Prolog

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Hin und wieder hat das Schicksal Ähnlichkeit mit einem örtlichen Sandsturm, der unablässig die Richtung wechselt. Sobald du deine Laufrichtung änderst, um ihm auszuweichen, ändert auch der Sturm seine Richtung, um dir zu folgen.

Haruki Murakami

Die Frau lief nicht nur um ihr Leben

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Die Frau lief nicht nur um ihr Leben. Eng drückte sie das in Tücher eingewickelte Kind an ihre Brust. Ihr Atem ging keuchend. Immer wieder hustete sie und spuckte Blut auf den Boden, das sofort darin versickerte. Zurück blieb nur ein hässlicher, roter Fleck, der jedoch im ockerfarbenen Wüstensand kaum zu sehen war. Sie lief weiter, durfte nicht anhalten. Kein Blick zurück. Sie wollte nicht wissen, wie nah die Verfolger ihr schon waren.

Das Kind in ihren Armen fing an zu weinen, doch sie legte ihm die Hand auf den Mund. In ihrem Gesicht stand ein ungekannter Schmerz. Sie hatte vieles verloren an diesem Tag. Vielleicht zu viel. Wenn sie nur dieses eine Leben noch retten könnte, dieses eine!

Plötzlich ertönten laute Rufe und Schreie hinter ihr. Die Frau drehte sich erschrocken um, riss die Augen auf. Mehrere schwer gerüstete Männer auf Pferden näherten sich ihr. Die Hufe wirbelten gelbliche Staubwolken auf, die gezogenen Schwerter blitzten kurz im Licht der untergehenden Sonne. Es sah aus, als wären sie blutbefleckt. Wie viele Unschuldige waren durch diese Klingen gestorben?

Die Frau schrie auf, als sie stolperte. Sand, überall war Sand. Er drang ihr in die Augen, die Ohren, den Mund. Sie spuckte wieder Blut, hielt sich die schmerzende und schon halb verkrustete Wunde an der Schulter. Blind tastete sie nach dem Kind, das nur wenige Schritt neben ihr lag und laut weinte. Sie hob es auf, hievte sich auf die Beine und rannte weiter. Die Erde unter ihren Füßen bebte bei jedem Galoppsprung, den die Pferde vollführten.

Auf einmal blieb die Frau stehen, blinzelte sich den restlichen Sand aus den Augen und drehte sich um. Die Sonne war nur noch eine rote Kugel am Horizont, vor dem sich undeutlich der Umriss eines einzelnen Berges abzeichnete. Auch die Reiter waren nur noch schwarze Silhouetten vor dem blutenden Licht. Als die Frau anhielt, zügelte der Anführer sein Pferd und bedeutete den anderen dasselbe zu tun.

»Marielle, Marielle«, hob der vorderste Mann an. Seine Stimme klang wie das Knurren eines wütenden Hundes. »Du weißt, dass du nicht gewinnen kannst. Gib uns den Königssohn und wir lassen Gnade über dich walten.«

Die Frau schüttelte den Kopf. Sie drückte das Kind mit einer Hand an sich. Die andere verschwand hinter ihrem Rücken. Der Mann bemerkte das und hob sein Schwert. Die Spitze deutete anklagend auf ihre Brust.

»Ich warne dich nur einmal! Wenn du versuchst, mit einem Messer auf uns loszugehen...«

Plötzlich ertönte ein lautes Donnern. Es schien weit entfernt, wurde jedoch immer lauter. Einige Pferde scheuten und ihre Reiter hatten Schwierigkeiten, sie unter Kontrolle zu halten. Eines der Tiere stieg und warf seinen Besitzer ab, der mit lautem Scheppern auf dem Boden aufkam. Der Anführer fuhr gereizt zu seinen Männern herum, doch als sein Blick gen Norden ging, verwandelte sein Ärger sich in Furcht.

Pazifik - VerfolgtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt