12. Kapitel

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Kinder, seht, da müsst ihr wachen,

Euch vom Irrtum zu befrei'n.

Glaubet nie dem Schein der Sachen,

Sucht euch ja gewiss zu machen,

Eh' ihr glaubt, geliebt zu sein.

Johann Wolfgang von Goethe

Vala schlang das trockene Brot und den Haferbrei hinunter, der ihr angeboten worden war

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Vala schlang das trockene Brot und den Haferbrei hinunter, der ihr angeboten worden war. Neben ihr trank Serval den Rest des Wasserschlauchs aus, den sie selbst zuvor zur Hälfte geleert hatte. Dabei wurden sie von Mascha misstrauisch beäugt. Die Direktorin der Zirkusgruppe hatte ihnen erlaubt, im Inneren des Wagens mitzufahren, während Nikolai und der Messerwerfer Lintai wieder auf das Dach geklettert waren, wo ein weiterer Mann mit zerstrubbelten, hellblonden Haaren auf sie gewartet hatte.

»Nun, Peke und Malkia«, Mascha betonte ihre falschen Namen als würde sie wissen, dass sie sie angelogen hatten, »ich hoffe, ihr werdet mich nicht enttäuschen.«

»Werden wir nicht«, antwortete Serval, setzte den Wasserschlauch ab und reichte ihn der Direktorin zurück, die ihn entgegennahm und an einen Nagel hängte.

Das Innere des Wagens war mit allerlei Gegenständen zugestellt, die Vala teilweise noch nie gesehen hatte. Sie fragte sich, wofür die ganzen Ringe, Tücher und Metallkisten gut sein sollten. An der hinteren Wand hing ein Halter für mehrere Messer, die sicher Lintai gehörten. Darunter waren ein paar Decken übereinander gelegt, auf denen ausgestreckt eine Frau lag und schlief. Vala konnte nicht recht sagen, ob sie auch ein Bleichgesicht war, denn im Wagen herrschte ein unstetes Dämmerlicht, doch die Haut wirkte dunkler als bei normalen Bleichgesichtern. Und ihre Haare waren schwarz wie die Federspitzen der Geier, die manchmal über Ngome flogen.

Außer Mascha und der schlafenden Frau befand sich noch ein weiterer Mann im Inneren des Wagens. Nur Bleichgesichter hier, dachte Vala und musterte den Mann, der neben Mascha saß. Er hatte hellbraune Haare, die ihm bis zu den Schultern gingen, und einen löchrigen Bart, der sein Gesicht eher verunstaltete als attraktiv machte. Seine schmutzig grauen Augen taten das übrige. Er sah aus, als hätte er eine unheilbare Krankheit, an die er ununterbrochen dachte. Magier sind Strahlenkranke, ging es ihr durch den Kopf. Aber sie sind nicht ansteckend. Ich brauche keine Angst zu haben. Trotzdem fühlte sie sich unwohl. Ich soll ausgerechnet seine Assistentin sein.

»Ich entnehme Eurem Akzent, dass ihr dem Volk der Russen angehört«, wandte Serval sich auf einmal an Mascha. »Westland oder Nordland?«

»Westland«, entgegnete die Direktorin kühl. »Mein Mann ebenfalls. Unsere Eltern waren gegen eine Hochzeit, also haben wir unser Dorf verlassen und diese Zirkusgruppe gegründet. Am Anfang bestand sie nur aus uns beiden und Lintai. Dann sind wir nach Norden gezogen in der Hoffnung, Unterschlupf bei den nördlichen Russen zu finden. Das hat jedoch nicht geklappt. Dafür sind wir Lars begegnet, dem Nordländer, der zusammen mit meinem Mann und Lintai auf dem Wagen sitzt.«

Pazifik - VerfolgtWhere stories live. Discover now