalten, einer schrecklichen kleinen Göre mit mehr Mut als gut für sie wäre, den Hals umzudrehen. Außerdem ist es dir vielleicht schon einmal aufgefallen, dass die meisten Zauberer ohne ihre Zauberstäbe völlig hilflos sind. Keiner von ihnen kommt auf die Idee, sich körperlich zu wehren. Ich nutze alle meine Gaben."

Er betrachtete sie einen Moment regungslos. „Danke", sagte er schließlich.

Hermione fragte nicht warum. Er hatte nach fast einer Woche wieder einmal durchschlafen können, und er wusste selbst, dass es höchste Zeit gewesen war. Er streckte seine Hand aus und ließ seinen Zauberstab hinein fliegen. Mit einem kurzen Wedeln verschwand die Sauerei, die er angerichtet hatte, dann kam er mit großen Schritten zu ihr herüber und sah auf sie hinunter.

„Du wirst doch heute im Unterricht nicht einschlafen, oder?"

Sie schüttelte ernsthaft den Kopf. „Es ist Freitag", antwortete sie. „Da habe ich nur eine Doppelstunde Zaubertränke und eine Stunde Kräuterkunde. Danach übernehme ich die Zweitklässler in Verwandlungen und dann ist auch schon Feierabend. Kein Problem also, heute Mittag ist Schluss, solange halte ich problemlos aus."

„Das ist auch gut so", stimmte er mit tiefer Stimme zu. „Ich habe gehört, der Zaubertränkelehrer soll ein ganz scharfer Hund sein, immer schnell bei der Hand mit Punkteabzug und Strafarbeiten."

Scharf mit Sicherheit, dachte Hermione und wurde rot, als ihr bewusst wurde, was sie dachte, und vor allem, über wen sie so dachte. Sie hoffte, Severus hielt sich an sein Versprechen, und drang nicht in ihre Gedanken ein, ohne dass sie es merkte.

„Ja", sagte sie langsam, „ein ganz übles Subjekt. Ziemlich erschreckend."

„Und mit fürchterlichem Temperament, hat man mir erzählt...", fuhr er fort.

„Na ja, so schlimm ist es auch wieder nicht." Hermione lächelte ihn an. „Er bellt, aber er beißt nicht. Eigentlich ist er ganz in Ordnung."

In den tiefschwarzen Augen glomm etwas auf. Etwas ... Sie konnte es nicht benennen, und es verschwand schnell wieder. „Geh jetzt", forderte er sie auf. „Geh duschen und mach das, was Mädchen halt immer so lange im Bad machen, bevor sie frühstücken gehen." Seine Oberlippe kräuselte sich leicht. Wie üblich schob er sie mit leichtem Druck in Richtung Tür, wo er aufmerksam hinausspähte, bevor er sie entließ.

„Und Lupin?", fragte sie, bevor sie hinausschlüpfte.

„Die selbe Zeit wie gestern?"

„In Ordnung", antwortete sie und verschwand in dem Geheimgang schräg gegenüber seines Quartiers. Severus beobachtete noch einmal den dunklen Flur, dann schloss er leise seine Tür und blieb nachdenklich mitten im Raum stehen.

Noch einmal las er das Pergament durch, das ihm Amigo gebracht hatte. Dann drehte er sich zu dem Werwolf um, der, den Kopf auf den Pfoten, aufmerksam seine Bewegungen beobachtete.

„Spätestens nächste Woche wird Fawkes wieder Tränen haben, mein Freund", sagte er. „Und dann solltest du besser wieder auf die Beine kommen, ich habe schließlich noch andere Sachen zu erledigen. Du weißt schon... die Welt retten und so. Kann ich nicht einem Teenager ganz allein überlassen."

Er runzelte die Stirn. Jetzt fing er schon genauso an, mit dem Wolf zu reden wie dieses... Mädchen. Aber vielleicht hatte die kleine Löwin ja Recht, und Lupin verstand ihn irgendwie.

Er hockte sich in kurzer Entfernung vor den Käfig auf die Fersen. „Natürlich wäre es besser, du verstehst doch nicht allzu viel, Remus", sagte er bedächtig. Verdammt, ich hätte sie beinahe geküsst, weißt du. Ein feiner Lehrer bin ich, das kannst du mir glauben...

A snake, with a Gryffindors heartWhere stories live. Discover now